Verbale Gewalt als Ventil
Martina Bergmann hat in ihrem Leben als selbstständige Buchhändlerin mehr gute als schlechte Männer getroffen. Dass verbale Gewalt gegen Frauen anscheinend wieder salonfähig ist, macht ihr allerdings Sorgen.
Martina Bergmann hat in ihrem Leben als selbstständige Buchhändlerin mehr gute als schlechte Männer getroffen. Dass verbale Gewalt gegen Frauen anscheinend wieder salonfähig ist, macht ihr allerdings Sorgen.
Lange Zeit arbeitete ich gut mit einem Kollegen zusammen, der mich brauchte wie ich ihn. Sein Lohn hat erst mein Abitur und dann das Studium erleichtert. Und für ihn war ich die, die man sieht. Das ist zum Verkaufen auch wichtig. Dieser Kollege sagte eines Tages, da war ich um die 30: "Du hast doch schöne Beine. Zieh einen kurzen Rock an, wenn du zum Steuerberater gehst." Ich weiß nicht mehr, worum es ging. Aber ich stand da wie nackt.
Ich besprach mich mit Papa, der sagte: "Ganz einfach, ein kleiner Mann an der Wand wird riesengroß." Das war mir zu wenig. Ich nahm also den Termin wahr, zog irgendwas an und war innerlich rot leuchtend vor Wut. Saß ihm gegenüber, wartete nicht auf die Begrüßung. Ich sagte: "Der meint, Sie würden sich für meine Beine mehr interessieren als für das, was ich kann." "Mädchen", entgegnete er, "Zeit, dass du dich selbstständig machst."
Das ist lange her, aber die Szenen haben sich mir eingebrannt. Alles ist enthalten, was das Geschäftsleben in Ostwestfalen kennzeichnet: die Überfülle der Männer, bis heute. Ihr Befremden über eigenständige Frauen. Und aber auch die Redlichkeit dort, wo man sie nicht erwartet. In den vielen, teils wilden Jahren der Selbstständigkeit habe ich mehr gute als schlechte Männer getroffen. Gerade unter den Juristen und Steuerberatern. Und ich glaube, der Status von Frauen in der Geschäftswelt verbesserte sich insgesamt. Selbst im diesbezüglich verschlafenen Kreis Gütersloh fanden sich langsam, aber stetig mehr Firmenkundenbetreuerinnen in den Sparkassen und andere Frauen, die auch unternehmerisch tätig sind aus eigener Kraft; die Migration aus Osteuropa tut ein Übriges. Wir sind nicht mehr nur eine Landschaft mit zuverdienenden Hausfrauen. Deswegen dachte ich, das Thema ist durch.
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