Studie

Konsumgüterhersteller im Krisenmodus

18. März 2025
Redaktion Börsenblatt

Nicht nur der Einzelhandel kämpft mit dem Marktumfeld und Energiekosten: Laut einer Studie von FTI-Andersch ist auch die Konsumgüterindustrie ähnlich stark betroffen: Die Industrie rechnet mit einer gewaltigen Insolvenzwelle und Übernahmen.

Arbeiter in einer Fabrik

Restrukturierung

Ein Viertel (26 Prozent) der befragten Konsumgüterhersteller befindet sich in einer Restrukturierung, ein weiteres Fünftel plant dies kurz- bis mittelfristig (20 Prozent). 84 Prozent der Konsumgüterhersteller werden im Rahmen der Restrukturierung Arbeitsplätze in Deutschland abbauen oder haben sie bereits abgebaut (54 Prozent). Die Hälfte plant einen Abbau von Produktionskapazitäten (50 Prozent), die andere Hälfte setzt dies bereits um (46 Prozent). Das ist das Ergebnis einer Befragung des Marktforschungsinstituts Verian (zuvor: Kantar Public) im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch.

  • 78 Prozent werden im Rahmen der Restrukturierung Standorte verlagern oder haben damit bereits begonnen
  • Jeder Vierte (26 Prozent) rechnet mit einer Insolvenzwelle
  • Fast zwei Drittel (62 Prozent) sehen in der Konsolidierung eine Chance auf Übernahmen
  • Beim Abbau von Arbeitsplätzen übertrifft nur der Non-Food-Einzelhandel (hier ist der Buchhandel auch eingerechnet) die Konsumgüterhersteller (86 Prozent der Händler in Restrukturierung planen Abbau oder führen diesen bereits durch).
  • Im Maschinenbau (73 Prozent) und der Automobilindustrie (41 Prozent) planen dies deutlich weniger Unternehmen, unter anderem bedingt durch den Fachkräftemangel.
  • Beim Abbau von Produktions- und Leistungskapazitäten liegen der Maschinen- und Anlagenbau (Umsetzung 23 Prozent, in Planung 25 Prozent) und die Automobilbranche (Umsetzung 22 Prozent) ebenfalls deutlich hinter der Konsumgüterindustrie.

"Die Konsumgüterindustrie in Deutschland befindet sich in einem massiven Strukturwandel", sagt Dorothée Fritsch, Managing Director und Konsumgüter-Expertin bei FTI-Andersch. "Die aktuellen Standortbedingungen führen dazu, dass Hersteller ihre häufig deutlich kostengünstigeren Werke in Osteuropa weiter auslasten, die Produktionskapazitäten und damit auch Personal in Deutschland jedoch vermehrt abbauen. Sie machen das konsequenter als andere produzierende Unternehmen. Was wir seit Monaten zusätzlich beobachten: Aus Kürzungen werden in erhöhtem Maße jetzt auch Schließungen."

So haben 38 Prozent der befragten Konsumgüterhersteller, die sich aktuell in einer Restrukturierung befinden, angegeben, bereits mit Standort- oder Produktionsverlagerungen begonnen zu haben, 40 Prozent planen dies. Zum Vergleich: Auch 42 Prozent der Maschinenbauer in Restrukturierung planen Verlagerungen, aber dort setzen dies erst acht Prozent bereits um. Zusätzlich planen 30 Prozent der Konsumgüterhersteller, Bereiche, die außerhalb ihres Kerngeschäfts liegen, zu veräußern oder zu schließen (8 Prozent setzen dies bereits um).

"Industrie, die einmal aus Deutschland abgewandert ist, wird auf absehbare Zeit nicht zurückkommen", warnt Dorothée Fritsch. "Größere Verwerfungen in den Lieferketten und der Warenverfügbarkeit sind hingegen nicht zu erwarten, da die neuen Produktionskapazitäten überwiegend schon aufgebaut sind und mit Osteuropa in unmittelbarer Nähe liegen."

Herausforderungen sind dieselben wie im Buchhandel

Die drei größten Herausforderungen, die Konsumgüterhersteller nach eigener Aussage am Standort Deutschland vorfinden:

  • Arbeits- und Fachkräftemangel (84 Prozent)
  • Bürokratie (82 Prozent)
  • Energiepreise (74 Prozent).
  • Allgemein zeigen sich 72 Prozent mit der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland unzufrieden.
  • Rund die Hälfte (46 Prozent) beobachtet zudem gestiegene Insolvenzen, ein Viertel (26 Prozent) würde sogar von einer "Insolvenzwelle" sprechen.

Konsolidierungswelle wird von Mehrheit als Chance wahrgenommen

In der sich ankündigenden Konsolidierung sieht ein Großteil (62 Prozent) der befragten Unternehmen allerdings auch Chancen für mögliche Übernahmen. 40 Prozent der Hersteller prüfen bereits eine Übernahme potenziell insolventer Wettbewerber und Lieferanten. Im Gegensatz dazu sehen acht Prozent der Konsumgüterhersteller ihre eigene Existenz bei Eintreten der befürchteten Insolvenzen bedroht.

"Wir erwarten, dass nur ein geringer Anteil der Unternehmen vom Markt verschwinden wird. Wer sich jetzt aktiv auf das Unvermeidbare einstellt, der kann von der Situation profitieren – etwa durch Übernahme interessanter Ziele", sagt Dorothée Fritsch.

Branche fokussiert sich auf Profitabilitätssteigerung

"In der öffentlichen Diskussion steht aktuell vor allem die Automobilindustrie im Fokus", beobachtet Dorothée Fritsch. "Das liegt zum einen an der hohen Relevanz als exportorientierte Basisindustrie des Standorts Deutschland. Zum anderen auch daran, dass es sich dabei nicht nur um eine Konjunktur-, sondern auch um eine Strukturkrise handelt."

Dorothée Fritsch weiter: "In der Konsumgüterindustrie schlägt aktuell stark die Konjunktur durch, ausgelöst durch den Inflationsanstieg und Folgewirkungen der strukturellen Krisen anderer Branchen. Die Geschäftsmodelle sind auch aufgrund der lokalen Märkte im Konsumgüterbereich überwiegend intakt und der Konsolidierungsgrad ist bereits sehr hoch. In diesem Zuge beobachten wir, dass viele Konsumgüterhersteller ihre bestehenden Produkt- und Markenportfolios aktuell kritisch durchleuchten, um ihre Profitabilität im Kerngeschäft weiter zu steigern."

Über FTI-Andersch:

FTI-Andersch ist eine Unternehmensberatung. Zu den Mandanten zählen insbesondere mittelständische Unternehmen und Konzerne, die international agieren. FTI-Andersch ist Teil der FTI-Consulting-Gruppe (NYSE: FCN) mit mehr als 8.300 MitarbeiterInnen weltweit.