Jede zweite Firma sucht vergeblich
Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind händeringend gesucht: Laut ifo-Institut fehlen so viele Fachkräfte in Deutschland wie nie zuvor – und das Problem wird größer.
Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind händeringend gesucht: Laut ifo-Institut fehlen so viele Fachkräfte in Deutschland wie nie zuvor – und das Problem wird größer.
Der Fachkräftemangel erreicht in Deutschland einen neuen Höchststand, meldet das ifo-Institut. Im Juli war im Schnitt jedes zweite Unternehmen betroffen (49,7 Prozent). Das geht aus einer Erhebung im Rahmen der ifo Konjunkturumfragen seit dem Jahr 2009 hervor. Der bisherige Rekord vom April (43,6 Prozent) wurde damit deutlich übertroffen. „Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden“, fasst Stefan Sauer, Arbeitsmarktexperte am ifo Institut zusammen. Und er warnt: „Mittel- und langfristig dürfte dieses Problem noch schwerwiegender werden.“
Dienstleister trifft es am härtesten
Hotel und Gastro sind ein Hotspot
Die Beherbergungsbetriebe und die Veranstaltungsbranche lagen mit rund 64 Prozent über diesem Branchendurchschnitt, hier sind mutmaßlich während der Coronalockdowns viele Mitarbeitende entlassen worden und in andere Branchen abgewandert. In der Lagerei waren 62,4 Prozent der Betriebe von einem Mangel betroffen. Auch die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten und von Metallerzeugnissen finden nur schwer fachkundiges Personal (rund 57 Prozent).
Laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer verstärken demografische Faktoren und ungleiche Bildungschancen das Problem für die Wirtschaft: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation gehen allmählich in Rente, Materialmangel sorgt für Auftragsstau, zu wenige qualifizierte Einwander:innen kommen ins Land – oder können nicht als Fachkräfte arbeiten, weil Abschlüsse nicht anerkannt werden.
Die Forschenden warnen, die Uhr beim Thema Fachkräftemangel stehe auf „fünf nach zwölf“ und fordern:
Ich sehe es oft genug: Wenn in kurzer Zeit in einem Unternehmen 10 Mitarbeiter gehen, aber nur 8 neue Stellen ausgeschrieben werden und diese wiederum mit einem Budget für gerade 6 der alten Stellen adäquat nachbesetzt werden sollen - dann hat das nichts mit einem Fachkräftemangel zu tun. Dahinter steht ein mangelndes Bewusstsein für die Erfordernisse zur Mitarbeitergewinnung und -bindung. Statt nach (unternehmensinternen) Ursachen zu suchen, wieso teils altgediente, teils aber auch gerade angekommene Mitarbeiter kündigen konzentriert man sich in vielen Unternehmen auf eine möglichst "ressourcenschonende" Scheinlösung mit bequemer Rückfalloption: dem ominösen Fachkräftemangel.
Damit wird eine vollkommen verzerrte Erwartungshaltung und auch ein vollkommen verzerrtes Selbstbild vieler Unternehmen als Arbeitgeber offenkundig, das sie nicht begreifen (wollen): Dass es nämlich Aufgabe des Unternehmens, vor allem des Unternehmers, ist in eine ökonomische und persönliche Vorleistung zu gehen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten - nicht andersherum. In diesem Mindset stecken aber immer noch einige Unternehmen fest.
Da kommen dann vollkommen abwegige Ausreden á la: "Unser Unternehmen läuft sehr gut, und es würde noch viel besser laufen, wenn wir mehr fähige Mitarbeiter finden würden. Aber deren Vorstellungen von Gehalt und Arbeitsbedingungen können wir nicht bedienen." Damit ist das Thema abgehakt und unter Fachkräftemangel verbucht. Als hätte ein Unternehmen keine Möglichkeiten, seine eigene Entwicklung zu gestalten und als wäre es nicht eine grundlegende unternehmerische Notwendigkeit, Risiken einzuschätzen und einzugehen...
Damit meine ich explizit nicht, dass es keinen Mangel an Arbeitskräften im Allgemeinen gäbe, sondern lediglich, dass sich mit dem Begriff des Fachkräftemangels wunderbar bequem und öffentlichkeitswirksam die Versäumnisse des eigenen Unternehmens verschleiern lassen.