Buchhandlung Ulrich von Hutten

Gelungener Generationen-Mix

27. November 2023
Nils Kahlefendt

Sehr geschätzte Buchhandlung in einer unter­schätzten Stadt: Die Buchhandlung Ulrich von Hutten in Frankfurt an der Oder feiert den 70. Geburtstag.

Jan, Katja und Falko Micklich.

Wenn Jan und Katja Micklich von Touristen gefragt werden, wo denn, bitte, das Zentrum von Frankfurt an der Oder sei, haben die beiden eine Standard-Antwort: »Sie stehen ­gerade drin. Das ist unsere Buchhandlung.« Selbstbewusst sind sie, die jungen Micklichs wie die Eltern, und ihre Ulrich von Hutten Buchhandlung in der Mall am Oderturm, die in dieser Woche 70. Geburtstag feiert, mit Grußwort des Oberbürgermeisters und großer Sause für die Kunden, ist zweifellos das erste Haus am Platz. So, ein bisschen Thomas-Mann-mäßig, hätte man es im Juni 1953 ausgedrückt, als – wenige Tage vor dem Volksaufstand in der größten DDR der Welt, in der vom Krieg zerstörten Frankfurter Innenstadt die »Volksbuchhandlung Ulrich von Hutten« in einem ehemaligen Schuhhaus eröffnet wurde. Frankfurt an der Oder, so sagt es 70 Jahre später Jan Micklich, ist – trotz der ­Europa-Universität Viadrina und seiner lebendigen Kulturszene, eine »stark unterschätzte Stadt«. Sie hat die Umbrüche der Nachwende exemplarisch durchlebt: den Niedergang der Halbleiter-Industrie, die enttäuschten Hoffnungen bezüglich der Ansiedlung einer Chipfabrik, das rasche Ende einer kurz erblühenden Solarindustrie. Auch im Wettbewerb um das Zukunftszentrum Deutsche Einheit blieb man zweiter Sieger; die Prestige-Ansiedlung kommt nach Halle an der Saale. In den letzten 30 Jahren verlor Frankfurt an der Oder ein Drittel seiner Einwohner: Von knapp 90 000 kurz vor der Einheit auf jetzt gut 57 000. 
 

Mutiger Schritt

Im Frühjahr 2011, 20 Jahre, nachdem der Berliner Buchhändler Robert Kiepert die Traditionsbuchhandlung übernommen hatte, wäre es fast um Hutten geschehen gewesen: Eine 1 400-Quadratmeter-Fläche zum Mond-Mietpreis, die zwölfköpfige Belegschaft in Kurzarbeit, das wirtschaftliche Aus schien nahe. Der bestens vernetzte Straußberger Buchhändler Falko Micklich kam ins Spiel – doch ein Spaziergang war dessen Frankfurter Engagement nicht: »Es brauchte verbindliche Verträge, um fürs kommende Kalender- und Schulbuchgeschäft zu planen. Es musste rasch gehen. Aber wir haben uns die Entscheidung alles andere als leicht gemacht. Damals ging es um einen hohen sechsstelligen Betrag; ich bin froh, dass mir meine Frau Birgit den Rücken gestärkt hat. Und ohne das erfahrene Team vor Ort hätten wir den Schritt wohl nicht gewagt.« Formal war der Weg dann die Gründung einer eigenständigen GmbH für die Hutten-Buchhandlung. 
 

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