"Wie wollen wir leben?" (3)

"After-Show-Party statt Restlaufzeit"

23. Januar 2021
Redaktion Börsenblatt

Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate ist die Frage "Wie wollen wir leben?" drängender denn je. Welche Denkanstöße dazu in den Frühjahrsnovitäten zu finden sind, zeigen wir in einer Folge, die auch Anregung für einen Büchertisch sein kann. Die heutige Antwort kommt von von den Journalistinnen Christiane Hastrich und Barbara Lueg. Sie blicken energiegeladen in die Zukunft: „Statt einsam gemeinsam. Wie wir im Alter leben wollen“.

Der folgende Textauszug stammt aus dem Buch "Statt einsam gemeinsam. Wie wir im Alter leben wollen", das am 29. März bei Eisele erscheint. 

„Wir stellen uns das Ganze in etwa so vor: Tief einatmend und die Flügel weit ausgebreitet segeln wir mit enormer Spannweite durch die Leichtigkeit des Seins, getragen von all jenen schönen und schrecklichen, glücklichen und traurigen Augenblicken des Lebens, die uns bis hierher gebracht haben – ins Älterwerden. Manche Momente lassen wir in ihrer Wirrnis hinter uns, andere ragen wie Leuchttürme empor und werfen ihre hellen Strahlen auf unsere Zukunft. Der Rückenwind ist erhebend und das Gefühl erstaunlich gut. Mag sein, dass dieses Bild etwas kitschig ist, aber es ist vor allem eines: verheißungsvoll. Denn hier, in diesem Moment, beginnt eben mitnichten unsere Restlaufzeit, sondern vielmehr unsere After-Show-Party. Konfetti statt Resterampe. In unserem letzten Drittel holen wir herrlich tief Luft und schöpfen aus dem Vollen. In den kommenden fünfzehn Jahren gehen ab sofort jährlich eine Million von uns »neuen Alten« in Rente. Und wir werden anders leben und wohnen als alle Generationen zuvor.

[…] Hier ist unsere Kreativität, unsere Initiative gefragt. Undenkbar, uns erschöpft aufs Sofa sinken zu lassen. Im Gegenteil: Wir stemmen uns gemeinsam und hellwach gegen die große Müdigkeit und wollen in dieser Phase lieber fiebrig neues Terrain erkunden. Einen flirrenden Platz, der aus der Reihe tanzt und zu uns passt. Ein leichtes, federndes Dach über unseren Köpfen und Herzen. Wir wollen nicht nur den großen Zeh ins Wasser tunken. Nein, wir werden in eine Lebenszeit tauchen und dort noch unbewohntes Land erobern. Auf der Suche nach Weite, Zuversicht, Gemeinschaft. Ob wir wollen oder nicht – wir werden die Trendsetter für ein neues Älterwerden sein, wir werden uns neu erfinden. […] So vieles ist anders als in der Generation vor uns. Wir müssen umdenken. Wir sind Pioniere in eine ungewisse Alterszukunft, ziehen die Anker ein und spüren den frischen Wind in den Segeln. Was da gerade stattfindet, ist eine Art Biotopwechsel. Und wirklich spannend, denn wir werden in neuen Gemeinschaften zusammenfinden. Warum? Weil sich die Bedingungen, Bedürfnisse und Lebensverhältnisse grundsätzlich verändert haben. […] Die große Frage verbindet uns deshalb alle: Wie wollen wir im Alter leben? In welche Art von Nest oder Gemeinschaft führt uns unsere Rente, die vielleicht weniger gestattet, als wir uns wünschen? Oder wenn sie für ein Leben ausreicht – ist es die Lebensform, die wir anstreben? Die zu uns passt? Was wird uns wirklich glücklich machen? Worauf wird es unserer Generation, die von Anfang an um Unabhängigkeit und Freiheit gefochten hat, wirklich ankommen? Wir wollten ein anderes Leben als das unserer Mütter; eines, das uns staunen lässt. Wir wollten uns austoben, den Rausch, das Fieber, Freiheit, berufliche Selbständigkeit, finanzielle Unabhängigkeit, Geborgenheit, Liebe. All das. […] Alters-WG? Tinyhouse? Dauercamping? Mehrgenerationenhaus? Ökodorf? Oder ab ins Ausland? Dies alles sind Möglichkeiten und Alternativen zu Singlewohnung, Seniorenheim und Ratlosigkeit.“