Interview mit Simon Biallowons, Geschäftsführung Herder

"Der ganze Verlag ist in einem Transformationsprozess"

16. Dezember 2021
Michael Roesler-Graichen

Der Verkauf des Philosophie-Verlags Alber an Nomos ist Teil eines Transformationsprozesses, den Herder begonnen hat. Künftig will sich das Verlagshaus mehr auf erfolgreiche Programmbereiche wie Pädagogik, Religion oder Psychologie konzentrieren. Geschäftsführer Simon Biallowons über die Strategie der nächsten Jahre.

82 Jahre gehörte der Verlag Karl Alber zur Herder Verlagsgruppe. Weshalb haben sie ihn jetzt an Nomos verkauft?
Der Verlag Alber hat die wirtschaftlichen Erwartungen, die wir in ihn gesetzt haben, nicht mehr erfüllt. Er ist zudem auf spezifische Gebiete der wissenschaftlichen Philosophie fokussiert. Als Haus wollen wir uns aber noch mehr auf sehr erfolgreiche Programmbereiche wie beispielsweise Pädagogik, Religion oder Psychologie konzentrieren. Dazu haben wir auch einen Transformationsprozess des gesamten Verlags angestoßen, den Manuel Herder durch seine Einleitung eines Generationenwechsels möglich gemacht hat und unterstützt.

Hat der Verkauf auch damit zu tun, dass Alber als Fachverlag anderen Scherkräften im Markt ausgesetzt ist als der Publikumsverlag Herder?
Die Konzentration im Markt, die auch die Geisteswissenschaften erfasst, hat sicher ihren Anteil daran, auch die Frage der Druckkostenzuschüsse spielt eine Rolle. Und Open Access verändert die Situation dramatisch.

Bleibt Herder die Philosophie im Sachbuch erhalten?
Wir haben beispielsweise schon im Bereich Lebensgestaltung philosophische Titel, aktuell das Buch "Außergewöhnlich entspannt. Das geniale Anti-Stress-Programm der Stoiker" von Thomas Hohensee. Aus der Philosophie könnte aber auch ein eigener populär ausgerichteter Programmzweig werden. Das ist ein Bereich, der sich besonders gut mit der DNA von Herder verträgt, Werte und Haltungen zu vermitteln. Einige Titel dieser Art haben sich zudem als bestsellerfähig erwiesen, zum Beispiel Gerald Hüthers neues Buch "Lieblosigkeit macht krank" oder Joachim Bauers Buch "Das empathische Gen".

Religion und Theologie sind Kernthemen des Herder Verlags. Wie wollen sie diesen Programmbereich weiter entwickeln?
In diesem Segment sind wir klar Marktführer und dominieren den Verdrängungswettbewerb. Was wir im Blick behalten müssen, sind zwei Dinge: Der Anteil konfessionell gebundener Leser und Leserinnen nimmt kontinuierlich ab, und es drängen sich Themen in den Vordergrund wie die Frage "Warum soll man noch in der Kirche bleiben?" Hier wollen wir weiter an unserem Anspruch arbeiten, auf die Fragen des Publikums einzugehen.

In den vergangenen Jahren hat Herder auch das historische Sachbuch gestärkt. Setzen Sie diesen Kurs fort?
Ja, im Frühjahr bringen wir zum Beispiel ein grundlegendes Buch des Historikers Heinz Schilling, das die Geschichte der pluralen Moderne aus christlicher Sicht schildert: "Das Christentum und die Entstehung des modernen Europa". Ein Titel, der exemplarisch für das Verhältnis von Christentum und Geschichte ist und damit zugleich an unseren religiösen Schwerpunkt anknüpft.

Welche Bereiche wollen sie noch ausbauen?
Zum einen die Pädagogik, die eine sehr große Akzeptanz hat, und die viele Erzieher und Lehrerinnen mit dem Namen Herder verbinden. Über das Buchprogramm hinaus entwickeln wir digitale Plattformen wie kitalino.de oder qik.de und arbeiten dafür eng mit Digital-Start-ups zusammen. Zum anderen wollen wir im Zuge unseres Transformationsprozesses die Verknüpfung unseres breiten Zeitschriften-Portfolios mit dem Buchprogramm intensiv vorantreiben. So haben wir etwa Autorinnen wie die Diplom-Pädagogin Uli Bott aus dem pädagogischen Zeitschriftenbereich ins allgemeine Programm geholt. Mit Zeitschriften können wir unseren Lesern und Leserinnen zudem einen Support liefern, den nicht jeder Verlag leisten kann.

Wie wirkt sich die Transformation auf die Prozesse im Verlag selbst aus?
Wir sind alle sehr gut mit Hilfe digitaler Tools vernetzt und können so präziser und schneller kommunizieren. Im Juli haben wir einen strategischen Prozess initiiert, in dem wir aus allen Teams heraus eine Strategie für 2022 und eine "Vision 2025" entwickeln. Wir sind hervorragend aufgestellt, haben schlagkräftige Teams und blicken daher der Zukunft mit großer Vorfreude und Leidenschaft entgegen.