Jahrestagung IGUS / LG Buch

Von KulturPass bis Nachfolgerin finden

13. Mai 2023
Stefan Hauck

Doppel-Wumms: Mit 150 Teilnehmer:innen ist die erste Jahrestagung von IGUS und LG Buch nach der Pandemie ein voller Erfolg. Die Themenvielfalt reicht von der Registrierung zum KulturPass (und den Erfahrungen im Nachbarland damit) über digitale Schulbücher und TikTok bis zu interessanten Best-Practice-Beispielen.

Rege Gespräche im "Showroom" mit Novitäten der Verlage bei der Jahrestagung 2023 von IGUS und LG Buch

"Es ist großartig, in so viele bekannte Gesichter aus der Buchbranche hier zu sehen", meinte Katrin Röttgen, Vorsitzende des Sprecherkreises der IG Unabhängiges Sortiment IGUS – aber sie konnte auch 20 Teilnehmer:innen begrüßen, die zum ersten Mal an einer Tagung von IGUS und LG Buch dabei waren. Rund 150 waren nach Frankfurt am Main gekommen, um sich über aktuelle Themen auszutauschen.

Sich ab 17. Mai für den KulturPass registrieren

Kyra Dreher, Geschäftsführerin der Fachausschüsse des Börsenvereins, informierte über den KulturPass, der mit einen 100 Millionen Euro schweren Budget dafür sorgt, dass die 18-Jährigen mit Wohnsitz in Deutschland in diesem Jahr ein Guthaben von 200 Euro bekommen, das sie für kulturelle Zwecke ausgeben können, worunter selbstverständlich auch Bücher zählen. "Das sind 750.000 potenzielle Kund:innen", meinte Dreher und auch IGUS-Sprecherkreis-Vorsitzende Iris Hunscheid appellierte: "Macht unbedingt mit!"

Die jungen Erwachsenen müssen sich zunächst auf einer Plattform registrieren und können sich auf dieser App ihr Guthaben herunterladen – auf dieser Plattform müssen sich auch die Händler anmelden. Die Registrierung ist nur für lokale Anbieter möglich; dazu muss sich jede Buchhandlung sich selbst über ein organisationsbezogenes Elster Zertifikat (nicht ein personenbezogenes Elster-Zertifikat!) anmelden, teilweise können das auch Steuerbüros übernehmen. "Wichtig ist: Sie müssen als inländische Betriebsstätte zertifiziert sein", erklärte Kyra Dreher. "Am 17. Mai um 15 Uhr ist der Startschuss für die Registrierung."

Neben Büchern (das VLB ist eingebunden) können die Buchhandlungen auch Lesungen und kulturelle Veranstaltungen anbieten. Schulbücher, E-Books und Kalender sind als Angebote ausgenommen, Streamingdienste, Online-Plattformen und große Verkaufsplattformen sind als Händler ausgenommen. Letztlich sei der KulturPass auch eine nachgeschaltete Pandemie-Maßnahme, mit dem der Einzelhandel vor Ort gestärkt werden soll, so Dreher. Die KulturPass-App zeigt dem 18-Jährigen die nächste Buchhandlung in seiner Umgebung an, und er muss zum Abholen des Buchs in die Buchhandlung kommen, ein Versand ist ausgeschlossen.

Kyra Dreher erläutert das Verkaufsprocedere bei der KulturPass-App

53 Prozent werden für Bücher ausgegeben

Welche Chancen hier liegen, machte Libri-Geschäftsführerin Alyna Wnukowsky deutlich, indem sie auf das Nachbarland verwies, in dem es den KulturPass schon gibt:

"53 Prozent des durchschnittlichen Guthabens gehen in Frankreich an Buchhandlungen, 9 Bücher wurden im Durchschnitt gekauft - und neun von zehn 18-Jährigen kaufen ein Buch!" Manga und Romane stehen dort in der Gunst der 18-Jährigen an erster Stelle und 49 Prozent der Mangakäuferinnen haben ein weiteres Buch gekauft. Wnukowsky hob hervor, worauf es ankommt: Die 18-Jährigen als willkommene Kunden zu empfangen. "Denn 30 Prozent von ihnen waren in Frankreich zum ersten Mal in der jeweiligen Buchhandlung, sie kannten den Laden zuvor gar nicht – das ist also eine Riesenchance!" Nicht zuletzt, weil Young- und New-Adult-Fans ja jetzt schon in die Läden kommen. "Um die Buchbranche ist mir nicht bang, solange so viele junge Menschen geduldig in einer Schlange stehen, um sich ein Buch von ihrem Lieblingsautor signieren zu lassen, wie gerade auf der Leipziger Buchmesse", meinte Iris Hunscheid.

Libri-Geschäftsführerin Wnukowsky schob die Information nach, dass 49 Prozent der Bücher in einer unabhängigen Buchhandlung abgeholt wurden. Möglicherweise wird das Programm in Deutschland für die 15- bis 17-Jährigen erweitert; ob es einmalig ist oder weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entschieden.

Digitale Schulbücher

Maren Ongsiek, Leiterin des Ressorts Buchhandlungen im Börsenverein, informierte über den Vormarsch des digitalen Schulbuchs, insbesondere im Saarland; Rheinland-Pfalz überlegt auch: "Das hat Auswirkungen auf das Schulbuchgeschäft". Der Börsenverein überlegt mit dem Verband Bildungsmedien, wie der Buchhandel weiter partizipieren kann. Ongsiek wies darauf hin, dass Anke Simon das lesenswerte Papier "Digital und Print Hand in Hand" erstellt hat, worin auf die Vorteile des Miteinander von gedruckten und digitalen Leseangeboten eingegangen wird. Nachweislich sei die Lesekompetenz der Kinder schlechter geworden, viele Studien sehen Zusammenhänge mit dem Rückgang des Einsatzes von gedruckten Büchern. "Der rein digitale Weg ist nicht der Weisheit letzter Schluss", so Ongsiek.

Blick in die vordere Hälfte des Auditoriums bei der Jahrestagung 2023 von IGUS und LG Buch

Klimaneutrale Buchhandlung

Nach wichtigen Informationen von Patrick Schütz vom HDE zur Klimaschutzoffensive erzählte Svenja Esch von der Lesumer Lesezeit von ihren Erfahrungen bei der Umstellung der Buchhaltung auf mehr Klimaneutralität. Die Buchhändlerin hatte bereits bei der Beleuchtung auf LDE umgestellt, nun hat sie Heizkörper freigeschaufelt (die haben nur die Tüten geheizt), auf Ökostrom umgestellt, nachts die Schaufenster mit einer Thermorollos abgedeckt usw. (siehe auch "Ein ungenutzter Hebel ist unser Einkaufsverhalten" (boersenblatt.net))

Lesemotive lohnen sich

Ganz wichtiges Thema war der Einsatz der Lesemotive bei einer Pilotgruppe von zehn LG Buch-Sortimenten. Über deren erste Erfahrungen tauschten sich die Buchhändlerinnen in Frankfurt aus. Das erste Fazit: Es lohnt sich richtig. In den kommenden Tagen werden wir im Börsenblatt wie auf boersenblatt.net über die gewonnenen Erkenntnisse ausführlich berichten.

Best-Practice-Beispiel: Wie eine Nachfolge gelingen kann

Ein Thema, das derzeit viele bewegt: Wie kann ich die Nachfolge meiner Buchhandlung erfolgversprechend vorbereiten? LG Buch-Geschäftsführer Peter Stephanus zählte zunächst die Möglichkeiten auf, wo man nach einer Nachfolgerin suchen kann: im Kundenkreis, im Kollegenkreis, über die Verbundgruppe, im Team der Buchhandlung – "ein eingespieltes Team und ein fester Kundenkreis machen eine Übernahme attraktiver. Und: Mindestens 60.000 Euro muss als Ergebnis stehenbleiben im Jahr, um eine Vollzeitexistenz gewährleisten zu können."

Antonia Stock hat im November die Buchhandlung Libra in Oberursel von Helga Heinicke-Krabbe gekauft. Stock, die zuvor bei der Frankfurter Buchmesse gearbeitet hatte, war Kundin in der Buchhandlung, man kannte sich. Als sie in der Pandemie in Kurzarbeit gehen musste, meinte Heinicke-Krabbe zu ihr: "Wenn gar nichts mehr geht, kommste zu mir". "Und da", berichtete Stock, "hat es plötzlich bei mir im Kopf gearbeitet – dazu kommt die Verbundenheit mit dem Ort, ich bin dort aufgewachsen, bin dort verwurzelt, der Wunsch, ein Teil des örtlichen Lebens sein zu wollen." Auch bei Heinicke-Krabbe begann es zu arbeiten: "Da dachte ich: Das würde doch gut passen, vom Alter her, sie kommt aus dem Ort, ist gut vernetzt, das sind gute Voraussetzungen für Buchhandlungsinhaberin."

Heinicke-Krabbe, Jahrgang 1955, hatte 2001 die Buchhandlung aus einer Insolvenz des Vorgängers übernommen. Als sie vor vier Jahren erkrankte, überlegte sie: Was jetzt? "Dann kam die Pandemie, der Laden hatte einen anderen Charakter, ich funktionierte, es lief, ich arbeitete noch mehr,  was ich ja gar nicht wollte." So kam Antonia Stock zuerst als Praktikantin, dann als Minijobberin, dann trat sie eine volle Stelle an – "dass ich schon vorher dabei war, hat den Weg geebnet", meinte Stock, die sich Unterstützung durch Freunde und die Beraterinnen Stephanie Lange und Gudula Buzmann geholt hatte.

Entscheidend für Peter Stephanus: Wie wurde die Übernahme im Team kommuniziert? "Aus dem Team wollte niemand mehr Arbeitsstunden machen, sie wussten aber, dass ich jemand brauchte, der mehr Aufgaben übernimmt", sagte Heinicke-Krabbe. Das Team und Stock kamen gut miteinander klar. "Irgendwann habe ich sie als meine rechte Hand bezeichnet und dem Team gesagt, sie wird mehr und mehr Aufgaben übernehmen. Und ich wollte unter keinen Umständen ein drittes Weihnachtsgeschäft unter Pandemiebedingungen machen, deswegen war der 16. November als Übergabedatum vorgesehen." Antonia Stock ist mit ihrer Entscheidung auf jeden Fall zufrieden: "Seit Februar haben wir als Team einiges angestoßen, wir waren beim Pilotprojekt Lesemotive dabei, es ist Bewegung drin …"

Weitere Themen der gemeinsamen Jahrestagung der IG Unabhängige Sortimente und der LG Buch waren lebenswerte Innenstädte und ein Werkstattbericht der New Adult-Autorin Maren Vivien Haase. Morgen geht es weiter mit einem Gespräch mit Schriftstellerin Caroline Wahl ("22 Bahnen"), White-Label-Shops im Vergleich, praktischen Tipps zur Inventur sowie mit TikTok und BookTok neue Zielgruppen ansprechen und Zusatzumsätze generieren.