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Das Ende der Nacht ist ein Anfang

20. Juli 2023
Redaktion Börsenblatt

Claire Daverley ist mit ihrem Debüt ein großer Wurf gelungen: Ihr Roman „Vom Ende der Nacht“ (hanserblau) erzählt mit großer Zartheit die Geschichte zweier Liebender, die erst verstehen müssen, was sie einander bedeuten. 

Im Alter von 17 Jahren erscheint das Leben endlos. Vieles geschieht zum ersten Mal – das nächtliche Lagerfeuer, die intensive Begegnung, das Gespräch bis zum Ende der Nacht. Will und Rosie, die beiden Protagonisten des Romans „Vom Ende der Nacht“ sind 17, als sie einander kennenlernen. Mitten in der Nacht treffen zwei Teenager aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Will, Draufgänger und Mädchenschwarm, versteckt seine seelischen Wunden unter einer harten Schale. Rosie, ernsthaft und strebsam, versucht das Leben mit einem Kontrollzwang im Griff zu behalten. Doch das, was die beiden von Anfang an verbindet, überwindet die Unterschiedlichkeit: ein intuitives Verständnis für einander, eine Gabe zur aufrichtigen Anteilnahme, eine große Anziehungskraft. Beide sind kurz davor, etwas Wunderbares zu beginnen. Und dann kommt das Schicksal dazwischen.

Es gelingt der jungen Autorin Claire Daverley, die Geschichte von Will und Rosie von der Jugend bis weit ins Erwachsenenalter hinein mit großer Zartheit und ungewöhnlicher erzählerischer Dichte zu zeichnen: Da sind zwei, die zusammengehören. Die Leserin hat keinerlei Zweifel. Wenn doch nur das Leben nicht wäre, seine Schicksalsschläge und die inneren Dämonen, die die beiden Protagonisten immer und immer wieder auseinandertreiben. Claire Daverley gelingt es, einen Blick tief hinter die Fassade und in die Widersprüchlichkeit der menschlichen Psyche zu gewähren.

Claire Daverley

So ist „Vom Ende der Nacht“ nicht nur eine Liebesgeschichte: Tiefgründig und zugleich leichtfüßig erzählt dieser Roman von der Suche nach dem Lebensglück – und der Erkenntnis, dass wir es dann finden, wenn wir bei uns selbst ankommen – allen Erwartungen und Verpflichtungen zum Trotz und durch innere Verletzungen hindurch.

Will und Rosie haben beide die dunklen Seiten des Lebens bereits früh kennengelernt. Will, als Kind von seiner Mutter verlassen, hat gelernt, dass ein Leben ganz im „Hier und Jetzt“ die größte Sicherheit bietet – Planungen widerstreben ihm. Anstatt seine guten Noten für ein Studium zu nutzen, entscheidet er sich für eine Arbeit in einer KFZ-Werkstatt. Rosie, geprägt von emotional abwesenden Eltern mit hohem Leistungsanspruch, entscheidet sich für ein Studium und versucht, sich in das für sie gesellschaftlich vorgezeichnete Leben zu fügen.

Daverleys großes schriftstellerisches Talent zeigt sich insbesondere in der Darstellung des zarten und unverwüstlichen Bandes, das diese beiden über Jahrzehnte hinweg verbindet – auch dann, wenn der Kontakt abgebrochen ist oder die Welt zusammenzubrechen scheint. Ihre Geschichte kennt alle Schattierungen: die sprühende Leichtigkeit und diffuse Melancholie der Jugend, die leuchtenden Farben einer erfüllten Sommerliebe, die tiefste Schwärze menschlicher Krisen und die wohlige Wärme tiefer menschlicher Verbundenheit.

Claire Daverley kennt sich mit Büchern aus: Im Jahr 1991 in England geboren, begann sie mit sechs Jahren Geschichten zu erzählen. Nach dem Studium in Oxford arbeitete sie im Verlagswesen und schrieb nachts, auf Zugfahrten und im Morgengrauen an ihrem Debüt, das in 20 Sprachen übersetzt wird. Die Autorin lebt heute mit Mann und Hund in Schottland. Von ihr ist noch viel zu erwarten.
 

Vom Ende der Nacht

hanserblau

22,00 EURO

übersetzt aus dem Englischen von Margarita Ruppel

Erscheinungsdatum: 24.07.2023