Eine Bühne für das Grundgesetz
Auftritt für unsere Verfassung: C.H. Beck lud am Messemittwoch ins Schauspiel Frankfurt zur Grundgesetz-Performance.
Auftritt für unsere Verfassung: C.H. Beck lud am Messemittwoch ins Schauspiel Frankfurt zur Grundgesetz-Performance.
Noch ist der Schmerz über den Verlust des 2020 geschlossenen „Hessischen Hofs“ nicht bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlags C.H. Beck überwunden. Der traditionelle Messeempfang am Freitagnachmittag in dem stilvollen Hotel war immer einer der Höhepunkte am Ende der Fachbesuchertage. Doch was Verleger Jonathan Beck gestern Abend, am ersten Messetag, im voll besetzten Frankfurter Schauspiel als "Ersatzlösung" präsentierte, verdient mehr als diese Bezeichnung: Es war eine interessante Bühnenperformance mit eingelesenen Textpassagen aus dem Buch des Abends, „Das Grundgesetz – Ein literarischer Kommentar“ (C.H. Beck), und einer Diskussion über unsere Verfassung, die seit über 70 Jahren ein Grundpfeiler unserer staatlichen und rechtlichen Ordnung ist.
Auf der Bühne saßen, von links nach rechts, sechs Autor:innen, die Beiträge für das Buch geschrieben haben: der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, der Literaturkritiker und Autor Ijoma Mangold, die Schriftstellerin Julia Franck, der Schweizer Schriftsteller Jonas Lüscher, die Verfassungsrechtlerin und ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Angelika Nußberger, und der Rechtsanwalt und Schriftsteller Georg M. Oswald, der zugleich Herausgeber des Buchs ist.
Aus sehr diversen, manchmal ungewöhnlichen Blickwinkeln widmen sich die Beiträge des Bandes bestimmten Grundrechtsartikeln wie dem der Menschenwürde, der Gleichheit oder der Bildungsfreiheit. Einen besonderen Artikel hat Jonas Lüscher zum Ausgangspunkt einer Erzählung gemacht: Artikel 109 über die Schuldenbremse. Nicht alle Texte des Bandes sind literarischer Natur, es gibt auch juristische Texte, etwa aus der Feder des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio.
Als Loblied auf die Verfassung wollten die auf der Bühne Vertretenen das Buch nicht verstanden wissen. Dazu gibt es zu viele Diskrepanzen zwischen den kodifizierten Rechten und der politischen Realität, in der sie sich bewähren müssen. Feridun Zaimoglu ging scharf mit einer Staatsordnung ins Gericht, die es zuließ, dass weite Teile des Sicherheitsapparats über Jahre das mörderische Treiben des sogenannten NSU und seiner Sympathisantenszene zuließen – eine Erschütterung des Rechtsstaats, deren Nachbeben noch anhalten.
Auch Ijoma Mangold und Jonas Franck thematisierten die Ungereimtheiten; Herausgeber Georg M. Oswald sprach von „Disfunktionalitäten“. Dennoch herrschte Konsens darüber, dass das Grundgesetz ein verlässliches Fundament für unser gesellschaftliches Miteinander ist, das immer wieder mit Leben gefüllt werden muss. Dazu gehört auch der Meinungsstreit in der Gesellschaft, der aber, wie Feridun Zaimoglu unterstrich, nicht in verbale Gewalt und Hassrede ausarten darf.
Insgesamt, so der Eindruck dieses Abends, ein gelungenes Format, das man sich so oder ähnlich auch für kommende Messen vorstellen kann.