Die Sonntagsfrage

Wie clever ist Dussmanns neuer Chatbot HAL, Herr Burger?

17. August 2024
von Sabine Cronau

Dussmann hat einen neuen Mitarbeiter im Online-Shop: Die künstliche Intelligenz HAL soll der Kundschaft des Berliner Kulturkaufhauses dabei helfen, das passende Produkt zu finden. Was kann der Chatbot? Und auf welche Informationen greift er zurück? Antworten von Geschäftsführer Thomas Burger.

Porträtfoto Thomas Burger

Thomas Burger, kaufmännischer Geschäftsführer bei Dussmann das KulturKaufhaus in Berlin

Mit unserem Online-Auftritt, den es erst seit 2020 gibt, waren wir unter den späten Gästen, die zur Party gekommen sind. Jetzt, beim Thema KI, wollen wir zumindest die ersten auf dem Dance Floor sein.

Thomas Burger

Einfach erklärt: Was kann HAL, was die bisherige Suchfunktion bei Dussmann nicht kann?

Unsere bisherige Suchfunktion mit dem klassischen Eingabefeld ist eine reine Schlagwortsuche, keine Kontextauswertung. Mit HAL (mehr dazu hier) können Sie dagegen in Sätzen kommunizieren, weil die KI ein integriertes Large-Language-Model nutzt. Wir führen bei Dussmann 15 Millionen Produkte – HAL kennt sie alle, weil wir den Chatbot mit vielen verschiedenen Informationen gefüttert und trainiert haben. Das heißt: Er liefert nicht nur eine Titelliste mit Treffern, sondern ordnet die Empfehlungen auch ein und erklärt sie.

Auf welche Daten greift der Chatbot bei der Buchsuche zurück – auf die hinterlegten Metadaten zu den einzelnen Titeln oder sogar auf eine Volltextsuche?

Eine Volltextsuche kann HAL nicht leisten - aber dafür setzt der Chatbot ganz viele andere Mosaiksteine aus unserer Datenbank zu einem Gesamtbild und individualisierten Empfehlungen zusammen. Dazu gehören Klappentexte und Rezensionen von Kund:innen und dem Dussmann-Team, aber beispielsweise auch die Lesemotive oder Qualifier aus dem VLB.

Mit Büchern kennt sich HAL bereits aus – jetzt sind Sie gerade dabei, die KI auch auf für Musik und Filme zu trainieren. Liegt der Charme in der medienübergreifenden Suche nach Interessensgebieten oder Geschenkideen?

Unbedingt! Suche ich beispielsweise ein Geschenk für jemanden, der gerne nach Skandinavien fährt, dann würde mir HAL nicht nur Reiseführer vorschlagen, sondern eben auch Romane, Karten, Musik, Filme, Noten oder geeignete Papeterie-Produkte. Kurzum: Unser gesamtes Sortiment spiegelt sich hier wider.

Wir haben uns ganz bewusst für einen Namen entschieden, der unseren Kundinnen und Kunden nicht vorgaukelt, dass hier ein Mensch mit ihnen chattet.

Thomas Burger
Handybild mit Chatbot HAL

Der Name HAL spielt auf Stanley Kubricks Verfilmung „2001: Odyssee im Weltraum“ von 1968 an. Warum greifen Sie auf eine Figur aus den frühen Zeiten des Science-Fiction-Kinos zurück?

Wir haben uns ganz bewusst für einen Namen entschieden, der unseren Kundinnen und Kunden nicht vorgaukelt, dass hier ein Mensch mit ihnen chattet – auch wenn sie sich mit HAL ganz normal unterhalten können. Deshalb erinnert auch das Logo von HAL an einen kleinen Roboter.

Menschen trifft man bei uns vor Ort im Kulturkaufhaus, und zwar von 9 bis 24 Uhr. HAL dagegen ist zu allen anderen Zeiten und an allen anderen Orten für die Kundschaft da. Und natürlich haben wir den Namen auch mit einem gewissen cineastischen Augenzwinkern gewählt – für die vielen Filmfans, die zu uns kommen.

Im Film 2001 hat die Künstliche Intelligenz HAL allerdings eine Fehlfunktion. Und auch Ihr Chatbot hat noch Kinderkrankheiten. Sucht man etwa ein Buch für ein Mädchen, das gerne segelt, dann empfiehlt HAL Bücher für Mädchen, aber nichts zum Segeln...

HAL ist bislang noch im Beta-Stadium und trägt gewissermaßen den Sticker „Ich lerne noch“ auf der Brust. Wichtig ist, dass HAL permanent dazulernt und die Empfehlungen nach und nach immer passgenauer werden.

Das Gute ist: Anders als im Film ist HAL keine düstere KI, sondern eine, die es gut meint mit den Menschen und mit den Büchern. Wir sind zuversichtlich, dass er sich prächtig entwickeln wird.

Die Technologie hinter HAL wurde exklusiv für uns entwickelt. Allerdings sollen von den Erfahrungen, die wir mit HAL sammeln, künftig auch andere bpm-Kunden profitieren können. Wir sind gewissermaßen Pionierkunde.

Thomas Burger

Wie viel hat Dussmann in das Projekt investiert?

Die Größenordnung möchte ich hier nicht beziffern, aber natürlich haben wir einiges investiert. Was uns dabei hilft, ist die enge Partnerschaft mit unserem Dienstleister, der Schweizer bpm consult ag, mit der wir uns die Kosten ein Stück weit geteilt haben.

Die Technologie hinter HAL wurde exklusiv für uns entwickelt und basiert auch nicht auf anderen KI-Anwendungen wie Chat GPT.  Allerdings sollen von den Erfahrungen, die wir mit HAL sammeln, künftig auch andere bpm-Kunden profitieren können. Wir sind gewissermaßen Pionierkunde.

Pionier zu sein, ist immer auch ein Risiko. Gerade beim Thema KI ist im Moment so viel im Fluss. Warum wollen Sie hier trotzdem zu den „First Movern“ gehören, wie es so schön heißt?

Man könnte es so formulieren: Mit unserem Online-Auftritt, den es erst seit 2020 gibt, waren wir unter den späten Gästen, die zur Party gekommen sind. Jetzt, beim Thema KI, wollen wir zumindest die ersten auf dem Dance Floor sein. Damit wollen wir vor allem unsere Kundschaft glücklich machen. Wir freuen uns schon auf die ersten Reaktionen in unseren Social-Media-Kanälen und bei der Bewertungsfunktion für HAL, den Online-Kund:innen mit ein bis fünf Sternen auszeichnen können.  

Ein Mensch sitzt am Laptop, auf dem Bildschirm erscheint HAL

Mittlerweile erzielen wir 15 Prozent unseres Gesamtumsatzes online – mit stark wachsender Tendenz.

Thomas Burger

Welchen Anteil hat das Online-Geschäft am Gesamtumsatz von Dussmann? Schließlich muss sich der Programmieraufwand für HAL ja auch lohnen…

Mittlerweile erzielen wir 15 Prozent unseres Gesamtumsatzes online – mit stark wachsender Tendenz.

Wann kommt die App mit HAL als Beratungsservice?

Unsere Website ist bereits fürs Handy optimiert – nach dem Motto: mobile first. Schon jetzt erfolgen 65 Prozent aller Online-Zugriffe übers Handy. Da hat eine App für uns im Moment nicht oberste Priorität. Die Investition in HAL war uns wichtiger.

Wollen Sie den Chatbot auch im Laden nutzen, etwa an Terminals oder mit kleinen Beratungsrobotern?

Ich glaube, dass die Menschen, die zu uns ins Kulturkaufhaus kommen, die persönliche Begegnung mit unseren Buchhändler:innen suchen und in Ruhe stöbern wollen - statt an Terminals zu stehen und mit Technik zu kommunizieren. Deshalb halte ich HALs Einsatzmöglichkeiten als Berater im Laden für sehr begrenzt.

Aber natürlich prüfen wir, ob HAL gewisse Funktionen übernehmen kann, etwa als Wegweiser. Wo findet jemand, der ein ganz bestimmtes Buch sucht, auf unseren 7.500 Quadratmetern den gewünschten Titel? Da kann ein Chatbot auf dem Handy durchaus hilfreich sein.