Margrit Raven ist hundertzwei Jahre alt. Früher war sie Stimmbildnerin, jetzt lebt sie in einer Seniorenresidenz an der Elbe in Hamburg. Ihre Sehkraft und ihr Hörvermögen haben nachgelassen – ihre Umwelt aber nimmt Margrit weiterhin mit großem Feingefühl wahr. Ihr Interesse an der Welt ist ungebrochen groß: Zum Beispiel an dem jungen Fahrer Arthur, von dem sie sich jeden Tag in den Römischen Garten bringen lässt. Dort, mit weitem Blick auf den Fluss, erinnert sie sich: an ihre Kindheit, den Krieg, an ihre Liebhaber und an das, was sie über die einstige Gärtnerin dieses Parks weiß, über Else, die Frau mit den rauen Händen – die große Liebe ihrer Mutter.
Margrits Enkelin Luzie, 18 Jahre alt, kommt sie regelmäßig besuchen. Die junge Frau ist ihrer Großmutter eng verbunden. Aber sie schaut zornig in die Welt. Die Gründe hierfür hat sie tief in sich vergraben. Kurz vor dem Abitur hat sie sich überraschend von der Schule abgemeldet, übernachtet heimlich in einer Hütte am Elbstrand und hat den Plan, Tattoo Artist zu werden. Da trifft es sich gut, dass sie im leerstehenden Souterrain der Seniorenresidenz ein "Tattoo-Studio auf Zeit" einrichten darf. Während sie Margrit, deren Mitbewohner und sich selbst tätowiert, versucht sie, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen.
Luzie ist nicht die einzige, deren Leben ins Schlingern geraten ist. Auch Arthur, 24 Jahre alt, ringt mit einer Lebenskrise – dem Verlust seines Zwillingsbruders. Wenn er gerade niemanden zur Dialyse oder in den Römischen Garten fährt, erfindet er Sprachen, rettet Kröten oder sucht mit einer Sonde den Elbstrand ab.
Wie gelingt uns der Umgang mit den Krisen des Lebens? Wie meistern wir Schicksalsschläge und bleiben dabei möglichst lebendig? Margrit, am Ende ihres Lebens angekommen, macht es vor: Ihr Körper mag unbeweglich geworden sein. Ihr Blick in die Welt ist leicht und voller Anteilnahme. Mit Vorsicht und feinem Humor legt sie zart den Finger in die Wunden der Menschen, die sie liebt, und gibt Raum – zum Durchatmen und für Klärung und Begegnung. Und während Luzie und Arthur allmählich aus ihrer Sprachlosigkeit finden, nimmt Margrit langsam Abschied.