Barbara Laugwitz und Tim Müller über den Spitzentitel des Winterprogramms

"Ein gewisses Risiko birgt das Unterfangen schon"

18. Oktober 2023
Redaktion Börsenblatt

dtv startet mit Olivia Fords Debüt "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" in sein Winterprogramm. Verlegerin Barbara Laugwitz und Programmleiter Tim Müller über ein charmantes, lebensbejahendes Buch, das ein möglichst breites Publikum ansprechen soll und sich gut als Herzstück der literarischen Unterhaltung eignet.

Barbara Laugwitz und Tim Müller

Wieviel Mut braucht man, um einen Debütroman zum Spitzentitel des Weihnachtsprogramms zu machen?
Barbara Laugwitz: Naja, ein gewisses Risiko birgt das Unterfangen schon. Aber nach all der Lesebegeisterung für "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" im Haus, und zwar über alle Abteilungen hinweg, von jung bis älter, wie ich es selten erlebt habe: Ja, da nahmen wir uns Mrs. Quinn selbst als Vorbild und sind das Wagnis eingegangen. Denn Mrs. Quinn entscheidet im hohen Alter, mit 77 Jahren, nicht einfach so weiterzuleben, obwohl sie ein glückliches, liebevolles, reueloses Leben mit ihrem Mann Bernhard in einer idyllischen englischen Kleinstadt führt. Sie trifft die Entscheidung aus der Frage heraus: Kann da nicht noch etwas Neues kommen, und setzt dann alles auf eine Karte und bewirbt sich bei einer von ihr geliebten TV-Backshow. Das weitere Geschehen verändert ihr Leben von Grund auf. Und sie selbst entwickelt sich mit, reift an den Ereignissen. Trotzdem sie angesichts ihres Alters doch schon einige Lebensweisheit hat sammeln können. Kurz gesagt: Was Mrs. Quinn uns im dtv mit auf den Weg gegeben hat, ist eben diese Sicherheit: dass es nie zu spät ist, ein Risiko einzugehen und neue Wege zu beschreiten, und daran haben wir uns dann auch selber gehalten.
Nebenbei bemerkt: Die Sinnlichkeit des Backens spielt eine nicht unwichtige Rolle in diesem Roman, und wann sehnen wir uns alle am meisten nach süßen Backwaren? Im Winter, ganz besonders in der Weihnachtszeit.

Tim Müller: Uns ist es wichtig, neue Autorinnen und Autoren, neue Stoffe auf den Markt zu bringen. Die Leserinnen und Leser verlangen nach neuen Unterhaltungsstoffen, wie es etwa aktuell unsere neue Autorin Rebecca Yarros ("Flammengeküsst"-Serie) zeigt. Diese Suche nach Neuem ist in unseren Augen nicht an ein bestimmtes Genre gebunden und zieht sich durch alle Generationen. In diesen Zeiten mit mehr Sorgen und Ängsten, als die meisten von uns es gewöhnt sind, wollen sich viele Menschen ablenken und unterhalten. Hier kommt unsere "Mrs. Quinn" ins Spiel.

Uns ist es wichtig, neue Autorinnen und Autoren, neue Stoffe auf den Markt zu bringen. Diese Suche nach Neuem ist in unseren Augen nicht an ein bestimmtes Genre gebunden und zieht sich durch alle Generationen.

Tim Müller

"Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" ist ein ausgesprochener Unterhaltungsroman. Wollen Sie künftig das populäre Segment der Belletristik stärker bedienen?
Laugwitz: Der dtv kann, das ist eine seiner Stärken, alle Segmente gleichermaßen abdecken, und er tut es auch. Bemüht sich darum, Programm für Programm. Von literarischen Texten bis hin zum harten Thriller. Von der Fantasy bis zum Kinderbuch. Und um die Zukunft des Verlags zu sichern, müssen wir uns immer wieder vornehmen, neue Autoren zu präsentieren und aufzubauen. In allen Bereichen.
Die Geschichte der Mrs. Quinn stellt zwar, da haben Sie Recht, keine hohen Anforderungen an die Leser, es ist eine Geschichte, in die man hineinfällt, in der man sich wohlfühlen darf, die einen berührt und rührt. Aber es ist auch eine Geschichte, die einem unaufgeregt die Frage stellt: Wie möchte ich alt werden? Was ist mir im Alter wichtig? Und wir wissen ja, wir alle werden älter und älter. Es ist also eine Frage, die uns alle angeht. Auch eine unbekümmerte Kettenraucherin wie mich.

Müller: Mit meinem Programmbereich bedienen wir das populäre Segment bereits mit vielen internationalen und deutschen Autorinnen und Autoren, wie zum Beispiel Jussi Adler-Olsen, Lucy Clarke, John Lindqvist, Julia Karnick oder Alena Schröder. Und das wollen wir weiter ausbauen – von Genreunterhaltung bis hin zur gehobenen Unterhaltung. Unsere Abteilungen von Marketing über Vertrieb und Presse bis hin zu den Vertretern sind durchaus kritisch, aber wenn sie einmal von etwas überzeugt sind, können ihr Einsatz und ihr Enthusiasmus sehr weit tragen.

Weshalb glauben Sie, eignet sich dieser Roman als Lieblingsbuch der Buchhändlerinnen und Buchhändler?
Laugwitz: Oh, ob es ein Lieblingsbuch der Buchhändler wird, das weiß ich nicht. Auch wenn die vielen begeisterten Stimmen aus dem Handel uns hoffen lassen. Aber "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" wird die Buchhändlerinnen und Buchhändler brauchen, ihre Empfehlung, soviel ist sicher. Und diesen warmherzigen, charmanten, aber auch witzigen Roman kann man jedem guten Gewissens ans Herz legen. Und obwohl es ein Klischee ist, sage ich es jetzt trotzdem: Mrs. Quinn und ihre Geschichte geht ans Herz und lässt den Leser weinen und lachen. So schreiben auch manche Vorableser. Zurecht.

Müller: Unsere Mrs. Quinn ist einfach eine Figur, in die man sich auf Anhieb verliebt, weil sie aber auch eine Figur ist, wie man sie selten findet. In einem Alter, in dem die meisten sich nach Ruhe sehnen, stellt Mrs. Quinn noch einmal alles infrage. Dazu kommen britischer Charme und der tröstende Charakter dieses Romans, der trotzdem die dunklen Seiten des Lebens nicht verschweigt.

Welche Zielgruppe haben Sie im Blick – auch die deutschen Fans von "The Great Bake Off"?
Laugwitz: Auch Backshows im deutschen Fernsehen wie "Das große Backen" oder "Allererste Sahne" erfreuen sich großer Beliebtheit. Genauso Backbücher für Torten und andere Leckereien. Aber um diesen Roman genießen zu können, muss man nicht unbedingt ein Freund des Backens sein. Ich zum Beispiel bin es nicht, esse aber für mein Leben gern Kuchen. Es ist einfach ein Roman voller Sinnlichkeit und Wärme, Lebensklugheit, Zuversicht und Optimismus, und all das, ohne dass der wache kritische Blick auf die Wirklichkeit und auf sich selbst dabei verlorengeht.

Müller: Wir haben eine große Zielgruppe vor Augen. Und für mich ist "Mrs. Quinn" wie gesagt einerseits ein Trostbuch, in das man sich fallen lassen kann, und doch regt es auch dazu an, sich mit den ernsten Dingen des Lebens auseinander zu setzen: Liebe, Freundschaft, die eigenen Fehler, Alter, Krisen und Versöhnung. Dieser vermeintlich so leicht und locker geschriebene Roman hat für mich eine zentrale Botschaft: Es ist nie zu spät, nochmal von vorne anzufangen! Egal, in welcher Lebensphase man sich gerade befindet.

Um diesen Roman genießen zu können, muss man nicht unbedingt ein Freund des Backens sein. Ich zum Beispiel bin es nicht, esse aber für mein Leben gern Kuchen.

Barbara Laugwitz

Wie fügt sich Olivia Fords Titel in das übrige Winterprogramm ein?
Laugwitz: Olivia Ford ist in diesem Programm unsere Debütantin, die wir als Autorin erfolgreich durchsetzen möchten. Deshalb macht sie das Programm auf; ihr gebührt verstärkt die Aufmerksamkeit aller Abteilungen. Und ich glaube: Noch viele schöne Geschichten und Figuren schlummern in dieser Autorin. Es ist schon erstaunlich, wie sie es als noch junge Frau geschafft hat, diese beiden betagten Protagonisten Jennifer und Bernhard Quinn in ihrer Lebenswirklichkeit darzustellen. Sie hat uns erzählt, dass die große Liebesgeschichte ihrer Großeltern, mit denen sie viel Zeit verbracht hat, es ihr ermöglicht hat, diesen Roman zu schreiben. Die Lebensnähe ist zu spüren.
Doch unsere großen Bestsellerautorinnen Rita Falk mit ihrem zwölften Eberhofer, Rebecca Yarros mit dem zweiten heißersehnten Band der Flammengeküsst-Serie und Viveca Sten mit "Tief im Schatten", ihrem zweiten Krimi in der neuen Polarkreis-Reihe, bescheren dem dtv hoffentlich ganz allgemein einen schönen Jahresendspurt.

Müller: Und wir erscheinen noch vor England und Amerika (wo der Roman erst Anfang 2024 auf den Markt kommt) – die deutsche Ausgabe von "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" ist die Weltpremiere!
Generell war es uns wichtig, mit "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" einen Erzählroman nach vorne zu stellen, der neu ist, der in unsere Zeit passt und für den wir Begeisterung im Handel und eine breite Leserschaft sehen. Und die ersten Buchhändlerstimmen, die uns bereits erreicht haben, sind enthusiastisch.

Sie fahren eine große Werbekampagne und lassen zudem den Roman von Katharina Thalbach einsprechen – das sind erhebliche Investitionen. Sind Sie überzeugt davon, mit „Mrs. Quinn“ einen Weihnachts-Bestseller zu landen?
Laugwitz: Wie immer in unserem Geschäft können wir nur hoffen. Aber wir glauben fest an unsere Mrs. Quinn, daran, dass sie alle Zutaten mitbringt, um die Lesewohnzimmer zu erwärmen und um eine wohltuende Gegenlektüre zu allen Thrillern zu sein, die Weihnachten auf den Markt kommen.

Müller: In England und den USA wird das Buch mit "Eine Frage der Chemie" von Bonnie Garmus verglichen. Das kann man machen. Aber solche Vergleiche braucht unsere "Mrs. Quinn" gar nicht. Sie steht für sich. Wir glauben an dieses Buch und an seine Autorin Olivia Ford (von der wir auch den zweiten Roman eingekauft haben). "Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" hat etwas, das ganz verschiedene Menschen gleichermaßen zu berühren scheint – beim dtv finden übrigens bereits die ersten internen Backwettbewerbe statt.

Die Fragen stellte Michael Roesler-Graichen.

"Der späte Ruhm der Mrs. Quinn" von Olivia Ford erscheint bei dtv am 25. Oktober (400 S., 24 €).