Essbare Innenstadt Aachen

Ein Naschgarten lockt die Kundschaft an

2. April 2023
Sabine Cronau

Vier Einzelhändler haben 2022 das Projekt »Essbare Innenstadt Aachen« gestartet. Mit dabei: die Buchhandlung Schmetz am Dom. Ein Best-Practice-Beispiel für Kooperation - und gegen die Verödung der Einkaufsstraßen.

Blick in die Annahalle

Blick in die Pflanzenwelt der Annahalle

Das Projekt "Essbare Innenstadt Aachen"

  • Projektpartner: Handarbeitsladen Görg Wolle, Buchhandlung Schmetz am Dom und die beiden Spezialitätengeschäfte A Tavola und vomFass
  • Herzstück: Die Annahalle in einem Hinterhof der Annastraße, die zum Dom führt. Zehn Hochbeete wurden bepflanzt, begleitet von Workshops, Lesungen, Menüs.
  • Vorbild: die Stadt Andernach, seit 2010 »essbare Stadt«.
  • Website: www.essbare-innenstadt-aachen.de

Wer der Buchhandlung Schmetz am Dom auf Instagram folgt, kennt »Buchhändlers Gärtchen« – ein idyllischer Hinterhof in der Aachener Annastraße, der zur Wohnung des Buchhändlerpaars Barbara und Walter Vennen gehört. Sie hegt das Grün, er pflügt sich hier bei Sonnenschein gern durch die literarischen Novitäten.

Perfektes Gewächshaus: Die alte Werkstatt mit Glasdach

Perfektes Gewächshaus: Die alte Werkstatt mit Glasdach

Annahalle als Gewächshaus

Seit 2022 hilft das Sortimenterduo nun dabei, nicht nur den eigenen Hof, sondern auch das Umfeld in einen Naschgarten zu verwandeln – mit dem Projekt »Essbare Innenstadt Aachen«.

Keimzelle der Aktion ist die Annahalle in der Nachbarschaft. Die alte Werkstatt mit Glasdach gehört Martin Görg, der in der Annastraße den Handarbeitsladen Görg Wolle betreibt und die Halle bislang vor allem als Kulturbühne für Ausstellungen und Konzerte nutzte.

2022 widmete der umtriebige Händler das Gebäude kurzerhand um – in ein grünes Experimentierfeld, auf dem mitten in der Stadt appetitliches Grünzeug gedeiht: Mangold und Radieschen, Tomaten und Kräuter, bevorzugt alte Sorten. Im April ging es los.

Hochbeete für Kräuter und alte Gemüsesorten

Hochbeete für Kräuter und alte Gemüsesorten

Zehn selbst gebaute Hochbeete zogen in die Annahalle ein, Zweitklässler der Grundschule Annastraße halfen beim Bepflanzen. Die Anleitung für die Holzkästen ging online, denn der Nachbau ist ausdrücklich erwünscht.

Unter essbare-innenstadt-aachen.de informieren die Projektpartner – Görg Wolle, Schmetz am Dom, die Spezialitätenläden A Tavola und vomFass – zudem über die Ziele der Aktion, etwa »gemeinsam genießen und gute Erfahrungen ernten«.

Die Ernte haltbar machen: Workshop in der Annahalle

Die Ernte haltbar machen: Workshop in der Annahalle

Gut gefüllter Veranstaltungskalender

Für beides sorgte 2022 nicht nur das gemeinschaftliche Gießen und Pflegen der Pflanzen, sondern auch ein gut gefüllter Veranstaltungskalender: Tageskurse zum Fermentieren, Bienen-Workshop für Kinder, Pop-up-Dinner in der Annahalle mit dem Aachener Café Fuchs, Netzwerktreffen des Einzelhandels, Erntedankfest zum Finale.

Samstags war die Halle immer für spontane Besuche geöffnet – dann wurden Gemüsesorten gegrillt oder Smoothies gemixt. »Weil die Halle auf dem Weg zwischen einem großen Parkhaus und dem Dom liegt, kommen hier viele Passanten vorbei«, erzählt Walter Vennen.

Vor seiner Buchhandlung, am nahen Münsterplatz gelegen, findet jeden Samstag ein Biomarkt statt – genau die Klientel für einen Abstecher in die Annahalle. Wer wollte, durfte sich an den Hochbeeten bedienen und reifes Gemüse mitnehmen.

Bollerwagen mit Pflanzen

Bollerwagen mit Pflanzen

Bollerwagen voller Pflanzen warben in den Einkaufsstraßen für die »Essbare Innenstadt«, die sich am Vorbild Andernach orientiert: Die Kommune am Rhein wandelt ihre Grünflächen seit 2010 in Nutzgärten um, holt Hühner und Schafe in die City. Die Stadt als Lebensmittelpunkt will auf diesem Weg wieder »Lebensmittel« im Wortsinn erlebbar machen.

Gemeinschaft stiften, Nachhaltigkeit vorleben, die Innenstadt stärken – das hat sich auch die Aachener Initiative auf die Fahne geschrieben: »Zu uns kommen viele Gäste, die im hektischen Brüssel leben und die Ruhe in der Fußgängerzone, die kleinen Läden, das dorfähnliche Flair im Domviertel genießen«, berichtet Walter Vennen.

Die »Essbare Innenstadt« lade dazu ein, Neues zu entdecken: »Deshalb passt das Projekt auch so gut zum Buchhandel.«

Walter Vennen mit "Mord im Grünen"

Walter Vennen mit "Mord im Grünen"

Die »Essbare Innenstadt« lädt dazu ein, Neues zu entdecken. Deshalb passt das Projekt auch so gut zum Buchhandel.

Walter Vennen, Buchhandlung Schmetz am Dom, Aachen

Großes Gartenbuchsortiment im Laden

Zum Aktionsjahr gab es natürlich auch Lesungen: Unter dem Motto »Mörderisches Grün« trug Walter Vennen zweimal kriminelle Kurzgeschichten zwischen Hochbeeten vor.

Profil zeigte Schmetz am Dom zudem mit Buchtipps in der Annahalle und großem Gartenbuchangebot im nahen Laden – der Umsatz stieg kräftig.

Inzwischen sind die Hochbeete weitergezogen, Beet-Paten sorgen 2023 für neue Schauplätze der »Essbaren Innenstadt Aachen«. Und die befreundeten Händler, die auch in der Interessengemeinschaft Domviertel zusammenarbeiten, tüfteln unter Kreativkopf Martin Görg sicher bald an neuen Aktionen.

Primelfest in Aachen

Walter Vennen beim Primelfest in Aachen

Weitere Projekte der Aachener Einzelhändler:

  • Primelfest: Im März schmücken Frühlingsblüher zum Mitnehmen die Einkaufsstraßen in Aachen.
  • Kanalgolf: Als Bauarbeiten die Annastraße blockierten, wurde der Bagger kurzerhand mit Luftballons dekoriert und zum »Kanalgolf« mit Bällen und Rohr-Parcours eingeladen. »Wir wollten Aufenthaltsqualität bieten, trotz Baustelle«, so Walter Vennen.
Porträt Barbara Hoppe-Vennen

Barbara Hoppe-Vennen

Zugabe: Buchtipps von Barbara Hoppe-Vennen

Diese Gartenbücher empfiehlt die Aachener Buchhändlerin, die selber gärtnert, ihrer Kundschaft besonders gern:

  • Bärbel Oftring: »Wird das was oder kann das weg?«, Kosmos, 160 S., 17 € – ein Gartenbuch für Einsteiger, die das Richtige jäten wollen. Bei der Buchhandlung Schmetz am Dom sehr gefragt.
  • Katrin Iskam, Beate Balz: »Mit Witz, Charme und Methode. Das etwas andere Gartenbuch«, Kosmos, 160 S., 25 € – zwei Bloggerinnen und ein Rauhaardackel als »Chefgärtner« führen humorvoll durch das Gartenjahr.
  • Kat Menschik: »Tomaten«, Galiani Berlin, 80 S., 20 € – hinreißend illustrierte Hommage an die Sortenvielfalt der Tomate, mit Tipps für Anbau und Ernte.