Treffen der IG Hörbuch

In echt und mit Rekordbeteiligung

20. Mai 2022
Sabine van Endert

Die Hörbuch-Community hat sich im Haus des Buches getroffen, am Tag der großen Feier für die Frankfurter Eintracht, die die Europa League gewonnen hat. Draußen Jubel, drinnen die Top-Themen Text-to-Speech Software, Diversity und NFT's. Und Party gab es auch. 

Nach deutlich über zwei Jahren trifft man sich wieder, Corona hat zumindest Pause. "Das waren blöde, komische Jahre auf der kollegialen, der zwischenmenschlichen, der kreativen Ebene", sagte Kilian Kissling vom Sprecherkreis der IG. Mit etwa 70 Hörbuchleuten kamen so viele zur Tagung wie selten. Getagt wurde im Haus des Buches, inmitten der komplett abgesperrten Partyzone - am Abend wurden die Fußballhelden am Römer erwartet. 

BotTalk und die Lernkurve synthetischer Stimmen

Speecki, DeepZen und jetzt auch BotTalk - immer mehr Unternehmen spezialisieren sich auf den Text-to-Speech-Einsatz bei der Hörbuchproduktion. BotTalk-Gründer Andrey Esaulov stellte der Runde sein Produkt vor. Ratgeber oder komplexe Sachbücher vorgelesen von Computerstimmen? So ganz überzeugen konnte der BotTalker die Hörbuchmenschen nicht, auch wenn sich viel Geld mit der Software sparen ließe. 

BotTalk, Gewinner des CONTENTshift-Accelerators 2021, hat schon reichlich Erfahrung mit der automatisierten Erstellung von Sprache für Nachrichtenseiten gesammelt, im Hörbuch läuft jetzt ein Pilotprojekt mit einem Ratgeber von GU ("Das Minimalismusprojekt"). Esaulov hatte auch Tonbeispiele dabei - den geschulten Ohren der Hörbuchverleger:innen reichte die Qualität bei weitem nicht. Wer nur Text aufnehmen will, könnte vielleicht schon zufrieden sein. Esaulovs Argumentation: "Lieber ein synthetisch gut gesprochenes Sachbuch als gar keine Sprachaufnahme des Textes."

Damit BotTalks selbstlernendes System bald nicht nur Zeitungsartikel, sondern auch Hörbücher akzeptabel vorlesen kann, braucht es jetzt erstmal viel Futter. Ob Text-to-Speech auf Dauer "eine Lösung für Arme" bleiben wird, wie DAV-Geschäftsführer Amadeus Gerlach formulierte, ist längst nicht ausgemacht.  

Top-Thema Diversity: Respekt statt Verkrampfung

Wie geht man bei Hörbuchproduktionen mit sensiblen Themen um? Wie divers sieht es mittlerweile in den Hörbuchverlagen selbst aus? Antworten auf diese Fragen suchten, hervorragend moderiert von Amira El Ahl, Kerstin Kaiser, Programmleitung Lübbe Audio, Dirk Kauffels,  Hörbuchproduzent Argon / Sauerländer Audio und Pierrot Raschdorff, Marketing Hörverlag / Penguin Random House. Die Runde beklagte den verkrampft-unerbittlichen Umgang miteinander, wenn es um Diversität geht, vor allem weil die Bereitschaft zu lernen offenbar groß ist. Kauffels: "Das verkopfte Kategorisieren und Bewerten ist keine gute Idee. Wir müssen noch Spaß aneinander haben, um Grenzen abzubauen." 

Stichwort Besetzungsentscheidungen: Wenn es um Aneignung im Sinne von widerrechtlicher Inbesitznahme geht, entscheidet bei Kerstin Kaiser eindeutig die Qualität: Wenn der Autor, die Autorin, nicht gut selbst lesen könne, werde auch gegen Widerstände ein Profi gesucht, so Kaiser. 

Bei Penguin Random House wurde eine Projektgruppe Diversity eingerichtet, die sich den Ist-Zustand zunächst genau anschaut. Das Ziel: Vielfalt und Chancengleichheit. Wie aufwändig das ist, verdeutlichte Raschdorff am vergleichsweise scharf abgegrenzten Punkt Barrierefreiheit. Und wie wenig vielfältig es in den ja oft nicht gerade riesigen Hörbuchverlagen zugeht, verdeutlichte Dirk Kauffels, der sich "riesig über die Einstellung eines heterosexuellen Mannes" bei Argon gefreut hat, weil ihm im Kinderbuch die Geschichten "manchmal zu durchfeminisiert" sind.  Im Herbstprogramm wird es bei Argon übrigens erstmals eine Triggerwarungen geben - vor einem Jugendbuch zum Thema Nationalsozialismus. 

NFT's - Chancen für digitale Originale in der Hörbuchbranche?

Noch etwas ungläubig ließen sich die Hörbuchverleger:innen von John Ruhrmann in die faszinierende Welt der Non Fungible Token, kurz NFT, mitnehmen. Der Bookwire-Chef hat eine NFT-Plattform gestartet, mit der die NFTs nach Kunst und Musik auch den Literaturmarkt erobern sollen. Eine Werbeveranstaltung war sein Vortrag aber keineswegs, eher eine erste Annäherung an ein virulentes Thema, an das sich die meisten bisher noch nicht herangetraut haben Entsprechend dankbar war das Publikum für die Aufklärungsveranstaltung! Weitere Information über Bookwires NFT-Projekt gibt es hier: Das Digitale Original - Creatokia

Fazit der Tagungsteilnehmer:innen: Gelungene Themen, reichlich Diskussionsstoff und viel Wiedersehensfreude! Und dass sich mit der Einladung zur Tagungsparty in die Lounge im Haus des Buches mal wieder die Gelegenheit für ein Tänzchen geboten hat, hat auch sichtlich viele gefreut!