Europas Kulturgutscheine im Vergleich

Das sind die positiven Effekte für den Buchhandel

12. Juli 2023
Sabine Cronau

Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland: Alle vier Länder haben einen Kulturgutschein für junge Leute. Die Ausgestaltung fällt unterschiedlich aus, die Erfahrungen sind ähnlich. Das zeigt ein neues „RISE Industry Insights Paper“.

Ausgearbeitet wurde die Analyse von RISE Bookselling, einem Projekt des Europäischen und Internationalen Buchhandlungsverbands EIBF, das aus Mitteln des EU-Programms "Creative Europe" gefördert wird (mehr dazu hier).

Positive Effekte, die sich laut RISE aus dem Vierländervergleich ableiten lassen:

  • Es kommen deutlich mehr junge Menschen in die Buchläden. Viele sind zum ersten Mal in einer Buchhandlung und entdecken das Lesen außerhalb der Schule neu für sich. Der Bericht bezieht sich auf Einschätzungen aus dem Buchhandel.
  • Kulturgutscheine erweitern den Lesehorizont: Erfahrungen aus Frankreich zeigen, dass junge Leser:innen, die zunächst vor allem zu Manga greifen, nach und nach auch andere Genres für sich entdecken. Dafür sorgt der Besuch in der Buchhandlung.
  • Die junge Generation entdeckt Kulturangebote vor Ort und wird dazu angeregt, Geld lieber im direkten Umfeld auszugeben als im Netz.
  • Gutscheinsysteme unterstützen regionale Kulturanbieter, die in der Pandemie besonders gelitten haben.
  • Das Geld ermöglicht kulturelle Teilhabe für alle – auch für diejenigen, deren Familien nicht die finanziellen Mittel haben.

Es gibt aber auch "Learnings"

  • Gutscheinsysteme sind keine verlässliche Einnahmequelle, die Kulturanbieter miteinrechnen sollten. Das zeigt sich gerade in Italien, wo der Gutschein ab 2024 für Jugendliche aus einkommensschwachen Familien gelten soll.
  • Es muss auch im ländlichen Raum Angebote geben, damit Jugendlichen dort davon profitieren können. Sonst verstärkt der Kulturgutschein das Stadt-Land-Gefälle.
  • Vom Gutschein profitieren nur bestehende Kulturanbieter. Deshalb muss es begleitende Förderinstrumente für neue Ideen und Projekte geben.
  • Von technischen Probleme mit Apps und Software berichten Italien und Frankreich , in Spanien gab viele bürokratische Hindernisse bei der Registrierung.

Ein Fazit der RISE-Analyse zu den Kulturgutscheinen

Für die Buchbranche gilt, dass die positiven Effekte des Kulturgutscheins die Schwächen bei weitem übertreffen – und den Grundstein für die Lesergeneration von morgen legen können.

Italien: Bonus Cultura / 18app

  • Seit 2016, für 18jährige, per App
  • Gutscheinbetrag: 500 Euro
  • Budget: 230 Millionen Euro für 2022 / 2023, ab 2024: 190 Millionen Euro (geplant)
  • Für kulturelle Aktivitäten vom Museum bis zum Nationalpark, für kulturelle Produkte wie Bücher (E-Books / Audiobooks), Zeitungen, CDs, Filme, für Kurse, etwa in der Musikschule. Zur Website geht's hier.

Der italienische Buchhandlungsverband ALI warnt: Ab 2024 soll der Kulturpass in Italien auf Jugendliche aus einkommensschwachen Familien (Jahreseinkommen unter 35.000 Euro) oder mit herausragenden schulischen Leistungen begrenzt werden. Wird beides erfüllt, verdoppelt sich das Budget. Der Kulturpass verliere damit die Allgemeingültigkeit, die den Charme des Modells ausmache, so der Verband - und schlägt vor, den Betrag von 500 Euro zu splitten: 300 Euro für alle, plus 200 Euro für Kinder aus einkommensschwachen Familien.

Spanien: Bono Cultural

  • Seit 2022, für 18-Jährige, als Prepaid-Karte in digitaler oder analoger Form
  • Budget 2023: 210 Millionen Euro
  • Gutscheinbetrag: 400 Euro in drei Kategorien
  1. 200 Euro für Museum, Kino, Theater,
  2. 100 Euro für Bücher, Musik und Videospiele (alles physisch),
  3. 100 Euro für digitale Angebote für Musik-Abos und E-Books. Zur Website geht's hier.

Der spanische Buchhandlungsverband CEGAL führt derzeit Gespräche mit dem Kulturministerium, um den Betrag, der für gedruckte Bücher ausgegeben werden kann, zu erhöhen. Der Wunsch: 50 Prozent mehr fürs Buch. Alles in allem seien die Erfahrungen im Buchhandel mit dem neuen Instrument positiv, so das Fazit von CEGAL.

Frankreich: Pass Culture

  • Seit 2021 landesweit (nach einer Testphase ab 2019), für 15- bis 18-Jährige, als App
  • Budget 2023: 208,5 Millionen Euro
  • Gutscheinbetrag nach Alter gestaffelt:
    20 Euro für 15-Jährige, 30 Euro für 16- und 17-Jährige, 300 Euro für 18-Jährige
  • Für Theater, Kino, Konzerte, für Bücher (auch E-Books / Audiobooks), CDs, DVDs, Kunstwerke und Musikinstrumente, Tanz-, Mal und Musikkurse. Zur Website geht's hier.

Nach Angaben des französischen Buchhandlungsverbands SLF beteiligen sich mittlerweile rund 3.000 Buchhandlungen am Kulturpass, der die Bindung an die junge Zielgruppe stärke. Viele würden oft zum ersten Mal eine Buchhandlung besuchen – und wiederkommen.

Deutschland: Der KulturPass

  • Seit 2023, für 18-Jährige, als App
  • Budget 2023: 100 Millionen Euro
  • Gutscheinbetrag: 200 Euro
  • Kulturgüter und Kulturevents vor Ort, ausgenommen sind Online-Händler und Streaming-Anbieter. Zur Website geht's hier.

Für den Börsenverein ist das neue Angebot eine einmalige Chance, um junge Menschen an Bücher heranzuführen und sie (mehr) zum Lesen zu motivieren – aber auch, um ihnen die Beratungsqualität und den Service des stationären Buchhandels zu vermitteln.