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Ellbogen: Über Wut, Wucht und Wünsche

29. August 2024
Redaktion Börsenblatt

Fatma Aydemirs Debütroman "Ellbogen" sorgte 2017 für Furore: Es ist die erschütternde, wild erzählte Coming-of-Age Geschichte der siebzehnjährigen Hazal, die ihren Platz in der Welt sucht und dabei fatale Fehler begeht. Nun wurde der Roman verfilmt, im September kommt er in die Kinos – zum Glück für alle, die "Ellbogen" noch nicht kennen. Denn die Verfilmung rückt den Roman erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit. Er hat diese Aufmerksamkeit verdient – heute mehr denn je. Zum Filmstart bringt Hanser eine neue Filmausgabe mit schönen Filmstills heraus. Ein guter Anlass, Aydemirs berührendes Debüt in Erinnerung zu rufen.

Im Mittelpunkt des Romans "Ellbogen" steht Hazal, die mit ihrer Familie in Berlin-Wedding lebt und einen Berufsvorbereitungskurs absolviert. 60 Bewerbungen hat sie geschrieben, ohne Erfolg. Dabei erwartet sie gar nicht viel: Sie würde gern Verkäuferin werden, einfach Geld verdienen, um der familiären Enge und der unglücklichen Ehe ihrer Eltern zu entkommen. Ihr Vater arbeitet als Taxifahrer, abends flüchtet er so schnell er kann ins Café. Ihre Mutter nimmt Psychopharmaka, schaut fern oder spielt auf dem Handy Candy Crush, ihre Beziehung zur Tochter ist vor allem durch Verbote geprägt. Dieser Mischung aus Kontrolle und Gleichgültigkeit versucht Hazal so oft wie möglich zu entfliehen – zu ihren Freunden, mit denen sie trinkt, träumt und feiert – und immer wieder auch Randbereiche des Illegalen streift. Besonders freut sie sich auf ihren 18. Geburtstag. Sie hofft, an diesem Abend bei ihrer Freundin Elma übernachten zu können und so richtig auszugehen.

Wie wirkt es sich auf unser Leben aus, wenn wir zwischen den Welten leben – und nirgendwo so recht dazu gehören? Was macht es mit uns, wenn Wege immerzu verbaut scheinen und die Unterstützung fehlt? "Ellbogen" ist ein Buch, das viele Fragen stellt – und brutale Antworten liefert. Es ist ein politischer Roman, der seine Leserinnen und Leser in die Magengrube trifft – mit all der Wucht und Wut, die sich anstaut, wenn Zugehörigkeit und Wertschätzung immer wieder in Frage gestellt sind.

Mit Hilfe ihrer Tante Semra gelingt es Hazal, ihre Geburtstagsnacht mit ihren Freundinnen zu verbringen. Der Abend beginnt als fröhliche Mädels-Party, doch dann werden die Freundinnen vor einem Club abgewiesen und der Geburtstag endet in stumpfer Gewalt. Hazal flieht Hals über Kopf vor der Polizei nach Istanbul, in eine neue Stadt in einem ihr unbekannten Land.

Fatma Aydemir

Wie zuvor Fatih Akin mit "Gegen die Wand" hat Fatma Aydemir mit "Ellbogen" einer Generation von Deutsch-Türken eine Stimme gegeben. "Ellbogen" beleuchtet Fragen nach Identität, Heimat und Geschlecht ebenso wie die Themen Diskriminierung und Rassismus. Aydemir selbst wurde 1986 in Karlsruhe geboren. Sie studierte Germanistik und Amerikanistik in Frankfurt am Main, arbeitete bis 2023 als Redakteurin bei der Tageszeitung und lebt in Berlin. Bei Hanser erschien neben "Ellbogen", für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt, auch ihr zweiter Roman "Dschinns", der für den Deutschen Buchpreis nominiert war und mit dem Robert-Gernhardt-Preis sowie dem Preis der LiteraTour Nord 2023 ausgezeichnet wurde.

Die Leserinnen und Leser können sich auf die neue Ausgabe von Hanser freuen – zusätzlich zum Roman finden sich hier viele Bilder aus dem Film "Ellbogen", der von der mehrfach ausgezeichneten Regisseurin Aslı Özarslan verfilmt wurde. Die internationale Koproduktion zwischen Deutschland, der Türkei und Frankreich wurde im Februar 2024 auf der Berlinale uraufgeführt und ist ab September in den Kinos zu sehen. Er ist eine wunderbare Ergänzung zur Lektüre des Buches, das seit Erscheinen noch stärker an Relevanz gewonnen hat.

Fatma Aydemir
"Ellbogen"
Erscheinungsdatum: 19.08.2024
ISBN 978-3-446-28178-3
288 Seiten, Klappenbroschur, 16,00 € (DE), 16,50 € (AT)
Hanser Verlag