Christliche Buchhandlung C. Strecker

"Eine temperamentvolle Angelegenheit"

16. Mai 2024
Charline Vorherr

20 Jahre lang führten Christian und Heike Strecker ihre Christliche Buch- und Kunsthandlung in Mühlhausen/Thüringen gemeinsam. Nach dem Tod ihres Vaters entschied sich Tochter Rebekka ins elterliche Geschäft einzusteigen - und zog dafür 400 Kilometer weit von NRW nach Thüringen. Im Gespräch mit dem Börsenblatt erzählen Mutter und Tochter, wie sie die Zeit erleben.

Heike Strecker und Tochter Rebekka Trenkelbach vor der Buchhandlung. 

Standing Ovations und Applaus: Im thüringischen Mühlhausen waren die Freude und Erleichterung groß, als Heike Strecker (59) im Februar bei einer Veranstaltung in der Stadtbibliothek verkündete, dass es für die Christliche Buch- und Kunsthandlung C. Strecker weiter geht. Nachdem ihr Ehemann und Mitinhaber Christian Strecker, "die buchstäbliche Seele des Ladens", im Januar an Leukämie verstarb, entschied sich Tochter Rebekka kurzerhand zurück in die Heimat zu ziehen.

Nach ihrer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin war Rebekka Trenkelbach (38) 400 Kilometer in den Westen gezogen. 19 Jahre lang hat sie in NRW gewohnt und in Holland gearbeitet. Seit Anfang Mai arbeitet sie als frisch gebackene Buchhändlerin nun im Laden mit. Und wie ist das, wenn Mutter und Tochter nun so eng zusammenarbeiten?

"Daran muss man sich erstmal gewöhnen", findet Rebekka Trenkelbach. "19 Jahre lang war ich nur zum Urlaub machen hier. Jetzt arbeiten wir jeden Tag acht bis zehn Stunden zusammen." Auch Mutter und Inhaberin Heike Strecker berichtet von "einer völlig neuen Situation". Zusammen zu arbeiten sei etwas anderes, als sich auf einen Kaffee zu treffen. Insbesondere in einem kleinen Betrieb, der von 2 bis 3 Personen gewuppt wird, müsse alles funktionieren. "Eine temperamentvolle Angelegenheit", beschreibt die Buchhändlerin. "Wir sind beide keine Schlaftabletten, aber wir raufen uns zusammen." 

Verlust hat neue Perspektive geschaffen

Die Idee zum Einstieg der Tochter ist in der Zeit der gemeinsamen, häuslichen Palliativpflege von Vater und Ehemann Christian Strecker Anfang des Jahres entstanden. "Das war eine völlig schräge Ausnahmesituation", erzählt Heike Strecker. "Man zieht die Seele blank, wenn man gemeinsam eine so traurige und anstrengende Zeit durchlebt." Gleichzeitig reifte das Bewusstsein in Mutter und Tochter, dass es nach dieser Zeit nicht schlimmer kommen könne. "Eine größere emotionale und körperliche Anspannung kann es nicht geben. Schlimmer wird es im Laden nie werden, selbst bei einer Pleite."

Rebekka Trenkelbach hat diese Zeit gezeigt, was ihr wirklich wichtig ist. "Ich hatte in NRW einen guten Job mit gutem Geld, aber das bringt mir nichts, wenn ich hier Zeit mit meiner Familie verpasse", so die frisch gebackene Buchhändlerin. Dazu zählt auch, Zeit mit der kleinen 17-jährigen Schwester nachzuholen und die verbliebene mit den Mitte-80-jährigen Großeltern zu genießen. Gründe genug für Trenkelbach, "alles abzubrechen und voll in die Buchhandlung einzusteigen". "Es war die absolut richtige Entscheidung. Ich bin sehr glücklich", berichtet sie. Einen Crashkurs zum Buchhandel hat sie bereits besucht, Lektüre zum Buchhandeln bestellt und ein Baristakurs steht ebenfalls an. "Ansonsten schaue ich meiner Mutter erstmal viel über die Schulter." 

Mit dem Einstieg von Rebekka hat sich auch die Perspektive ergeben, das Lebenswerk an die nächste Generation zu übergeben – diese Möglichkeit stand vorher aufgrund der großen Distanz nie sonderlich zur Debatte. Im letzten Jahr hatte Heike Strecker hingegen eher das Gefühl gehabt, Türen in ihrem Leben schließen sich. Die Zeit in der Buchhandlung ohne ihren Ehemann sei nicht einfach gewesen: „Hier erinnert alles an Christian. Wir haben immer alles zusammen gemacht und plötzlich steht man alleine da“, erzählt sie. Solange der mittlerweile ausgelernte von Heike Strecker liebevoll als „Zauberlehrling“ bezeichnete Marius noch im Laden war, konnte der Cafébetrieb aufrechterhalten werden. Als der Azubi im letzten Jahr zum Studium nach Leipzig gezogen ist, musste die Kaffeemaschine weggepackt werden – erstmal mit dem Gedanken bis Christian Strecker wieder da sei. In den Wochen nach seinem Tod hat vor allem ein starkes Netzwerk aus Freunden den Laden offen gehalten. Der Gedanke, ganz zu schließen, sei in dieser Zeit omnipräsent gewesen. Doch am Ende stand die Entscheidung, „das Baby nicht sterben zu lassen“. Seit Ostern ist Heike Strecker wieder ganz im Laden. 

Auch Cafébetrieb wieder angelaufen

Inzwischen ist der Cafébetrieb, der von den Kund:innen schmerzlich vermisst wurde, wieder angelaufen. Kaffee und selbstgebackene Kuchen können im „Wohnzimmer der Stadt“ wieder genossen werden, das herzhafte Imbiss-Angebot hingegen wurde gestrichen. „Das Café wertet die Atmosphäre unfassbar auf. Alle sind froh, dass man sich wieder treffen kann. Das spendet viel Kraft“, berichtet Heike Strecker – und auch der finanzielle Faktor sei nicht zu übersehen: Die Buchverkäufe steigen durch die Impulsverkäufe der Cafébesucher:innen wieder deutlich.

Im Rückblick ist Heike Strecker erstaunt, was man für eine gewisse Zeit alles schaffen kann. Doch jetzt ist sie froh, die tatkräftige Hilfe ihrer Tochter zu haben. "Die Leute sind viel netter als die Kund:innen in der Apotheke. Das macht einfach Spaß", berichtet Rebekka Trenkelbach. Für sie hat eine intensive Einarbeitungszeit begonnen - mit "viel Input und langen Tagen".