Buchhandlung Peterknecht zieht um

"Eine Menge guter Ideen adaptiert"

29. April 2022
Nils Kahlefendt

Ein Umzug bei laufendem Geschäft: Die Buchhandlung Peterknecht hat ihre Kunden nicht nur in den neuen Laden, sondern auch auf Social Media mitgenommen. Und sich in ganz Deutschland bei den Kolleg:innen umgesehen. Ein Interview.

„Ein neues Kapitel beginnt auf der anderen Seite“, das ist großflächig und bunt an der Schaufensterfront Anger 51 zu lesen – dem neuen Peterknecht-Laden in Erfurt, vis-à-vis dem alten Geschäft am Anger 28. Peter Peterknecht, der Chef, ist schon ab sechs Uhr vor Ort: Die Eröffnung wird mit einer Kunst-Aktion statt schnöder Werbung flankiert: Im Morgengrauen hat Peterknecht einen neongelber Überweg aufs Straßenpflaster vom alten zum neuen Laden geklebt, in der Mitte ein blau gelbes Signet: Bildung statt Krieg! Guerilla-Marketing kommt in Mode, gerade hat die Band Kraftklub auf einer Straße im Leipziger Westen ein Überraschungskonzert gespielt. Wann wird das Ordnungsamt kommen? Um 12 Uhr versteigert die Künstlerin Katharina May am Erfurter Anger ein Bild zugunsten der Menschen in der Ukraine. Peter Peterknecht ist tiefenentspannt und erleichtert – am Tag vor der Neueröffnung ging immerhin die Telefonanlage endlich in Betrieb. Anfang Juni starten die von Katrin und Peter Peterknecht organisierten Erfurter Kinderbuchtage, zwei Drittel der Tickets sind schon weg. Spätestens zu den Thüringer Buchtagen wird man die Veranstaltungsfläche unter dem neuen Laden live erleben, Stühle, Bühne und Lichttechnik wurden neu angeschafft. Was soll jetzt noch passieren?   

Für den geplanten Einzugstermin habe ich bei den Handwerkern mit guten Worten und, nun ja: Kaffee und Kuchen gearbeitet. Schon mein Vater hatte diese ultimative Geheimwaffe genutzt ...

Peter Peterknecht

Herr Peterknecht, drei Mal umziehen ist wie ein Mal abgebrannt, heißt es. Wie oft sind sie mit Ihrem Laden umgezogen? 
Bislang nur ein Mal, 1998. Da sind wir aus unserem kleinen Laden mit 110 Quadratmetern in den großen mit 700 Quadratmetern am Anger 28 umgezogen. Damals haben wir allerdings komplett neu eingerichtet. 

Was hat Sie bewogen, den Tort noch einmal auf sich zu nehmen? Was hat Sie so gereizt? 
Es sind zwei Punkte: Zum einen hatte sich das Verhältnis zu unserem Vermieter eingetrübt. Dazu waren die Mietforderungen der Deutschen Apothekerbank aus unserer Sicht zu hoch. Erste Gespräche habe ich 2020, schon in Pandemie-Zeiten, geführt; unser Mietvertrag wäre ursprünglich Ende 2021 ausgelaufen, ich hatte keine Ambitionen zu verlängern. Mir ist die Fläche des Schuhaus Zumnorde, Anger 51, angeboten worden – genau gegenüber. 

Was waren die größten Herausforderungen?
Es war ein schönes Geschäft, das allerdings 30 Jahre auf dem Buckel hatte. Wir haben also von Grund auf alles erneuert. Wo es früher ein Labyrinth von Schaukästen gab, haben wir eine komplett neue Schaufenster-Front zum Anger gelegt. Dadurch haben wir rund 50 Quadratmeter und eine großzügige Eingangszone hinzugewonnen. Die größte Herausforderung war der Brandschutz. Der Laden erstreckt sich ja, was man ihm nicht anmerkt, über fünf oder sechs historische Altstadthäuser! Das hat uns sehr viel Zeit und Nerven gekostet…

Der deutsche Amtsschimmel? 
Könnte man sagen. Die involvierten Firmen signalisierten mehrfach: Einzugstermin Ende April? Never! Ich habe dann mit guten Worten und, nun ja: Kaffee und Kuchen gearbeitet. Schon mein Vater hatte diese ultimative Geheimwaffe genutzt, wenn er – mit reichlich Westkaffe im Gepäck - zum Großhändler Wallmann nach Leipzig gefahren war, um dort bestimmte Bücher locker zu machen.  

Wir haben für den Umzug bei laufendem Betrieb Abteilung für Abteilung langsam leergeräumt, das Angebot peu-à-peu ausgedünnt. Man kann mit der Hälfte der Ware den gleichen Umsatz fahren, eine interessante Erkenntnis.   

Peter Peterknecht

Wie viel haben Sie in den neuen Laden investiert? 
Eine gute sechsstellige Summe. Aber wir hatten die einmalige Chance, uns sinnvoll zu verändern.   

Das klingt auch ein wenig riskant, oder? 
Wir haben einen Vertrag für zehn Jahre mit der Option auf weitere fünf. 

Ihre alten Möbel sind mit umgezogen? 
Man könnte neudeutsch von „Nachhaltigkeit“ sprechen. Aber unsere Kreft-Möbel sind schlicht unverwüstlich. Das hat uns sehr viel Geld gespart - und wir konnten unsere alte Buchhandlung quasi „mitnehmen“. Unsere Kundinnen und Kunden werden ‚ihre‘ Buchhandlung wiedererkennen – und, hoffen wir, lieben.  

Wie groß ist der neue Laden? 
750 Quadratmeter - auf einer Ebene! Das fühlt sich großartig an. Vier Oberlichter machen den Laden enorm hell. Dazu haben wir die einzelnen Bereiche sinnvoll segmentiert, so dass man nie das Gefühl einer gesichtslosen Großfläche hat. Das Licht wirkt mit 3000 Kelvin etwas dunkler, aber heimelig. Nur der Bereich Jura/Wissenschaft ist mit 4000 Kelvin ausgestrahlt; da er am Ende des Ladens liegt, wirkt das sehr gut.   

Wovon haben Sie sich inspirieren lassen?
Ich war mit meiner Frau Anfang 2021 in ganz Deutschland unterwegs; wir haben uns viele Buchhandlungen angeschaut, darunter nicht wenige Buchhandlungspreis-Gewinner. Wir waren in tollen Indie-Buchhandlungen und bei Filialisten, die wissen ja auch, was sie tun. Wir haben eine ganze Menge guter Ideen adaptiert - unsere Kassenzone etwa ist von Buch Greuter in Singen inspiriert.    

Der Kollege weiß das? 
Er hat mir eine Mail geschickt - und findet unsere Umsetzung toll.   

Bildergalerie mit Rundgang durch die neue Buchhandlung

Never change a running system, heißt es. Sie sind bei laufendem Betrieb umgezogen. Wie hat Ihre Kundschaft die Erweiterung des Einkaufserlebnisses um ein Umzugserlebnis aufgenommen?  
Wir haben die Regale im laufenden Betrieb abgebaut, Abteilung für Abteilung langsam leergeräumt. Wir haben das innerhalb von drei Wochen vollzogen, gut geplant und in einer großen Ruhe. Wir haben das Angebot also nicht mit einem Schlag gekappt, sondern peu-à-peu ausgedünnt. Man kann mit der Hälfte der Ware den gleichen Umsatz fahren, eine interessante Erkenntnis.   

Eine Stammkunden-Kette quer über den Anger war nicht geplant? Wäre ja eine super Team-Building-Maßnahme gewesen… 
(Lacht): Ich habe darüber nachgedacht. Aber: Dazu sind wir zu groß, das wäre chaotisch geworden. Die Leute meinen das lieb, aber sie verursachen Chaos. Wir haben aber in den Sozialen Medien und auf unserer Webseite den Umzug extrem stark kommuniziert, beständig erklärt, was und warum wir etwas tun. Das war sehr hilfreich.   

Eine besondere Verbindung

"Nun zieht es die Buchhandlung an einen anderen Ort. Der Weg ist kurz, daher kein Frust": Ein Freund von Peter Peterknecht hat ein heiteres Gedicht zum Umzug verfasst, dass auf Facebook zu sehen und zu hören ist