Ein Ort voller Magie
Ein Lesehotel bei Bad Goisern war die Location zum Auftakt der 100-Jahr-Feiern des Goldmann Verlags. Verlegerin Grusche Juncker und der Autor Mario Giordano waren im Gespräch, moderiert von der Autorin Shelly Kupferberg.
Ein Lesehotel bei Bad Goisern war die Location zum Auftakt der 100-Jahr-Feiern des Goldmann Verlags. Verlegerin Grusche Juncker und der Autor Mario Giordano waren im Gespräch, moderiert von der Autorin Shelly Kupferberg.
„Umgeben von Bergen und Büchern einfach glücklich sein“ lautet das Motto des kürzlich bei Bad Goisern eröffneten und nach neuen Konzepten gebauten Lesehotels: 20 Zimmer werden von 20 Verlagen bespielt, eines von Goldmann. „Uns haben die Ideen hier überzeugt. Dieser Ort strahlt eine besondere Magie aus. Ich werde noch oft hierherkommen“, sagt die Verlegerin Grusche Juncker, die auch Mitglied der Geschäftsführung der Penguin Random House Verlagsgruppe ist und neben Goldmann auch btb, Luchterhand, Mosaik, Arkana, Kailash und Wunderraum leitet.
Auf dem Weg ins Salzkammergut (etwa drei Stunden von München) freute sich Grusche schon über das Feedback der Teilnehmer am Gewinnspiel, das unter www.goldmann-verlag.de/100-Jahre noch bis Ende September läuft. Auch eine einfallsreiche Schaufensterdekoration mit Motiven aus „Terra di Sicilia“, dem ersten Teil der großen Familiengeschichte Mario Giordanos in der Thalia Buchhandlung im nahe gelegenen Bad Ischl lässt sie strahlen. Grusche Juncker und ihr Team nutzen das Jubiläum nicht nur für viele Buchhandels- und Marketingaktionen sondern auch für die Etablierung einer neuen Bildmarke neben der traditionellen Goldmann Wortmarke.
„Der Verlag ist eine Form von Heimat“, sagt bei der Abendveranstaltung Mario Giordano, der die Verbindungen zu Grusche Juncker weit zurückverfolgen kann. Die Verlegerin bestätigt und betont die Verbundenheit zu den AutorInnen. Shelly Kupferberg, die ihre verlegerische Heimat für ihr Debüt in Zürich gefunden hat (im September erscheint „Isidor“ bei Diogenes) hört der Verlegerin und ihrem Autor aufmerksam zu und spielt die Bälle kunstvoll hin und her, von Giordanos Heimatgefühlen für das zauberische Sizilien zu seinem großen Vertrauen zu Grusche Juncker und ihrem Team bis hin zur übersinnlichen Atmosphäre im Bücherhotel samt seiner vertikalen Bibliothek, die in der ersten Planungsphase die Statik des Hauses bedrohte. Jetzt stabilisiert sie das Gebäude, worin die Tradition des Verlegens, die Gegenwart und die Zukunft zentrale Themen sind.
Grusche Juncker schlägt den Bogen von den Gründerjahren Wilhelm Goldmanns zur Gegenwart des Buchmarkts und zu den Aussichten. In ihrem Büro erinnert ein großformatiges Foto des Verlegers an dessen Neugier, dessen Erfahrungen als Verlagsvertreter und dessen Herausforderungen in den schwierigen 1920er Jahren, in denen das Publizieren besonders stark mit einem Bildungsauftrag verbunden war. Das spielt bis heute in Junckers Überlegungen hinein.
Zur Frage nach dem Umgang mit neuen Projekten zitiert Giordano Ray Bradbury, einen seiner Lieblingsautoren: „Spring – und lass dir auf dem Weg nach unten Flügel wachsen“. Juncker schmunzelt: Experimentelles werde heute gefordert. „Wir müssen den Puls der Zeit erspüren. Alle im Verlag sind LeserInnen, aber wir dürfen nicht nur von uns ausgehen. Wir fragen uns immer auch: Was wird in den Buchhandlungen gesucht? Und wir reagieren heute schnell auf gesellschaftliche Diskussionen und es sind oft ‚pieksige‘ Programme, wie wir sie intern liebevoll nennen, die wir seit 2018 mit unseren Sachbüchern und seit 2020 auch mit unseren Paperbacks präsentieren.“
Über 90 Mitarbeiter:innen veröffentlichen unter Junckers Leitung rund 350 Titel im Jahr. Im Taschenbuch zählt Goldmann zu den Marktführern. „Wir denken über unsere Stärken nach. Wir haben eine große Kompetenz Bücher durchzusetzen“, so Juncker. Viele ihrer Bücher kommen auf die Bestsellerlisten. Aber mit Stärken seien immer auch Schwächen verbunden. Eliminiert werden in Junckers verschiedenen Verlagen Doubletten, aber an anderen Stellen wird auch aufgestockt. Zu Beginn der Corona-Phase haben Juncker und ihr Team beispielsweise gezielt nach Titel gesucht, die der Vereinzelung etwas entgegensetzen und den Freundschaftsgedanken betonen. Fündig wurden sie bei Clare Pooley. „Montags bei Monica“ hat die Erwartungen Grusche Junckers erfüllt.
Das Paperback-Programm ist für eine etwas jüngere Zielgruppe gedacht als das Hardcover-Programm. Als weiteres Beispiel nennt Juncker im Bereich Sachbuch Roanne van Voorsts „Einst aßen wir Tiere“ sowie Bücher über Diversität, Feminismus, Diskriminierung oder Digitalisierung. Was diskutiert werden müsse, um Lösungen zu finden für schwierige Themen, da sieht Juncker ihre Verlage in der Pflicht. Was sie sich vornimmt für die kommenden Jahre sind deshalb auch Überraschungen. „Wir wollen impulsgebend sein und müssen auch etwas wagen“, so Juncker. Goldmann habe in den ersten zehn Dekaden so Vieles überstanden. Ihr ist trotz Papierkrise nicht Bange um die Bücher. Es ist bislang in ihren Verlagen keine Titelreduktion geplant. „Natürlich wissen wir nicht, was passiert. Wenn sich die Situation weiter verschlechtert, müssen wir reagieren, aber im Moment sehe ich keine Notwendigkeit.“ Vier Buchhändler aus der Region sind auch erstmals im Lesehotel anwesend, die sich sonst in ihren Ortschaften kaum austauschen und sich nun mit Blick auf den Hallstättersee, auf den Dachsteingletscher (die verbliebene Lebenserwartung beträgt acht Jahre) und den Berghorizont in ein Gespräch mit der Hotelleiterin Silke Seemann über Deep Reading vertiefen. „Sie hat sehr viel Energie und lässt nicht locker“, sagt Juncker über Seemann. "Geht nicht" gebe es nicht. Sie lobt das Hotel als Leseformat und darin das Buch als wichtigstes Element, als das beste Wellnessprodukt.