Legendärer US-Lektor

"Catch-22"-Entdecker Robert Gottlieb ist tot

15. Juni 2023
Redaktion Börsenblatt

Robert "Bob" Gottlieb ist am 14. Juni im Alter von 92 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus eines natürlichen Todes gestorben. Das teilte der Verlag Knopf Doubleday, der zu Penguin Random House gehört, mit. Er hat unter anderem Joseph Hellers "Catch-22" lektoriert.

Robert Gottlieb (rechts) mit Robert Caro im Dokumentarfilm "Turn Every Page - The Adventures of Robert Caro and Robert Gottlieb."

Der Lektor, Verleger und Journalist Bob Gottlieb wurde am 29. April 1931 in New York geboren. Er hat zahlreiche preisgekrönte Bücher lektoriert wie etwa Joseph Hellers berühmte Antikriegs-Satire "Catch-22".

Wie kam es dazu? 1955 trat Gottlieb als Lektoratsassistent bei Simon & Schuster an. Nach zwei Jahren nahm er einen ehemaligen Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg namens Joseph Heller und dessen teilweise geschriebenen Roman über den Krieg mit dem Titel "Catch-18" unter seine Fittiche. Gottlieb überzeugte die Führungskräfte bei Simon & Schuster, dem Roman eine Chance zu geben. Laut US-Medien zahlte Gottlieb 1.500 Dollar für den Roman, 750 Dollar bei der Unterzeichnung von Heller, 750 Dollar nach der Veröffentlichung. Das Buch kam 1961 heraus – unter dem Titel "Catch-22", um Verwechslungen mit Leon Uris' "Mila 18" zu vermeiden. Heute ein Klassiker. 

"Ein literarischer Gigant"

Gottlieb sei "ein literarischer Gigant" gewesen, dessen Karriere sich über mehr als sieben Jahrzehnte erstreckte, heißt es in der Mitteilung von Knopf Doubleday. 1968 kam Gottlieb als Präsident und Editor-in-Chief zum Verlag Alfred A. Knopf. Er sei erst der zweite Verlagschef nach Alfred Knopf gewesen, der das Unternehmen 1915 gegründet und die nächsten 53 Jahre geleitet hatte.

1987 verließ Gottlieb das Haus, um Herausgeber des "New Yorker" zu werden, wo er bis 1992 arbeitete, bevor er wieder als Herausgeber zu Knopf zurückkehrte. Zu seiner "illustren Liste" von Autor:innen hätten Robert Caro, John Cheever, Doris Lessing, John le Carre, Michael Crichton, Toni Morrison, Salman Rushdie, Robert Massie, Bob Dylan, Ray Bradbury, Bill Gates, Katharine Graham, Barbara Tuchman, Nora Ephron, Joseph Heller, Lauren Bacall, Katharine Hepburn, Bill Clinton, Miss Piggy und viele, viele andere gehört.

Ex-Präsident Bill Clinton etwa habe extra bei Alfred A. Knopf für seine Memoiren "My Life" unterschrieben, um mit Gottlieb zusammenarbeiten zu können, berichten US-Medien. So beeindruckt sei er von den Pulitzer Prize-gekrönten Memoiren der "Washington Post"-Verlegerin Katharine Graham gewesen, die Gottlieb betreut hatte.

"Ein vollendeter Lektor"

Reagan Arthur, EVP und Verleger von Knopf, sagte: "Es wäre schwer, einen Herausgeber zu nennen, der einen nachhaltigeren und tieferen Einfluss auf die amerikanische Literatur hatte. Bob war ein vollendeter Lektor und auch, wie er in seinen treffend betitelten Memoiren schrieb, ein begeisterter Leser mit einem unendlichen Appetit auf Geschichten und Stimmen, der ihn dazu brachte, Autoren mit erstaunlichem Talent in verschiedenen Genres zu fördern. Er hatte nicht nur eine Vision für das, was auf der Seite funktioniert, sondern auch für das, was auf dem Markt funktioniert, und als Editor-in-Chief von Alfred A. Knopf führte er unser Verlagshaus zu neuen Höhen des literarischen und kommerziellen Erfolgs. Bob liebte die Sprache und er liebte Bücher, und zahllose Autoren und Leser sind durch ihn reicher geworden."

Die längste Arbeitsbeziehung habe Gottlieb zweifellos mit Robert Caro verbunden, dessen erstes Buch, "The Power Broker", die hochgelobte, meistverkaufte und preisgekrönte Biografie von Robert Moses, von ihm herausgegeben und 1974 bei Knopf veröffentlicht wurde. Er habe auch die ersten vier Bände von Caros monumentaler Biografie über Lyndon Johnson bearbeitet (der letzte Band ist noch in Arbeit) und sein 2019 erscheinendes Buch "Working". Ein Dokumentarfilm über ihre berühmte Zusammenarbeit, "Turn Every Page", unter der Regie von seiner Tochter Lizzie Gottlieb, wurde letztes Jahr veröffentlicht.

"Bob war immer, immer für mich da"

Robert A. Caro sagte: "Ich habe noch nie einen Verleger oder Herausgeber getroffen, der besser verstanden hat, was ein Autor zu tun versucht – und wie er ihm dabei helfen kann. Seit dem Tag vor zweiundfünfzig Jahren, als wir zum ersten Mal gemeinsam meine Seiten betrachteten, verstand Bob, was ich zu tun versuchte, und ermöglichte es mir, mir die Zeit zu nehmen und die Arbeit zu tun, die ich brauchte. Die Leute reden mit mir über einige der triumphalen Momente, die Bob und ich geteilt haben, aber heute erinnere ich mich an andere Momente, schwierige Momente, und ich erinnere mich, wie Bob immer, immer, ein halbes Jahrhundert lang, für mich da war. Er war ein großartiger Freund, und heute trauere ich von ganzem Herzen um meinen Freund."