Klaus hatte in Frankfurt Germanistik studiert, sich aber auch in den anderen akademischen Milieus dieser Stadt umgetan. In der Philosophie (nach Adorno), in der Soziologie (nach Habermas), aber auch in der Musikhochschule, wo er Freunde unter den jüngeren Pianisten hatte. Die stärksten Anregungen erhielt er aus den Veranstaltungen und Seminaren des Sigmund-Freud-Instituts. Wenige wissen es, ich aber weiß es genau: Klaus Siblewski ist ein so erfolgreicher und brillanter Lektor geworden, weil er sich jederzeit in Sigmund Freud verwandeln kann. Dann hört er einem ruhig zu, stellt Fragen, urteilt nie und wertet nicht. Er verwandelt das Gespräch über einen Text vielmehr in das Gleiten eines schmalen Bootes auf einem Fluss, der sich seinen Weg durch eine Ebene bahnt. An einer Stromschnelle wird ein Hindernis beseitigt, kleinere Äste werden aufgelesen und beiseite geräumt, und wenn die Fahrt zu langsam wird, verwandelt er sich in einen behutsamen Steuermann und reicht einem ein zweites Ruder.
Wer so mitdenkt, spricht und mitspielt, wird ein Teil des Textes, der entstehen soll. Der fremde Text lebt in ihm und fordert ihn insgeheim auf, das Fremde zu überschreiben. Wie aber wäre das möglich? Indem man sich korrigierend und gestaltend in ihn einschreibt, aber auch, indem man sich aus ihm herausschreibt – in einem eigenen Text. Genau an dieser Stelle lauert die Hürde, mit der sich Klaus Siblewski ein Leben lang beschäftigt und die er umkreist hat wie kein anderer. Sie besteht aus Antworten auf die Frage, wie und was Lektoren eigentlich schreiben. Einen Kontext? Paratexte? Oder lautlos bleibende und versickernde Paraphrasen zu dem, was die Autorinnen und Autoren ihnen anbieten?