Zusammenschluss von Thalia Mayersche und Osiander | KOMMENTAR

"Der Ton dürfte sich weiter verschärfen"

19. November 2020
Christina Schulte

Das ging schnell, sehr schnell: In gerade einmal vier Wochen hat das Bundeskartellamt die gemeinsame Vertriebsgesellschaft OVG von Osiander und Thalia Mayersche im Fusionskontrollverfahren genehmigt.

Die Wettbewerbsbehörde hatte nichts zu beanstanden, erteilte keine Auflagen, die die beiden Unternehmen zu erfüllen hätten.

Diese Entscheidung dürfte nicht jedem in der Branche schmecken, denn das tägliche Handeln zwischen Buchhändlern, Verlegern und dem Zwischenbuchhandel ist an manchen Stellen durchaus ein anderes als das vom Kartellamt beschriebene. Natürlich ist es objektiv gesehen nicht so, dass es für die Verlage und den Zwischenbuchhandel keine Einkaufs- und Vertriebsalternativen zur OVG gibt. Aber: Im stationären Handel auf eine Zusammenarbeit mit dem Marktführer und seinem neuen Partner zu verzichten, das muss man sich erst einmal leisten können. Als Verlag genauso wie als Zwischenbuchhändler. Am ehesten können sich das noch die Konsumenten erlauben.

Natürlich ist es objektiv gesehen nicht so, dass es für die Verlage und den Zwischenbuchhandel keine Einkaufs- und Vertriebsalternativen zur OVG gibt

Christina Schulte

Nicht beurteilen muss das Kartellamt, wie die Branche etwa in Konditionenfragen miteinander umgeht und welche Rabatte sie einander aufzwängt. Kurz: Wie sie das Preisbindungsgesetz, das die Branche schützen soll, nach innen immer stärker aushöhlt. Jeder weiß: Je größer die Marktmacht einzelner Player, desto fordernder der Ton, der sich jetzt noch weiter verschärfen dürfte. Es rumort in der Branche, eine Nachbesserung des Paragrafen 6.3. Buchpreisbindungsgesetz wird von einigen befürwortet, von anderen vehement abgelehnt.

Das Kartellamt aber zieht bei seiner Betrachtung allein wirtschaftliche Kennzahlen heran. Und die passen offenbar, denn die Buchbranche wird unter dem Strich dank Preisbindung nach wie vor als kleinteilig und vielfältig bewertet. Von Marktanteilen, wie sie beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel zu finden sind, ist man weit entfernt. Selbst an Orten im Süden Deutschlands, an denen die Situation kritisch erscheint, weil Osiander und Thalia Mayersche aufeinandertreffen, gebe es genug Wettbewerb, so dass ein Eingreifen des Kartellamts nicht nötig sei. Die betroffenen Buchhandlungen vor Ort werden das möglicherweise anders sehen.

An diesem problemlos durchgewunkenen Zusammenschluss zeigt sich, wie unterschiedlich die Perspektiven von Wettbewerbshütern und Vielfaltskämpfern sind. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen hat andere Ziele als den Schutz eines hoch diversen Marktes, der mit einem Kulturgut handelt. Die Kartellwächter bewerten jedoch alle Märkte – unabhängig von ihrem jeweiligen Vielfaltsniveau – nach den gleichen Maßstäben. Rechtlich muss das so sein. Ob es politisch wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt.

 

 

Osiander ist der erste Partner, der auf die neue Plattform von Thalia Mayersche aufspringt, aber er wird nicht der letzte bleiben. Ob weitere Zusammenschlüsse ebenfalls eine so große wirtschaftliche Dimension haben werden, dass sie kartellrechtlich geprüft werden müssen, ist offen. Es könnte aber gut sein, dass sich das Kartellamt irgendwann erneut mit Thalia Mayersche & Co. beschäftigen muss.

 

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