M Books

Kunst der Öffentlichkeit

30. Januar 2025
Nils Kahlefendt

Michael Kraus brennt für Architektur und verwandte Disziplinen. Mit M Books in Weimar betreibt er ein Gesamtkunstwerk aus Verlag, Buchhandlung und Galerie-Space, das breitestmöglich wirken soll.

Michael Kraus

Michael Kraus

Du hier? Wow! Als Anfang Januar die Ausstellung der von der Stiftung Buchkunst prämierten "Schönsten deutschen Bücher" bei M Books eröffnet wurde – ein Gesamtkunstwerk aus Buchhandlung, Verlag und Galerie in der Weimarer Marktstraße – waren nicht wenige dabei, die den Weg des Selfmade-Verlagsbuchhändlers Michael Kraus schon sehr früh begleitet haben: Jessica Reitz etwa, die als Chefin der Berliner Institution Do you read me!? seine erste Anlaufstelle im Buchhandel war und heute als freie Verlagsvertreterin in der Nachfolge Hans Friedens auch M Books in der Tasche hat. Oder Tobias Dahl, eine Hälfte des Leipziger Büros Happy Little Accidents, der 2012 nicht nur das erste m book, sondern auch das Logo des neuen Verlags gestaltete. Ein Abend, an dem viele Sätze mit "Weißt du noch ...?" begannen.

"Um alles zu schaffen, arbeitet man oft in die Nacht hinein und am Wochenende"

Es war nach dem Kulturhauptstadtjahr 1999, als der in Rostock geborene und aufgewachsene Michael Kraus in die Klassik-Stadt Weimar kam. Ein veritables Wunder, dass es der Mann, der in seiner Jugend auch mal leistungssportlich segelte, nun schon seit 22 Jahren in Thüringen aushält. Dass es geschlagene zehn Jahre dauerte, bis der Architekturstudent sein Diplom an der Bauhaus Universität ablegte, ist schon die halbe Geschichte, wie er zum Büchermachen kam: Als eine Studierenden-Initiative aus einer Werk-Vortragsreihe die "Horizonte – Zeitschrift für Architekturdiskurs" gründete, war Kraus – schwupp! – quasi Redaktions- und Vertriebsleiter in Personalunion. "Einer muss es ja machen." Man kann sich gut vorstellen, wie er, selbstverständlich ohne Termin, ins Berliner Do you read me!? stürmte. Die "Horizonte" gibt es noch immer, und in Berlin gehen heute gefühlt die meisten Hefte über den Tresen. Als Kraus 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einem Promotionsprojekt unterkam, gründete er parallel den eigenen Verlag: M Books war nicht nur die offizielle Abkürzung für "Media Books", sondern hatte, auch international, einen guten Klang, und selbst der "Michael" war, augenzwinkernd, abgedeckt. Die beiden ersten Bücher entstanden aus dem Weimarer Dunstkreis, errichten aber aus dem stand überregionale Aufmerksamkeit: Weimar Theaterplatz – Klassikkult und Alltagskultur und Mensa am ParkVom Gebrauchen und Verbrauchen jüngster Architektur, mit dem der junge Verlag 2013 seine erste Auszeichnung einfuhr. Die Mensa am Park, einer der letzten individuell geplanten und fast vollständig erhaltenen Bauten der späten Ost-Moderne, sollte für ein zu errichtendes Bauhaus-Museum abgerissen werden – und steht, nach breiter gesellschaftlicher Debatte, heute als Thüringens jüngstes Kulturdenkmal unter Schutz.

Nach dem dritten Buch, einem bereits auf Englisch produzierten Band über Dachaufbauten als "Artefakte urbaner Selbstregulierung" in post-jugoslawischen Städten, war das Verlagskind in der Welt. Aber wie weiter? Michael Kraus hatte das Glück des Tüchtigen: 2016 nahm er allen Mut zusammen, und vertraute sich Hans Frieden an, dem legendären Vertreter, der seine Verlage auf der Leipziger Buchmesse mit eigenem Stand präsentierte. Frieden nahm die ersten M Books probehalber in seine Tasche – und brachte den Verlag bei der GVA unter. "Hans hat, mit all seiner Erfahrung, an das Projekt geglaubt", erinnert sich der dankbare Verleger. Mit Idea Books (Amsterdam) hat der Verlag heute auch eine internationale Auslieferung. Damit wird M Books auch interessant für Herausgeberschaften, die aus dem akademischen Raum kommen und von vornherein in englischer Sprache produziert werden. Zweisprachige Katalog-Projekte wie Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR, erschienen zu einer Ausstellung im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt und derzeit in Deutschland leider vergriffen, machen nun auch Metropolen-Buchhandlungen in Südkorea, Australien, Japan oder den USA bunter. Bis heute liegen knapp 30 Bücher vor, in der Pipeline sind weit mehr Projekte. Hatte der Ein-Mann-Verlag bis 2019 mit rund fünf Titeln pro Jahr Fahrt aufgenommen, lag er zu Corona-Zeiten fast völlig auf Eis. Damals rettete Michael Kraus der Brotjob, inzwischen an der Bauhaus Universität. Seit einem Dutzend Jahren sind die Wochen des dreifachen Vaters geteilt: "Um alles zu schaffen, arbeitet man oft in die Nacht hinein und am Wochenende."

"Toller Laden! Sind sie neu hier?"

Zeitgleich mit der Geburt seines jüngsten Kindes verwirklichte Michael Kraus einen lang gehegten Traum: In der Weimarer Marktstraße eröffnete M Books ein Ladenlokal mit angeschlossenem Galerieraum. "Die Idee ist mindestens so alt wie der Verlag", sagt Kraus. "Seit meinen Studententagen habe ich so ein Angebot vermisst. Wobei Thalia damals immerhin noch sechs Regalmeter Architektur führte." Die Erstausstattung stellte Kraus vom Ersparten zusammen: "Wer", fragte er sich nicht zu Unrecht, "gibt einem in einer Stadt mit sechs Buchhandlungen und 60.000 Einwohnern einen Kredit zur Eröffnung einer Buchhandlung?" Seither wird jeder eingenommene Cent in neue Bücher investiert, viele Titel gibt es nur in einem Exemplar. Zwei Mini-Jobberinnen, Absolventinnen der Bauhaus-Universität, helfen mit. Studierende, Professoren und Gäste der Uni stellen, neben Touristen, die nicht nur auf Klassiker-Pfaden wandeln wollen, die Haupt-Kundschaft. Leider ist die Marktstraße keine 1A-Lauflage; nach dreieinhalb Jahren bekommt Kraus immer noch Sätze wie diesen zu hören: "Toller Laden! Sind sie neu hier?" Michael Kraus sieht dennoch Wachstumspotenzial; es gibt Stellschrauben, an denen gedreht werden kann – vom Online-Shop über den weiteren Ausbau des Rechnungsgeschäfts bis zum Ausschwärmen nach Erfurt oder Jena. "Wir sind zwischen Berlin, Frankfurt und München der einzige Laden dieser Art", so Kraus selbstbewusst.

Michael Kraus will mit M Books Bücher machen, deren Wissen zwar aus einer Fachperspektive gewonnen wurde – die aber breit zugänglich sind. "Wir interessieren uns für einen Architektur-Begriff als Kunst der Öffentlichkeit. Ich bin nicht an Meta-Diskursen interessiert, die nur noch Leute erreichen, die dasselbe Fach studiert haben wie ich", sagt Michael Kraus. "OK, M Books ist ein Fachverlag. Aber die Art und Weise, wie wir unsere Bücher machen, soll dazu beitragen, Architektur und Design verständlich zu erklären. Eigentlich sollte so etwas im Schulunterricht auftauchen!"

 

Kontakt:

M Books
Marktstraße 16
99423 Weimar
www.m-books.eu