Frankfurter Buchmesse

Gekürzt oder nur verschoben: Wo Literaturkritik noch ihren Platz findet

18. Oktober 2023
Redaktion Börsenblatt

Wie sieht die Zukunft der Literaturberichterstattung aus? Dieser Frage ging eine Diskussionsrunde nach, die der Börsenverein in den Frankfurt Pavilion auf der Buchmesse eingeladen hatte.

Diskussion über die Zukunft der Literaturberichterstattung: Miriam Zeh (Autorin, Redakteurin DLF und Moderatorin), Frank Menden (stories! Buchhandlung in Hamburg), Kerstin Gleba (Verlegerische Geschäftsführerin von Kiepenheuer & Witsch) und Ellen Trapp (Leiterin Programmbereich Kultur beim BR)

Auf Literaturkritik verzichten, weil das Geschäft auch so läuft - nein, das möchte Kerstin Gleba, verlegerische Geschäftsführerin von Kiepenheuer & Witsch, mit Sicherheit nicht. "Mit unseren Büchern wollen wir ja Öffentlichkeit schaffen. Und jeder Echoraum ist dafür wichtig." Lob oder Verriss, beide Reaktionen sind Anlässe, um Bücher ins Gespräch zu bringen.

Frank Menden, Buchhändler von stories! in Hamburg, weiß, dass 90 Prozent der Kund:innen ihre Anregung zum Kauf eines Buches aus Printmedien, Radio oder Fernsehen beziehen - wobei die meisten Kunden die 40 schon überschritten haben.

Ellen Trapp verteidigte das Vorhaben des Bayerischen Rundfunks (BR), traditionsreiche Sendungen wie das Büchermagazin "Diwan" oder die Lesungssendung "radioTexte" zu streichen und die Inhalte auf andere Formate zu verteilen. Dabei gehe es vor allem darum, die Prime Time, die Zeit werktags zwischen 6 und 20 Uhr zu stärken. In dieser Zeit erreiche man ein breiteres Publikum als beispielsweise am Sonntagnachmittag. "Die große Streichung beim BR findet nicht statt, die Inhalte werden an anderer Stelle neu aufbereitet." Zum Beispiel, so Trapp, in einem nachmittäglichen Kulturmagazin, das montags bis freitags von 14 bis 16 Uhr ausgestrahlt werden soll.

Moderatorin Miriam Zeh lenkte das Gespräch auf eine Petition gegen die Streichungen, die bisher 7.000 Personen unterzeichnet haben. Darin wird behauptet, es würden insgesamt beim BR zehn Stunden Literaturprogramm entfallen, eine Zahl, die Trapp vehement bestritt. Nachrechnen ließ sich das an Ort und Stelle nicht. Wie Sendeminuten für Literatur definiert werden, wäre zudem eine zusätzliche Frage.

"Durchschlagskraft großer Rezensionen lässt nach"

Miriam Zeh fragte, welche Wunschformate Jüngere schätzten. TikTok oder Instagram habe man auch beim BR im Blick, so Ellen Trapp. Kerstin Gleba plädierte dafür, den Fokus mehr auf die Inhalte zu richten. Erst müsse man die Frage nach den Inhalten stellen, dann erst die nach den Formaten. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen ihre Rolle bewusst wahrnehmen und Impulse setzen. "Wir merken als Buchverlag, dass die Durchschlagskraft großer Rezensionen nachgelassen hat. Es gibt zwar inzwischen eine breitere Diskussion über Literatur, zum Beispiel in Literatur-Podcasts, und man kann von einer Demokratisierung des Diskurses über Literatur sprechen. Aber wir brauchen Räume, um vertieft über Literatur zu sprechen - das kann man nicht nur an Klickzahlen festmachen."

Der BR, so Miriam Zeh, müsse ab 2025 pro Jahr 25 Millionen Euro einsparen. "Was lassen sie weg?" Ein Vorschlag sieht vor, die Rezensionen von Büchern ARD-weit zu beschränken. Kerstin Gleba darauf: "Ich würde es als Verarmung empfinden, wenn alles stromlinienförmiger würde - nach dem Motto: Eine Meinung reicht."