Die Kosten steigen in allen drei Sparten unserer Branche: Mieten, Gehälter, Transport, Logistik, Digitalisierung sind dazu nur einige gewichtige Stichworte. Die Buchpreise steigen viel zu langsam und die Konzentrationsbewegung im Sortiment nimmt von Jahr zu Jahr zu – mit sich beschleunigender Tendenz.
In dieser sich immer stärker zuspitzenden Situation stellen die drei Diskutanten Clemens Birk (Umbreit), Thilo Schmid (Oetinger) und Peter Stephanus (LG Buch), moderiert von Roland Große Holtforth (Literaturtest), grundsätzlichen Fragen:
- Verstehen sich alle Unternehmen noch als Mitglieder einer Branche?
- Ist die derzeitige Praxis der Rabattgewährung noch so ausbalanciert, dass die wirtschaftliche Auskömmlichkeit im stationären Handel und in den Barsortimenten gesichert ist und damit die vom Buchpreisbindungsgesetz intendierte flächendeckende Buchversorgung garantiert bleibt?
Den Glauben ans gemeinsame Biotop mit gemeinsam quakenden Fröschen und anderem Getier mag ich nur halb teilen, denn schon seit langer Zeit wurde an alle, auch an einige Raubtiere unserer Branche appelliert, auf das Biotop zu achten.
An Amazon in der Rolle des Bösen und schlimmstmöglichen Kapitalsten hat man sich (durchaus zu Recht) fast schon gewöhnt, an das Gebaren des großen Filialisten Thalia wohl noch nicht so ganz. Denn der Marktführer des Sortimentsbuchhandels hat sich offensichtlich lange genug als Retter des deutschen Buchhandels und große wirtschaftliche Größe geriert, um als „too-big-to-fail“ wahrgenommen zu werden. Spätestens seit Peter Haag von Kein & Aber im Schweizer Fernsehen endlich mal öffentlich und mit allen eigenen Konsequenzen aus dem Nähkästchen geplaudert hat, was da an Rabatten gefordert wird, wissen wir aber nun definitiv alle, dass Eigendarstellung und Wirklichkeit aus Hagen ein wenig auseinanderklaffen. Der eine Feind ist kalkulierbar, der andere Teilnehmer gibt vor, etwas anderes zu sein, ist aber ein Wolf im Schafspelz.
Wenn wir hier als Sortimentsbuchhandlung auf 75qm Verkaufsfläche mit Verlagsrabatten von 40%plus wirtschaftlich noch „relativ“ gesund arbeiten können müssen oder sollen, uns dies sogar noch „relativ“ gelingt, Thalia etc. es mit 50%plus, 55%plus oder mehr aber eben nicht auf die Reihe bekommen, wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können, dann stimmt dort einfach etwas nicht!!!
Matthias Ulmers Kommentar unter https://www.boersenblatt.net/news/buchhandel-news/der-irrtum-der-grossen-159289 sei hier nochmals erwähnt, denn primär um- und überdenken müssen aktuell die Verlage, auf wen sie sich als Cash-Cow eingeschossen haben…
Amazon braucht kein Geld und kann die Angriffe seitens VERDI auch aufgrund der eigenen Infrastruktur gepflegt aussitzen. Wenn Thalia aus der Tarifbindung ausscheidet, dann ist dies eine Entscheidung aus purer Not heraus. Wer unternehmerisch komplett mit dem Rücken zur Wand steht, der spart angesichts eh schon dürrer Besetzung woran? Ahhh – Personal! Jeder von außen kommende Investor würde aufgrund des Zustands dieses Ladens vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – aber es gibt ja noch Risikoinvestoren, die dies alles als Chance sehen und bei denen wir uns dann allerdings alle sehr warm anziehen müssen.
Jens Bartsch - Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Die Diskussion zeigt die Probleme und Lösungsansätze aus unterschiedlichen Perspektiven ja recht gut auf. Dies über eine Reform des BuchPrG anzustreben, erscheint alternativlos und möglich. Auch klingen die Gefahren in den Redebeiträgen an, wenn hier nicht alsbald zielführend die Initiative ergriffen wird.
Was aber aus Sortimentersicht in diesem Zusammenhang ebenso überfällig erscheint, ist endlich eine Präzisierung oder wenigstens praxisrelevante Durchsetzung von § 6.1 des BuchPrG: Ohne eine Ausgestaltung einer RabattUNTERgrenze, die von den Verlagen nicht unterschritten werden darf, kann es offensichtlich nicht gehen.
Fachbuch- und vor allem Schulbuchverlage, die 15 oder 20 % Rabatt gewähren, lassen eine Verteilung der eigenen „Ware“ in der Fläche durch die Buchhandlungen letztendlich betriebswirtschaftlich sinnvoll nicht zu, für den Buchhandel ist eine solche Marge nicht auskömmlich, in vielen Fällen nicht einmal kostendeckend.
Nicht zu vergessen, die Nachlassgewährungspflicht bei Bestellungen Öffentlicher Auftraggeber im Schulbuchauftragsgeschäft: Man erhält in vielen Fällen nur 15 bis 20 % Verlagsrabatt, trägt erhebliche Liefer- und Handlungskosten und muss dann 15 % Schulbuchnachlass gewähren. Wie kann man darin KEINEN Verstoß gegen den genannten Paragrafen des BuchPrG erkennen, der angemessene Verkaufskonditionen gegenüber (kleinen) Händlern vorschreibt (!) und auch ablehnt, dass Rabatte sich allein am erzielten Umsatz ausrichten? Warum wird das nicht wie im Gesetz schon vorgegeben umgesetzt?
Entweder müsste etwa die Rabattuntergrenze im genannten Bereich bei 30 % festgestellt werden oder die Nachlassverpflichtung gegenüber Öffentlichen Auftraggebern entfiele. Oder beides.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn ohne Deckelung der Konditionen wird die Buchpreisbindung zu einer Garantie für immer höhere Margen für Großabnehmer (wie Filialisten und amazon). Und das führt ganz sicher nicht zum Ziel der Preisbindung, nämlich einer vielfältigen Buchhandelslandschaft. Deshalb muss es weiter um die Reform des §6.3 gehen, um ihm mehr Durchsetzungskraft zu geben. Der realen Entwicklung kann der Verband nicht untätig zusehen, weil sie das Gesamtsystem in Frage stellt.
Gerade weil sie aus einem Verlag kommt, freue ich mich sehr über die Initiative von Thilo Schmid! Es liegt an uns selbst, diese Diskussion jetzt weiter zu treiben.
@ Holstein: Das mit den Schulbüchern stimmt natürlich. Und dennoch ist eine Änerung an dieser Stelle nicht einfach: Zum Einen hat der Gesetzgeber schon deutlich gemacht, dass im Gesetz keine Pozentsätze stehen dürften, da dies eine zu klare Einschränkung des sog. freien Wettbewerbs wäre. Zum Andern: Natürlich ist es nicht konsequent, im Gesetz angemessene Handelsspannen zu fordern und sich andererseits auf Schulbuchbestellungen Rabatte auszubedingen. Die Alternative für den Gesetzgeber könnte allerdings darin bestehen, Schulbücher generell aus der Preisbindung herauszunehmen, wie es in Österreich der Fall ist. Ich vermute, diese Verlockung wäre gar zu groß, zumal bei den digitalen Lernplattformen der Zukunft der Handel ohnehin nicht mehr viel zu tun haben wird . . .
vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt!? Ich habe meine Aussage nur auf die Sitzung des SoA am 11.11.2020 bezogen. In dieser wurde meines Wissens kein Beschluss zur Reform des BuchPrG gefasst. Ich gehe nicht davon aus, dass die Mitglieder des SoA mehrheitlich gegen eine Novellierung sind.
Aber wenn Verlage Buchhandlungen praktisch keine Möglichkeit geben, Gewinne zu erwirtschaften, spricht allein das für eine unangemessene Konditionengestaltung und läuft der Intention von § 6.1 BuchPrG zuwider.
Auch wenn eine konkret bezifferte Rabattuntergrenze wettbewerbsrechtlich tatsächlich kaum umsetzbar wäre, so haben etwa die Preisbindungstreuhänder schon 2009 und zuvor in ihrem damaligen Jahresarbeitsbericht darauf hingewiesen, dass § 6 Absatz 1 des BuchPrG einer konkretisierenden Interpretation bedarf.
Gemäß dem erwähnten Bericht wurde schon damals der Vorstand des Börsenvereins beauftragt, eine solche Interpretation zu erarbeiten, die „die Generalklausel und unbestimmten Rechtsbegriffe der Gesetzesbestimmung mit Inhalt erfüllt und den Verbandsmitgliedern eine Hilfe bei der Auslegung dieser Vorschrift gibt.“
Zwar gab es anschließend, daran sei erinnert, verschiedene rechtliche Auseinandersetzungen mit einem Schulbuchverlag, in denen es um zu niedrige Konditionen und deren Festsetzungskriterien ging, dass allerdings daraus eine wirklich praxisrelevante Klärung und Konkretisierung jener „Angemessenheitsklausel“ resultiert wäre, ist mir nicht bekannt.
Das steht noch aus und das ist auch ein Problem.
Meines Erachtens braucht es eine einfache Umsetzung des Rabatthandlings welche möglichst keinen Spielraum zur Umgehung erlaubt (ähnlich der Ladenpreisbindung).
Wie wäre es, wenn die Verlage nicht nur wie bisher einen festen Ladenpreis für Ihre Titel festlegen, sondern für jeden Titel / Warengruppe einen einzigen Rabatt für alle (!) Buchhändler definieren und zudem auf alle indirekten Rabatterhöhungen (Werbekostenzuschüsse, Partieexemplare,Freiexemplare) verzichten (und dies im Buchpreisbindungsgesetz festgeschrieben wird)?
Dieser Rabatt liegt dann irgendwo zwischen "Rabatt-für-Filialisten-und-Amazon" und dem "Rabatt-für-eine-kleinere-Inhabergeführte-Buchhandlung", durch den Verzicht auf WKZ, Partie-Exemplare ... hat der Verlag hier zudem noch etwas "mehr Luft nach oben".
So könnte ein Verlag für seine Belletristik-Titel für die Buchhändlern (unabhängig von dessen Größe) beispielsweise einen Rabatt von 45% auf den Ladenpreis vorgeben. Für die kleinen Buchhändler wären dies einige Prozentpunkte mehr, für die großen Händler einige Prozentpunkte weniger.
Gleicher Verkaufspreis, gleicher Einkaufspreis - für alle Buchhändler: wäre doch durchaus spannend, wie sich dann die Machtverhältnisse in unserer Branche zukünftig entwickeln würden.