Spiele

Strategie gegen Populismus

8. August 2024
Petra Gass

Spiele machen nicht nur Spaß, aus vielen kann man auch etwas lernen. Bei "Weimar" etwa setzen sich die Spieler:innen mit der Wirkungslogik von Populismus auseinander. Im Interview mit Erfinder Matthias Cramer zeigt sich, wie aktuell das Spiel ist.

Wie ist das historische Setting in „Weimar“?
"Wir haben in der Weimarer Republik demokratische Parteien und solche, die die Demokratie bekämpfen, das sind die Kommunisten und die Deutschnationale Volkspartei. Die Gräben verlaufen nicht nur zwischen rechts und links, sondern auch zwischen demokratischen und antidemokratischen Strömungen. Die SPD kooperiert punktuell mit den Kommunisten, aber bekämpft sie auch. Auf der rechten Seite geschieht das ebenso. Spieler:innen übernehmen jeweils eine Partei - die SPD, die christliche Zentrumspartei, die KPD oder die völkisch-monarchistische Deutschnationale Volkspartei – und versuchen, die wachsende nationalsozialistische Bedrohung zu bekämpfen."

Worum geht es in dem Spiel?
"Der Bruch zwischen den historischen Parteien – und den Spielern des Spiels – ist, dass die einen die Demokratie bekämpfen, die anderen sie zu schützen und aufrechtzuerhalten versuchen. Im Spiel kommen durch 170 historische Ereigniskarten Themen aus der Sozialpolitik oder einmalige Situationen wie eine Fürstenenteignung die Einführung der Rentenmark auf. Die Spieler:innen positionieren sich dazu und können das Thema im Sinne der Republik vorantreiben – aber auch versuchen, es populistisch auszuschlachten. Das Spiel nimmt in jeder Runde einen anderen Verlauf, es wiederholt sich nicht. Zwar scheint „Weimar“ ein sehr deutsches Thema zu sein, aber es findet auch in anderen Kulturkreisen Interesse: neben einer japanischen gibt es nun auch eine chinesische und eine koreanische Ausgabe."

Über den Spieleautor

Spieleautor Matthias Cramer mit einem seiner Spiele: "Watergate" (Pegasus) beschäftigt sich mit dem gleichnamigen Skandal von 1973

Matthias Cramer ist Spieleautor. Viele seiner Spiele sind in einem historischen Setting angesiedelt: Lancaster (Queen Games) um Henry den V. thematisiert das späte Mittelalter, Rokoko (eggertspiele/Pegasus das 18. Jahrhundert. Das 2023 erschienene Spiel „Weimar“ war nach wenigen Monaten ausverkauft, im August erscheint die zweite Auflage.

Wie ist die Rolle der NSDAP konzipiert?
"Die NSDAP ist nicht spielbar. Diese Rolle wird vom Spiel gesteuert und macht den Spieler:innen unmoralische Angebote. Wenn Spieler darauf eingehen, machen sie sich zum Steigbügelhalter der NSDAP. Wenn das zu oft vorkommt und die NSDAP die Macht übernimmt, verlieren alle Spieler."

Wieviel historisches Vorwissen benötigt man für das Spiel?
"Um zu spielen, benötigt man kein Vorwissen, aber mit mehr Wissen hat man einfach mehr Freude daran. Da gibt es zum Beispiel eine Karte mit dem Staatspräsidenten Friedrich Ebert in Badehose, das war damals ein Skandalfoto. In der neuen Auflage des Spiels gibt es ein Booklet zu solchen historischen Hintergründen."

Viele Buchhandlungen verstehen sich mit ihrem differenzierten Informationsangebot als „Ort der Meinungsfreiheit“. Wie kann ein Spiel zur demokratischen Bildung beitragen?
"Ich habe mit „Weimar“ zu einer Zeit angefangen, als die AfD aufkam, und habe versucht, mich mit der Wirkungslogik von Populismus auseinanderzusetzen. Das Spiel ist kein Geschichtsunterricht, sondern es ist eine Einladung, sich damit zu beschäftigen, sich darüber austauschen. Und wenn man das Spiel erneut spielt, spielt man eben eine andere Partei und durchlebt die Geschichte aus einer anderen Perspektive. „Weimar“ ist auch schon in Schulen eingesetzt worden – im Leistungskurs Geschichte zum Beispiel."

Das Spiel ist mit 129 Euro (UVP) kein Mitnahmeartikel …
"Es stecken sieben Jahre Entwicklungszeit in dem Spiel. Und da die Spieldauer für eine Runde zwischen 3 und 6 Stunden liegt und das Spiel immer wieder spielbar ist, hat der Spieleverlag Skellig für Haptik und Haltbarkeit in eine hochwertige Ausstattung investiert, zum Beispiel einen Spielplan aus Doppelpappe und Holzfiguren."

Während „Weimar“ in die Geschäfte geliefert wurde, tüftelte Cramer an einem neuen Spiel, wieder zu einem zeitgeschichtlichen Thema: dem israelisch-ägyptischen Konflikt bis zum Friedensschluss von Camp David.
Das Spiel war vor dem 7. Oktober 2023 so gut wie fertig ...

Matthias Cramer: „Weimar: Der Kampf um die Demokratie. Eine Reise durch die Geschichte der Weimarer Republik“.
Gesellschaftsspiel. Skellig Verlag, ab 14 Jahre, 129 Euro. Bestellungen direkt beim Skellig-Spieleverlag auf der Homepage, ab August auch bei Brettspielhändlern.