Interview mit Paartherapeut Oskar Holzberg

»Die Liebe wird fluider«

25. Januar 2024
Sabine Cronau

Paartherapeut Oskar Holzberg kennt sich aus mit Beziehungsfragen – und schreibt alle zwei Wochen in der "Brigitte" darüber. Wie soziale Medien moderne Partnerschaften prägen - und welcher Beziehungsratgeber noch fehlt: Das schildert er hier.

Oskar Holzberg

Wie hat sich die Liebe in Zeiten von Tinder und WhatsApp-Nachrichten verändert?

Oskar Holzberg: Die Liebe verändert sich nicht. Und auch die Psychodynamik in Beziehungen und die kommunikativen Kreisläufe, in denen sich Paare verfangen, bleiben weitestgehend gleich. Aber durch Tinder und Co. ist die Liebe weiter unter die Logik der Konsum-, Optimierungs- und Wegwerfgesellschaft geraten. Der Griff zum Handy im Frust geht schnell. Die bessere Option für die gerade nicht super laufende Beziehung scheint stets erreichbar. So existiert eine Hintertür der Liebe, die zumindest scheinbar ständig offen steht. Das macht es leichter, Problemen auszuweichen. Es entsteht eine neue Betrugskultur. Mann oder Frau landen nicht im Bett der netten Arbeitskolleginnen, sondern erst mal im erotischen Chat mit vielen Unbekannten.

Liebe wird also unverbindlicher?

Holzberg: Weil Beziehungen bedrohter erscheinen, gibt es wohl eine Gegenbewegung. Paare sind eher bereit dazu, an ihrer Beziehung zu arbeiten, Paartherapie wird mehr nachgefragt. Insgesamt ist die Liebe fluider geworden, es gibt mehr Formen der Liebe, mehr Chancen auf Gleichgesinnte. Die ständige Erreichbarkeit über das Smartphone erzeugt in Beziehungen die Illusion von Kontakt und Verbindung, wo tatsächlich keiner besteht. Es entstehen neue Bedürfnisse (»wenigstens einen WhatsApp-Gruß täglich«), neue Abhängigkeiten. Ob wir alle dabei regredieren, weil wir ständig nach unserem Partner rufen können wie nach Mama – wir werden sehen …
 

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