Wirtschaftsgipfel mit Minister Altmaier

"Es muss jetzt mehr Tempo gemacht werden!"

16. Februar 2021
Redaktion Börsenblatt

Beim Corona-Gipfel von Bundeswirtschaftsminister Altmaier und 40 Wirtschäftsverbänden hat man sich darauf verständigt, dass die Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro für Hilfszahlungen an Unternehmen gestrichen werden soll. Zudem soll es nachvollziehbare Öffnungskritierien für Einzelhandel, Hotels und Gastronomie geben.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat das Gespräch mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden auf der Pressekonferenz im Anschluss als "sehr fruchtbar" bezeichnet. Als Ergebnis hielt Altmaier fest, dass die Umsatzgrenze von 750 Millionen Euro bei Unternehmen für Hilfen fallengelassen werden solle; zudem werde ein Härtefall-Fonds eingerichtet (das soll in den nächsten Tagen geregelt werden), damit Bundesländer in Einzelfällen über Hilfen entscheiden können, die nicht in bestimmte Raster passten. "Hier geht es um mehr Einzelfallgerechtigkeit – es gibt Fälle, wo man gerne helfen würde, es aber nicht in das eine oder andere Hilfsprogramm passt", so Altmaier. In solchen Fällen könnten die Bundesländer nach Höhe ihrer Steuerkraft selbst entscheiden; allerdings müsse er Näheres noch mit Bundesfinanzminister Scholz besprechen.

  • Von den November- und Dezemberhilfen seien 6,1 Milliarden Euro bereits ausgezahlt, 90 Prozent der Abschlagszahlungen der Dezemberhilfen seien geleistet.
  • Seitdem das Portal für Anträge für Überbrückungshilfen III am 12. Februar freigeschaltet worden sei, seien bereits 4.000 Anträge gestellt worden.
  • Das Portal für die Neustarthilfen für Soloselbstständige sei heute, am 16. Februar, freigeschaltet worden.

Im Umfeld der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz wolle er sich mit den Vertretern der Wirtschaftsverbände erneut treffen, hielt Altmaier fest.

"Wegen fehlender Perspektiven verzweifeln viele Händler" – hier sei dringendes Handeln von Seiten des Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministers geboten, sagte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland. 65 Prozent der Händler wären ohne Hilfe gezwungen, so eine Umfrage seines Verbands, Insolvenz anzumelden. Sanktjohanser wies auch darauf hin, dass es in der Vergangenheit mit den Hygienebemühungen sehr gut geklappt habe; zudem wies er sehr deutlich auf die Gewerbesteuereinnahmen hin.

Der Einzelhandel brauche jetzt eine sichere Öffnungsperspektive, betonte Sanktjohanser, wie auch die Vertreter der anderen Verbände für ihre Branchen. Gefordert wurden "nachvollziehbare Bedingungen", etwa ein Stufenplan, der sich an objektiven Werten (Inzidenzzahl, belegte Intensivbetten etc.) orientieren würde – das heißt, keinen sektoralen Ansatz verfolgen solle. "Ein Katalog von Daten", wie es Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, formulierte.

Jedes vierte Unternehmen seiner Branche sehe die Gefahr einer Geschäftsaufgabe, sagte Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Das habe eine Umfrage unter seinen Mitgliedern ergeben. Es gehe nicht nur um die eigenen Betriebe, sondern auch um die vielen Zulieferbetriebe. Bei allen Vertretern ging es auch immer darum, Corona-Tests und Eigentests zu forcieren.

Zudem wollen Altmaier und die Wirtschaftsverbände in den nächsten Tagen oder bis zum nächsten Bund-Länder-Treffen Empfehlungen für eine Öffnungsstrategie in einem gemeinsamen Papier zusammenstellen.

"Der Wirtschaftsgipfel muss Lösungen bringen"

Im Vorfeld hatte es bereits zahlreiche Forderungen gegegben. "Die Politik muss jetzt das liefern, was sie schon lange zugesagt hat: einen fairen und sich an transparenten Kriterien orientierenden Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown. So wie in den letzten Monaten kann es nicht mehr weitergehen. Da muss mehr Berechenbarkeit rein", äußerte sich Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Der Einzelhandel habe in den vergangenen Monaten bewiesen, dass er auch bei Inzidenzen von über 50 oder 35 mit seinen funktionierenden Hygienekonzepten sicherstellen könne, dass der Einkauf nicht zum Hotspot werde. Deshalb habe sich die Branche einen Stufenplan mit dem Ziel der Wiedereröffnung verdient.

Außerdem erwartete der HDE, dass es bei dem Wirtschaftsgipfel um die effizientere und gerechtere Ausgestaltung der Corona-Hilfen geht. "Seit Monaten wird an der Überbrückungshilfe geschraubt und am Ende steht trotzdem wieder nur eine in Teilen sinnvolle Lösung. Hier muss schleunigst endlich nachgebessert werden. Ansonsten kommt das bei vielen Händlern gar nicht oder nicht ausreichend an", forderte Genth. Der HDE bemängelte beispielsweise, dass Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro bei der Überbrückungshilfe völlig leer ausgehen. Außerdem sieht der Verband die Inhaber vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen vom Absturz in die Armut bedroht, weil sie sich aus den staatlichen Geldern keinen Unternehmerlohn auszahlen dürfen. Als ungerecht und als Ungleichbehandlung mit der Gastronomie sieht die Branche zudem an, dass der Handel bei den Dezemberhilfen keine Berücksichtigung findet.

"Der Wirtschaftsgipfel mit Minister Altmaier muss Lösungen bringen. Das darf keine reine Show-Veranstaltung werden", sagte Genth. "Der Einzelhandel erwartet, dass alles getan wird, um so viele Unternehmen wie möglich durch diese schwierige Zeit zu bringen. Da muss jetzt mehr Tempo gemacht werden."

"Förderprogramme werden derzeit zu langsam umgesetzt"

Für die Kulturbranche ist beim Wirtschaftsgipfel der Deutsche Kulturrat dabei, in dem der Börsenverein Mitglied ist. Der Kulturrat hat bereits am 8. Februar Perspektiven zur Öffnung angemahnt und entsprechende Forderungen erhoben:

  1. Schrittweises Vorgehen
    Jetzt muss es darum gehen, unmittelbare Öffnungsperspektiven zu schaffen, um die entsprechenden Vorbereitungen für Öffnungen treffen zu können. Es ist es dringend erforderlich, einen notwendigen Vorlauf und hinreichende Planungssicherheit für die Wiedereröffnung des Kulturbereiches zu ermöglichen. Dabei ist von einer schrittweisen Öffnung der Institutionen und Unternehmen sowie einer Wiederaufnahme der Angebote aus dem Kulturbereich auszugehen. Insbesondere jene Einrichtungen, von denen entweder durch die Art ihrer Angebote oder durch die Schaffung entsprechender Voraussetzungen ein geringeres Risiko für die Gesundheit ausgeht, sollten als erste geöffnet werden und weitere bei einem stabilisierten oder abgeschwächten Infektionsgeschehen folgen. Es müssen daher, sobald die Inzidenzen dies erlauben, Öffnungen erfolgen. Ebenso muss Planungssicherheit mit Blick auf das Offenhalten von Einrichtungen geschaffen werden.
  1. Hygienekonzepte
    Die privaten und öffentlichen Kultureinrichtungen haben in den vergangenen elf Monaten ausgefeilte Hygienekonzepte entwickelt. Sie haben Investitionen in Lüftungsmaßnahmen, Online-Ticketsysteme, veränderte Bestuhlung, Leitsysteme für Besucherströme, Begrenzung der Besucherzahlen, sanitäre Anlagen und anderes mehr getätigt, um die Einrichtungen sicher zu machen. Diese Maßnahmen erstrecken sich auf die Besucherinnen und Besucher sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kultureinrichtungen tragen sowohl für ihr Personal als auch das Publikum Verantwortung. Online-Buchungen oder persönliche Registrierungen beim Einlass, bei denen die Kontaktdaten der Besucherinnen und Besucher hinterlegt werden, ermöglichen eine Unterstützung der Gesundheitsämter, sollte eine Kontaktverfolgung erforderlich sein. 

    Weitere Auflagen müssen mit Augenmaß und unter Einbeziehung der Expertise aus dem Kulturbereich erfolgen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Vorschriften zu Lüftungsanlagen und der Belegung von Theater- oder Kinosälen. Die Maskenpflicht muss der Maskenpflicht in der Gastronomie entsprechen, damit während der Veranstaltungen ein Konsum am Sitzplatz möglich ist.

  1. Wirtschaftlichkeit
    Vorgaben zur Öffnung von Kultureinrichtungen müssen im Grundsatz einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen. Zu rigide Vorschriften und enge Auflagen, zu niedrige Auslastungsgrenzen konterkarieren die Öffnungsperspektiven. Auch gilt es, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um private und öffentliche Kultureinrichtungen in der Öffnungsphase zu unterstützen, damit sie als Arbeit- und Auftraggeber auftreten und damit Impulse in den Kulturbereich hinein setzen können. Dazu zählen eine stabile öffentliche Kulturfinanzierung der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie eine adäquate Wirtschaftsförderung für Kulturunternehmen. Die bestehenden Wirtschaftsförderungsprogramme werden derzeit zu langsam umgesetzt.
  1. Herausforderung Föderalismus
    Der historisch bedingte Föderalismus hat einen wesentlichen Anteil an der Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland und wird geschätzt. Über das Wie der Öffnung im Kulturbereich sind allerdings bundesweite einheitliche Regelungen wünschenswert, damit Öffnungsstrategien in den verschiedenen künstlerischen Sparten und Kulturorten entwickelt werden können. Vor allem für privatwirtschaftliche Kulturunternehmen sind darüber hinaus bundesweit einheitliche Öffnungstermine erstrebenswert. Nur so können adäquate Angebote gemacht und beworben werden. Beispielsweise brauchen Filme bundesweit geöffnete Kinos, um mit entsprechendem Werbevorlauf starten zu können. Andere brauchen Vorlauf, um ihre Angebote zu terminieren sowie Künstlerinnen und Künstler zu buchen.
  1. Bundesweite Werbekampagne
    Generell sollte durch eine bundesweite Werbekampagne auf die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen aufmerksam gemacht werden, um zu zeigen, dass die Kultur wieder im Spiel ist.

  

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