Buchhandlung in Saarbrücken

In diesem Buchladen verdient jeder das Gleiche

7. August 2024
von Stefan Hauck

Keine Hierarchien, kein Chef und jeder entscheidet mit: der buchladen im Nauwieser Viertel in Saarbrücken, gerade mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet, hebt sich nicht nur unter den saarländischen Sortimenten hervor.

Ein Teil des engagierten buchladen- Teams (von links): Frank Peters, Lis Osch, Janne Oeser und Siggi Höller

Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und jeder bekommt denselben Stundenlohn: Das gehört zu den Grundsätzen des buchladens im Nauwieser Viertel. Einmal im Monat oder anlassbedingt findet ein Kollektivtreffen statt, "jeder darf sich einbringen und Vorschläge machen, jede Stimme hat gleich viel Gewicht", erklärt Frank Peters, der seit 1990 dabei ist. "Früher galt: Wer hier arbeitete, war auch Gesellschafter, inzwischen sind es drei der sechs Festangestellten. Bei existenziellen Entscheidungen haben die Gesellschafter dann schon ein Vetorecht." 

Verlagsvorschauen beackern die sechs – die Jüngste ist eine 21-jährige HBK-Studentin in Teilzeit – gemeinsam, jeder hat seine eigene Farbe, dann werden die Bestellungen gebündelt. Für das Sommerfest haben sie eine Taskforce gebildet und sich zu dritt getroffen, "da ist es schon so, dass nicht immer alle alles machen, das wäre nicht effizient." Eine Veranstaltung pro Monat stemmen sie allemal, 40 Gäste passen in den Eingangsraum der Buchhandlung, 2und der war bislang auch immer gefüllt", stellt Peters zufrieden fest. Wirklich verdienen könne man mit den Lesungen nicht, "aber bei Jakob Springfeld oder Silke Ohlmeier etwa kommen viele neue Zuhörer, die dann hoffentlich als Kunden wiederkommen". Die Gäste müssen sich anmelden und erscheinen sehr zuverlässig. Zu Veranstaltungen etwa des Genderkompetenzzentrums oder der Initiative für Solarenergie leiht der buchladen aber auch Büchertische aus: "Die Veranstalter schauen sich bei uns nach Titeln um, wir beraten und ergänzen, die holen die Bücher ab und hinterher wird abgerechnet", erklärt Peters das Prozedere.

Geschäftsführung ausgewürfelt

Begonnen hatte alles, als VWL-Studenten Anfang der 70er Jahre Büchertische vor der Mensa der Saarbrücker Universität aufbauten, um aufklärerisches Bildungsgut zugänglich zu machen. Ab 1973 wurden im "politischen buchladen" in der Dudweilerstraße Bücher zu Politik, kritischer Ökonomie und Philosophie verkauft; 1977 wurde der Standort in die Johannisstraße verlegt und das "politische" im Namen gestrichen, Belletristik, Unterhaltung und Krimis ins Sortiment aufgenommen. Seit 1983 ist die Buchhandlung im Nauwieser Viertel und eine GmbH – "die Frage nach der Geschäftsführung wurde per Würfel entschieden, der ausgerechnet die Auszubildenden Anette Mantwill und Marika Klein traf", erinnert sich Peters. "Die beiden Männer grummelten da schon ein bisschen, aber so war das mit dem Grundgedanken der Gleichheit bei uns."
 

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