Interview mit Peter Stephanus von der LG Buch

Schlechtere Margen und höhere Kosten

1. Februar 2021
von Christina Schulte

Der zweite Lockdown dauert jetzt schon mehr als sechs Wochen - Ende ungewiss. Für die Händler wird die Lage zunehmend schwierig.

Der erste Lockdown war für viele Buchhandlungen bereits sehr hart und existenzbedrohend. Wie groß ist die Zerreißprobe im zweiten Lockdown?
Der zweite Lockdown stellt die Buchhandlungen schon vor enorme Herausforderungen. Denn ihnen fehlen natürlich die Erträge aus dem Vorjahr, die ihnen dabei helfen würden, den zweiten Lockdown ebenso gut zu überstehen wie den ersten.

Haben Sie schon Anzeichen dafür, dass einige Buchhandlungen nicht mehr lange werden durchhalten können?
Aus unserer Verbundgruppe sind mir drei Schließungen bekannt, davon eine aus dem Vorjahr und zwei aus diesem Jahr. Es ist zu befürchten, dass es nicht dabei bleiben wird.

Welche Auswirkungen wird das Pandemie-Jahr 2020 auf die Betriebsergebnisse und die ohnehin dünne Kapitaldecke der Buchhandlungen haben?
Die Umsätze des vergangenen Jahres wurden mit schlechteren Margen und höheren Kosten erwirtschaftet. Dass die Kapitaldecke darunter leidet, liegt auf der Hand. Das kann auch Folgen auf das Rating der Unternehmen haben, was Bankgespräche in Zukunft nicht einfacher werden lässt.

Die Minister Olaf Scholz und Peter Altmaier haben im Frühjahr des vergangenen Jahres versichert, sie werden von der Pandemie betroffene Unternehmen großzügig unterstützen. Welche Erfahrungen haben Ihre Mitglieder mit den staatlichen Hilfen im ersten Lockdown gemacht?
Die Erfahrungen unserer Mitglieder sind ganz unterschiedlich und abhängig vom jeweiligen Bundesland. Es gab und gibt kein einheitliches Antragsverfahren und das Tempo der Bearbeitung war auch völlig unterschiedlich. Einige unserer Mitglieder haben schnell und mit relativ wenig Aufwand Hilfen erhalten, andere haben lange auf die Auszahlung warten müssen oder mussten deutlich mehr Unterlagen für die Begründung ihrer Anträge beschaffen.

 

Verlage müssen durch eine mutigere Preisgestaltung ihrer Verantwortung dafür gerecht werden, dass alle in unserer Branche vernünftige Renditen erwirtschaften können

Peter Stephanus

Welche Buchhandlungen haben Sie mit ihrer Kreativität in der Krise besonders beeindruckt?
Die Liste derer, die ich nennen wollte, wäre zu lang und würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Allen ist aber gemeinsam, dass sie es geschafft haben, in der Pandemie trotz Lockdown und allen Unsicherheiten mit ungeheuren individuellen Kraftanstrengungen und tollen Ideen ihre Kunden zu aktivieren und zu begeistern.

Haben die Verlage die Buchhändler*innen wieder unterstützt?
Ja, es gibt wieder Unterstützung durch die Verlage. Die Erfahrung aus dem ersten Lockdown hat gezeigt, dass das regelmäßige Bespielen der digitalen Kanäle wichtig ist. Dementsprechend gehen viele Unterstützungsangebote der Verlage in diese Richtung. Da zur Zeit viele Vertreterbesuche nicht oder nur eingeschränkt stattfinden, fehlt den Verlagen die Kommunikation mit den Buchhändlern. Um dem entgegenzuwirken, bieten die Verlage zunehmend Präsentationen ihrer Programme per Video-Call an.

Wie sehen Sie das künftige Verhältnis zwischen E-Commerce und stationärem Geschäft?
Mit der Wiedereröffnung der Läden wird der Anteil des E-Commerce im Sinne von "Kunde bestellt online und erhält die Ware im Versand" wieder zurückgehen. Click & Collect aber, also die Abholung online bestellter Waren im Ladengeschäft, wird weiterhin eine sehr viel stärkerere Bedeutung haben als in Zeiten vor der Pandemie.

Die Läden sind geschlossen, wann sie wieder öffnen werden, ist noch offen. Welches Einkaufsverhalten nehmen Sie bei Ihren Mitgliedern zurzeit wahr?
Die Ungewissheit, wann die Läden wieder öffnen können, schlägt sich deutlich im Einkaufsverhalten wieder. Viele Buchhändler sind sehr zurückhaltend in ihrem Einkaufsverhalten. 

Sie haben Ihren Wunsch nach Preiserhöhungen bei Büchern, die für die Buchhändler*innen hilfreich wären, bereits mehrfach ausgesprochen. Reagieren die Verlage und machen die Bücher teurer?
Ich möchte das weniger als Wunsch verstanden wissen denn als Aufforderung an die Verlage, durch eine mutigere Preisgestaltung ihrer Verantwortung dafür gerecht zu werden, dass alle in unserer Branche vernünftige Renditen erwirtschaften können. Leider zeigt der Blick in die aktuellen Verlagsvorschauen, dass die Verlage das Potential höherer Preise längst noch nicht überall voll ausschöpfen.

Welche Bedeutung kommt gerade in schwierigen Zeiten dem Netzwerken zu, das eine Genossenschaft wie Ihre unter den Mitgliedern besonders fördert?
Der Austausch untereinander ist wichtiger denn je. Wie können die Erfahrungen und Erfolge einzelner Mitglieder möglichst vielen zu Gute kommen? Wir fördern dieses Netzwerken und bieten unseren Mitgliedern ab der zweiten Februarhälfte wieder virtuelle Treffen als Plattform für solche Gespräche an. Aber auch der direkte Austausch zwischen Verlagen und Buchhandlungen ist wichtiger als sonst. Wenn Vertretertermine ausfallen oder nur stark reduziert stattfinden, fehlen Verlagen und Sortimentern wichtige Informationen, was die Handelspartner so umtreibt. Letztes Jahr ist unser Jahrestag als DIE Begegnung unserer Mitglieder und unserer Partnerverlage der Pandemie zum Opfer gefallen. In diesem Jahr wird der Jahrestag auf jeden Fall stattfinden, vermutlich als digitales Format im Mai.