"Ihre Fans wollen Sie kennenlernen!"

Wer schreiben kann, muss sich noch lange nicht vermarkten können. Kommt man drum herum?
Zu denken, dass sich Bücher ohne Marketing verkaufen, ist Wunschdenken. Leser *innen werden auf Bücher aufmerksam, wenn sich Autor*innen aktiv um Sichtbarkeit für ihre Bücher und ihre Person kümmern. Je besser Autor*innen verstehen, wie ihre Wunschleser*innen ticken, wo sie nach Büchern suchen und welche Erwartungen sie haben, desto besser können die Bücher an den richtigen Orten vorgestellt und mit den richtigen Inhalten beworben werden. Und je eher Autor*innen bereit sind, mit der Leser*innen-Community in Kontakt zu treten, desto schneller kann eine stabile Fangemeinde aufgebaut werden. 

Manche meinen, Selbstvermarktung habe etwas mit ungehörigem Eigenlob zu tun. Was antworten Sie denen?
Beim Marketing geht es nicht um Eigenlob, sondern um Authentizität. Die Leser*innen möchten den Menschen hinter dem Buch kennenlernen. Viele Autor*innen zeigen auf ihren Websites oder auf Social-Media-Kanälen keine Bilder oder Videos von sich. Sie scheinen Angst zu haben, dass ihre Leser*innen sie kennenlernen. Sich in einer Livelesung oder in einem Video zu zeigen, wirkt tausendmal intensiver als ein bloßes Foto. Es gibt eine Flut an Neuerscheinungen und die Konkurrenz schläft nicht: Viele Selfpublisher* in­nen legen die Latte sehr hoch.

Wie gehen Selbstverleger*innen am besten vor, wenn sie zum ersten Mal über die Vermarktung ihres Buchs nachdenken?
Im Romanbereich sollte man sich zuerst auf ein Genre festlegen. Oft lerne ich Autor*innen kennen, die zwischen den Genres schreiben oder Bücher in unterschiedlichen Genres planen. Doch Leser*innen wollen wissen, ob sie es mit einem Psychothriller oder einem Romantikthriller zu tun haben. Klischees sind im Romanbereich gut und funktionieren. Im Sachbuchbereich rate ich eher, sich am Anfang die Bücher anderer Autor*innen zum eigenen Thema anzusehen – und sich zu überlegen, mit welchem Alleinstellungsmerkmal man herausstechen kann. 
Außerdem sollte man sich Gedanken zu seinen Wunschleser*innen machen: Wer sind sie, und wie ticken sie? Wo sind sie zu finden? Wie kommuniziert man mit ihnen? Was müssen sie über mein Buch wissen, damit sie es kaufen? Wo würden sie meine Bücher kaufen und in welchem Format? Je besser die Zielgruppe eingegrenzt ist, desto besser funktioniert später auch das Marketing.

Wie viel Geld sollte man ins Marketing stecken? Gibt es eine Faustformel?
Zuerst braucht man ein gutes Produkt. Bücher verkaufen sich zunächst vor allem über Cover – und langfristig über Qualität. Autor*innen sollten also ein ansprechendes und stimmiges Cover gestalten lassen, in professionellen Buchsatz investieren und das Manuskript zumindest Korrektur lesen lassen. Darüber hinaus reichen zum Start eine Website, ein Newsletter und vielleicht noch ein weiterer Kanal, wie zum Beispiel Instagram. Bevor man Geld für Werbematerial oder bezahlte Werbung ausgibt, sollte man schauen, ob mit den bisherigen Bemühungen die richtigen Leser*innen erreicht werden.

Wie viel Zeit sollte man investieren?
Am besten erstellt man eine grobe Jahresplanung mit Veröffentlichungs­termin, Events, besonderen Tagen wie Valentinstag (Liebesromane) oder Tag der Rückengesundheit (Sachbuch zum Thema) und so weiter. Erfahrene Self­­publisher* in­nen berichten, dass sie morgens zwei Stunden schreiben und sich den Rest des Tages um das Marketing kümmern. Schreiben muss man das Buch nur einmal. Vermarkten muss man es kontinuierlich.

Sollte jeder Selbstverleger, jede Selbstverlegerin eine Website einrichten? 
In jedem Fall! Und zwar von Anfang an, sobald die Buchidee da ist und man den ersten Leser*innen vom Buch erzählt. Es wirkt weitaus professioneller, wenn Autor*innen nicht nur auf Facebook sind, sondern eine eigene Domain haben. Gerade Selfpublisher*innen stehen ja zum Teil im Verdacht, qualitativ minderwertige Bücher zu veröffentlichen. Die Wahrnehmung verändert sich, je professioneller die Selfpublisher*in­nen nach außen auftreten. Abgesehen davon sammelt man über eine eigene Website von Anfang an wichtige Leser*innenkontakte. 

Marke Eigenbau oder empfehlen Sie professionelle Hilfe? Wie viel Geld muss man für eine professionelle Webseite anlegen? 
Über Website-Systeme wie Wix, Wordpress oder Squarespace lässt sich einfach und schnell eine professionelle Website erstellen. Diese Systeme kosten etwa 200 Euro pro Jahr. Wichtiger als das System sind die Inhalte. Viele Autor*innen haben wenig Marketing­erfahrung und erstellen eher Online­tagebücher als Verkaufswebsites. 

Wie sieht es mit Facebook, Pinterest, LinkedIn oder Instagram aus? Muss man auch da dabei sein?
Bei Social-Media-Marketing muss man sich bewusst sein, dass die Leser*innen  den Autor, die Autorin kennenlernen möchten und Beiträge kommentieren. Wer darauf keine Lust hat, kann sich Content-Marketing, Buchfunnels, Blogger-Marketing oder Affiliate-Marketing als Möglichkeiten der Selbst- und Buchvermarktung ansehen.

Würden Sie einen Newsletter anbieten?
Eine Website nur als »digitale Visitenkarte« zu nutzen –  das verdreht den Sinn. Die Website wird gemacht, um über E-Mail-Marketing langfristig eine treue Leser*innen-Community aufzubauen.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Was können Selfpublisher*innen hier tun?
Statt zu Geschenken würde ich zu Kooperationen mit anderen Autor*innen aus dem gleichen Genre oder mit Experten zu gleichen oder verwandten Sachthemen raten, wie gemeinsame Lesungen oder Gewinnspiele. So erreicht man neue Leser*innen und sticht hervor. Vergangenes Jahr hörte ich von einem Autor, der im DACH-Raum eine Schnitzeljagd für seine Bücher veranstaltet und befreundete Autor*innen beim Verstecken um Hilfe gebeten hatte – solche Aktionen merkt man sich!

Die schönste Anerkennung für Autor*innen sind Rezensionen. Wie kommt man da ran?
Das Thema ist unbeliebt, aber wichtig: Rezensionen von Leser*innen gelten als Qualitätsbeweis. Über explizite Rezensionen hinaus sollten Autor*innen alle Reaktionen auf ihr Buch nutzen, auch die, die auf Social-Media-Profilen von Leser*innen gepostet wurden oder als persönliche Nachrichten eingegangen sind. Vor der Nutzung sollte allerdings um Erlaubnis gefragt werden. Im Sachbuchbereich kann man auch gezielt auf Leser*innen zugehen und um Testimonials bitten.

Stefanie Penz ist Buchmarketing-Expertin und unterstützt Selbstverleger*innen und Verlagsautor*innen dabei, die richtigen Leser*innen anzusprechen – und mehr Bücher zu verkaufen. Ihre Schwerpunkte liegen im Amazon- und Website-Marketing. Die gebürtige Österreicherin hat ihren Lebensmittelpunkt in Mexiko und ist Veranstalterin des Onlinemarketing-Kongresses Buchmarketing Weekend. Weitere Informationen finden sich unter: www.texthungrig.com

Frühzeitig starten: Kümmern Sie sich nicht erst nach der Veröffentlichung Ihres Buchs um das Marketing! Besser ist es, schon während der Buchidee mit dem Marketing zu beginnen und sich über passende Marketing-Aktivitäten eine Fangemeinde aufzubauen.

Wunschleser*innen identifizieren:  Je besser Sie Ihre Zielgruppe kennen, desto besser funktioniert das Marketing. 

Newsletter regelmäßig verschicken: Mindestens zweimal im Monat sollte ein Newsletter verschickt werden. Inhalte können die Arbeit am Buch sein, der Autor*innenalltag, die Bücher, die man selbst liest oder empfiehlt, geplante Events oder Leserstimmen. Newsletter-Marketing sollte man sich wie Small Talk vorstellen: Die Leser lernen den Autor auf einer Party kennen und erfahren etwas über das Buch, die Arbeit daran, Herausforderungen usw. 

Kooperieren Sie mit Kolleg*innen: Planen Sie gemeinsame Lesungen, Gewinnspiele, Aktionen mit anderen Autor*innen: Die Leser*innen wollen Entertainment. 

Zeit für Vermarktung einplanen: Als Faustformel gilt: 30 Prozent der verfügbaren Zeit aufs Schreiben verwenden, 70 Prozent auf die Vermarktung. 

In der neuen Börsenblattausgabe 21 vom 27.5.2021 finden Sie 146 interessante Neuerscheinungen aus Selbst- und Kleinverlagen und damit viele Tipps für neuen Lesestoff!