Corona-Pandemie

Forscherteam: So kann ein Lockdown verhindert werden

29. November 2021
Redaktion Börsenblatt

Kann ein flächendeckender Lockdown noch vermieden werden? In einem Positionspapier, an dem unter anderem die Physikerin Viola Priesemann mitgewirkt hat, erklärt eine Foschergruppe, wie das gelingen könnte. Der Einzelhandel bleibt in dem Maßnahmen-Katalog geöffnet. Bund und Länder tauschen sich am 30. November über ihr Vorgehen aus.

In der öffentlichen Debatte über die Maßnahmen gegen die vierte Corona-Welle wird der Ruf nach einem Lockdown oder schärferen Maßnahmen immer lauter – von Virologen und Politikern. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder etwa wird mit dem Satz: "Wir müssen das ganze Land sofort stärker herunterfahren" zitiert. Der Berliner Virologe Christian Drosten zeigt sich besorgt über die Omikron-Variante. Bund und Länder wollen sich bereits am 30. November über schärfere Maßnahmen in der Corona-Pandemie austauschen.

Aber ist ein Lockdown unausweichlich? Nein, wenn man jetzt konsequente Maßnahmen ergreift, meint ein Forscherteam um die Göttinger Physikerin Viola Priesemann (Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen) in einem Positionspapier vom 29. November.

Die regionale Überlastung sei nicht mehr abzuwenden, aber sie könne abgemildert werden. Deswegen gelte es jetzt, die wichtigsten Maßnahmen nochmal zu betonen und ihre Umsetzung so zu verstärken, dass ein längerfristiger bundesweiter Lockdown in der aktuellen Deltawelle vermieden werden kann.

Kernpunkt dabei sei nach wie vor die deutliche Reduktion räumlich enger Kontakte sowie Vorsichtsmaßnahmen vor allem in Innenräumen.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat beschlossen, dass Bundesländer ihre Maßnahmen an der Krankenhaus-Inzidenz orientieren. Inzwischen könnten hochkritische Bundesländer (mit Werten >9) identifiziert werden. Die meisten anderen Bundesländer seien derzeit schon in der die Kategorie >6 einzuordnen (kritisch). Auch wegen der neuen Omikron-Variante scheine es geboten, alle Bundesländer mindestens in die Kategorie kritisch einzuordnen

Für alle Bundesländer werden – neben der konsequenten Umsetzung der Basis-Regeln – Maßnahmen empfohlen, deren Wirksamkeit belegt sei, darunter:

  • Allgemein: An erster Stelle noch zügigeres Boostern und Impfen von circa 2 Prozent der Bevölkerung oder mehr pro Tag. Das bedeute rund 1.5 Millionen Impfungen pro Tag. Hierbei müssen vor allem spezielle Kapazitäten für ältere und vulnerable Personen bereitgestellt werden.
  • Bereich Arbeit: Konsequente Umsetzung der bestehenden 3G- und Homeoffice-Regeln; zusätzlich medizinischer Mund-Nasen-Schutz in Büros oder bei Besprechungen mit mehr als zwei Personen in einem Raum.
  • Veranstaltungen: Reduktion der Gruppengröße oder Aussetzen von Veranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 50 Personen und von Großveranstaltungen (> 1.000 Personen) in Außenbereichen abhängig von der Hospitalisierungsinzidenz.
  • Bereich öffentliche Freizeit (Restaurants, Bars, Clubs, Kinos, Sporthallen etc): In Innenräumen 2G+, im Freien mindestens 2G. Medizinischer Mund-Nasen-Schutz außer in Gastronomie am Platz und beim Sport. Begrenzung der Personendichten bei hoher Hospitalisierungsinzidenz.
  • Einzelhandel: Medizinischer Mund-Nasen-Schutz; Begrenzung der Personendichten je nach Hospitalisierungsinzidenz.
  • Schulen: Teststrategie, möglichst mit Pool-PCR-Test; konsequentes Lüften; ggf. Luftreinigung; inzidenzabhängig ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz auch im Unterricht; Reduktion der Gruppengröße bei sehr hohen Inzidenzen.

Im Hinblick auf die neue Virusvariante Omikron sei folgendes nötig:

  • Die rechtliche Grundlage für einen Not-Schutzschalter muss schnellstmöglich geschaffen werden.
  • Die Kontaktnachverfolgung der neuen Virusvariante Omikron sollte aktuell absolute Priorität haben.

In den hochkritischen Bundesländern seien die genannten Maßnahmen für kritische Bundesländer nicht ausreichend, um die Krankenhäuser schnell zu entlasten. Dafür müssten zusätzlich folgende Bereiche für diese Bundesländer in den Blick genommen werden:

  • Private Besuche in Innenräumen bei Familienangehörigen und Freunden müssen reduziert werden.
  • Schulen: Als ultima ratio könne Online-Unterricht oder ein vorgezogener Beginn der Ferien z.B. in den zwei Wochen vor Weihnachten in Betracht gezogen werden.