Serie: Geschwister in der Chefetage

Duo mit klarer Arbeitsteilung

22. August 2023
Redaktion Börsenblatt

In vierter Generation führen Elisabeth und Ludger Röttsches die Buchhandlung im Literaturhaus Herne Ruhr. Eine Geschichte voller Neuanfänge. 

Elisabeth und Ludger Röttsches führen gemeinsam die Buchhandlung im Literaturhaus Herne Ruhr.

Zu den kleinen Ritualen von Elisabeth (66) und Ludger Röttsches (61) gehört ein Treffen am Sonntag­abend: Bei einer Tasse Tee blicken sie auf die vergangene 
Woche zurück und besprechen die Pläne für die kommende. »Das passiert bei uns absolut vertrauensvoll, im Unternehmen sind immer viele Themen zu klären«, sagt Ludger Röttsches. »Unter uns Geschwistern gibt es auch keine Konkurrenz, da jeder seine Kompetenzen und Freiräume hat.«

Die Buchhandlung im Literaturhaus Herne Ruhr hat eine lange Familien- und Unternehmenstradition: »1905 begann alles mit der Tageszeitung ›Herner Anzeiger‹ – vorn war der Vertrieb mit der Redaktion und hinten die Druckerei. Die Buchhandlung kam erst später dazu«, berichtet Ludger Röttsches von den Anfängen der Buchhandlung Koethers & Röttsches. »Seit 1926 sind wir in unserem heutigen Gebäude – ein monumentaler, damals noch frei stehender Bau. Später wurden, wie damals üblich, in den Redaktionsräumen der katholischen Tageszeitung auch regionale Bücher verkauft.« Josef Röttsches war 1909 in das Unternehmen seines Onkels Johannes Koethers eingestiegen.

Unter dem NS-Regime war die zentrumsnahe Zeitung nach der Machtergreifung nicht erwünscht und büßte zunehmend an Auflage ein. Nach dem Krieg nahmen dann die Briten die Druckmaschinen mit. Entmutigen ließ sich Maria Röttsches, die das Unternehmen 1946 von ihrem überraschend verstorbenen Mann Josef übernommen hatte, nicht. Sie machte weiter – und holte 1956 ihre beiden Söhne und ihre beiden Töchter in die Firma.
Während sie mit Tochter Marianne später ausschied, entschlossen sich die drei Geschwister Karl-Wilhelm, Gerhard und Maria-Luise, neue Wege zu gehen: Sie boten Kleindrucksachen im Offsetdruck an. »Dann wurden Buchhandlung und Druckerei getrennt. Mein Vater übernahm die Buchhandlung in den vorderen Räumen, die vom eigenen Telefonbuchverlag wirtschaftlich gestärkt wurde. Mein Onkel war für die Druckerei verantwortlich«, berichtet Ludger Röttsches.

Oase in der Innenstadt

1978 trat mit Elisabeth Röttsches das erste Mitglied der heutigen Generation in das Familienunternehmen ein. »Das war in der Blütezeit der Buchhandlungen. Damals gab es keine großen Ketten und kein Internet«, sagt die gelernte Buchhändlerin, die nach dem Abitur ihre Ausbildung in der Bochumer Universitätsbuchhandlung Janssen absolviert hatte. Ihr jüngerer Bruder Ludger kam Mitte der 1990er Jahre als Industriekaufmann und studierter Betriebswirt an Bord.

»Der Markt und damit unser Angebot hat sich stets gewandelt. In den 90ern waren wir eine klassische Buchhandlung mit Schreibwaren«, erzählt Elisabeth Röttsches. Die Nachfrage bei den Schreibwaren sei aber mit der Einführung des iPhones immer mehr zurückgegangen. »Seit 2016 hat unser Café im ehemaligen Schreibwarenbereich seinen Platz gefunden. Zeitweise waren wir auch ein Partnerladen des Bertelsmanns Clubs – diesen Ladenbereich nutzen wir heute für unser Non-Book-Sortiment mit schönen Accessoires wie Seifen, Duftkerzen, Vasen sowie Gläsern in verschiedenen Preisklassen, die man sonst so kaum noch in Herne findet.« Inzwischen sei die Buchhandlung so etwas wie eine kleine Oase in der Innenstadt, meint Ludger Röttsches: »Immer mehr kleine Geschäfte wie Boutiquen und Teeläden verschwinden, weil ihre Besitzer aus Altersgründen aufgeben.«

Die ehemalige Druckerei im Hinterhof hat die Buchhandlung 2009 von einem Dachdeckerbetrieb zurückgekauft und saniert. Das Gebäude mit großem Saal wird heute für Lesungen und andere Veranstaltungen genutzt. Träger ist der 2015 gegründete Verein Literaturhaus Herne Ruhr. »Heute trägt unsere Buchhandlung den Namen des Vereins und zeigt so, dass sie mit den Veranstaltungen und dem Café mehr ist als nur eine Buchhandlung. Zu unseren Lesungen kommen auch viele Leute von außerhalb, weil es so eine Kombination sonst nicht gibt«, freut sich Elisabeth Röttsches. In der Buchhandlung arbeiten vier Mitarbeiter sowie eine Stammkraft und studentische Aushilfen im Café.

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