Digitale Ausbildung

So meistern Sie die 5 größten Hürden

20. April 2022
Alexander Powell

Seit Jahren haben Betriebe mit dem Fachkräftemangel und unbesetzten Ausbildungsstellen zu kämpfen. Warum eine digital gestützte Ausbildung dagegen hilft und wie Unternehmen das Thema am besten anpacken, erläutert Alexander Powell von simpleclub in seinem Gastbeitrag.

Bereits 43,2 Prozent der Unternehmen spüren laut Statista den Mangel an Fachpersonal. Ein aktuelles Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) warnt: Der notwendige Bedarf an Fachkräften, insbesondere in Handwerk und MINT-Berufen, kann durch den aktuell ausgebildeten Nachwuchs nicht gedeckt werden. Die Expert:innen fordern, dass das Ausbildungssystem attraktiver und an die Digitalisierung angepasst werden müsse sowie Kompetenzen in den MINT-Fächern gestärkt werden sollten. Denn aktuell entscheiden sich immer weniger junge Menschen für eine Berufsausbildung. Woran liegt das und was können Unternehmen tun, um die Ausbildung wieder attraktiver zu machen?

Wir haben im letzten Jahr eine repräsentative Studie zusammen mit KANTAR durchgeführt, um genau das herauszufinden. Uns interessierte, was aus Sicht von Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren eine Ausbildung interessanter machen würde. 74 Prozent der Befragten sprachen sich für digital unterstütztes Lernen als einen wichtigen Baustein aus. Die jungen Erwachsenen wünschen sich eine größere Nähe zur heutigen, digital geprägten Lebenswirklichkeit. Daran können ausbildende Unternehmen anknüpfen und potentiellen Nachwuchskräften zusätzliche digitale Lernangebote machen. So wird die Lehre für junge Talente moderner und attraktiver und die Azubis können dort erreicht werden, wo sie sich als sogenannte Digital Natives bereits ein Leben lang bewegen.

Natürlich ist die Digitalisierung der Ausbildung für Unternehmen mit Herausforderungen verbunden – bewährte Lehrstrukturen sind neu zu denken und digitale Inhalte in den Ausbildungsalltag zu integrieren. Es lassen sich aber auf alle Herausforderungen praktikable und sehr gute Antworten finden, die ich im Folgenden gern skizziere, um zu zeigen, dass eine digital gestützte Ausbildung Sinn macht und in jedem Unternehmen umsetzbar ist.

1. Wie gehe ich als Unternehmen die Digitalisierung der Ausbildung an?

Den Status Quo feststellen

Die ersten beiden Fragen, die mit allen Beteiligten im Unternehmen zu klären sind: Sind digitale Lerninhalte gewünscht und stehen Kapazitäten für die digitale Transformation bereit? Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, ist es wichtig, zunächst einmal den Status Quo zu ermitteln: Wie ist die Ausbildung im Unternehmen aufgestellt, wie zeitgemäß sind die Inhalte und Abläufe? Wie kann die Digitalisierung des Ausbildungsangebots den Auszubildenden, aber auch den Ausbilder:innen helfen? Diese Fragen sollten von den Personen im Unternehmen gemeinsam eruiert werden, die für die Ausbildung verantwortlich sind. Im Anschluss können die Erkenntnisse mit dem Digitalisierungsdienstleister geteilt und besprochen werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass kein Unternehmen zu klein ist, um das Thema digitale Transformation der Ausbildung in Angriff zu nehmen.

Wenn wir bei simpleclub die Digitalisierung von Ausbildungsinhalten für ein Unternehmen übernehmen, ist der Input des Unternehmens essentiell. Zum einen verweist er auf die nächsten Schritte, zum anderen ermöglicht er Effektivität. Beispielsweises haben wir gemeinsam mit dem Deutschen Sparkassenverlag die Ausbildung der Bankkaufleute digitalisiert. Alle theoretischen Inhalte der Ausbildung können per Lizenz von sämtlichen Sparkassen, aber auch von anderen Banken zur Lernbegleitung ihrer Azubis genutzt werden. 
 

2.   Wie stelle ich sicher, dass meine Auszubildenden die besten digitalen Lerninhalte bekommen

Lehrpläne und fachliche Expertise als Ausgangspunkt für die Erstellung von Inhalten

Erfahrene Dienstleister:innen greifen bei der Content-Erstellung auf erprobte Lehrpläne und fachliche Expertise zurück. Unternehmen sollten entsprechend erfragen, wie digitale Lerninhalte erstellt werden und wie fachliches Wissen dafür sichergestellt wird. Bei simpleclub beispielsweise orientieren wir uns inhaltlich am Rahmenlehrplan, der von der Kultusministerkonferenz (KMK) für den jeweiligen Ausbildungsgang verabschiedet wird. Diese Inhalte werden eng mit Ausbilder:innen abgestimmt, um sicherzustellen, dass Theorie und Praxis sich perfekt ergänzen. Die digitalen Lerninhalte werden dann von ehemaligen Auszubildenden erstellt, die ihre Prüfung als Jahrgangsbeste abgeschlossen haben, unterstützt von Ausbilder:innen und Spezialist:innen ihres Fachs. Sie alle werden nach einem strengen Bewerbungsprozess darauf geschult, ihr Wissen um die relevanten Ausbildungsthemen in erprobte digitale Lehrinhalte zu übersetzen. Zur Prüfung der Eignung durchlaufen sie eine Schulung zur Erststellung der besten Lerninhalte und wir stellen sicher, dass sie von Natur aus gut erklären können. Zudem arbeiten wir nach dem Vier-Augen-Prinzip, das bedeutet, jedes Skript für eine Lernstory, die Lernvideos, Übungsaufgaben und Zusammenfassungen beinhaltet, wird doppelt von Teammitgliedern auf die inhaltliche Konsistenz und Verständlichkeit gecheckt sowie von den Ausbilder:innen auf Praxisnähe geprüft.

Didaktische Grundprinzipien sind wichtig für den Lernerfolg

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der optimalen Erstellung digitaler Lerninhalte ist das didaktische Konzept dahinter, also wie die Inhalte vermittelt werden, damit diese auch tief verankert und abrufbar in den Köpfen der Azubis bleiben. Dafür sollten bei Dienstleister:innen, die Ausbildungswissen digitalisieren, folgende Fragen im Fokus stehen: Wer lernt hier? Was braucht er oder sie? Wie tief muss das Thema gestaltet werden? Welche Bausteine wie Aufgaben, Übungen und Zusammenfassungen sorgen für das bestmögliche Verstehen? Wichtig ist es zudem, auf Augenhöhe mit den Auszubildenden zu kommunizieren und Anknüpfungspunkte in ihrer Lebenswirklichkeit zu finden. Auch das häufig in Schulen eingesetzte, sogenannte EIS-Prinzip (E=enaktiv, I=ikonisch und S=symbolisch) ist wertvoll für digitale Lerninhalte wie etwa Lernvideos. Hier geht es darum, nicht nur zu erklären und visuell aufzuzeigen, sondern die Inhalte auch erfahrbar zu machen. All diese Prinzipien sollten erfahrene Digitalisierer:innen von Bildungsinhalten berücksichtigen und anhand ihrer Lerninhalte den Unternehmen auch nachweisen können.

3. Wie können immer größere Wissenslücken von Basiswissen aus der Schule effizient geschlossen werden?

Digitale Lerntools helfen mit Schulwissen

Ausbilder:innen stehen immer wieder vor der Situation, dass Azubis mit unterschiedlichem Hintergrund- und Basiswissen aus der Schule in die Ausbildung starten. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Oftmals unterscheiden sich Lerninhalte je nach Bundesland oder es sind individuelle Gründe, warum der für die Ausbildung essentielle Lernstoff häufig noch nicht sitzt. Es ist zu befürchten, dass die Wissenslücken der Schulabgänger:innen bedingt durch die Corona-Pandemie in den kommenden Jahren sogar noch größer werden. Vor allem Grundlagen in Mathematik bringen immer mehr Ausbildende ins Straucheln. Dreisatz, Einheiten umrechen, Formeln umstellen – die Lücken sind so gravierend, dass auch diese Basics nicht vorausgesetzt werden können.

Auch hier bieten digitale Lerntools Vorteile, wenn sie die Möglichkeit haben, Basiswissen aus der Schule aufzufrischen oder nachzuholen. simpleclub etwa hält auch Lernstoff der fünften bis zur dreizehnten Klasse bereit, auf die Auszubildende zugreifen und relevante Themen wiederholen können. Der Algorithmus erkennt den jeweiligen Wissensstand und ermittelt mittels KI individuelle Lernpfade für einen maximalen Lernerfolg. So wird individuelles Lernen je nach Wissensstand ermöglicht. Ausbilder:innen können sich so ganz auf die betriebliche Ausbildung fokussieren und verlieren keine Zeit für Wiederholungen des vorausgesetzten Lernstoffs. Sie agieren auf diese Weise mehr als Lernbegleiter:innen und nicht als Nachhilfelehrer:innen – das spart Kosten und wertvolle Zeit.

4. Wie mache ich meine Ausbilder:innen fit für die digitale Ausbildung?

Best Cases und Teilhabe bauen Vorbehalte ab

Eine weitere Hürde kann in den Vorbehalten von Arbeitnehmer:innen bzw. Ausbilder:innen liegen, die eventuell befürchten, dass eine digitale Ausbildung sie überfordert, sie nicht genügend Kompetenzen dafür haben, oder wenn sie Veränderungen generell fürchten. Deshalb ist es wichtig, alle von Anfang an im Prozess mitzunehmen und etwaige Ängste ernst zu nehmen. Generell hat sich gezeigt, dass sich Ausbilder:innen von digitalen Anwendungen dann überzeugen lassen, wenn sie selbst sehen, dass die Tools für bessere Lernerfolge bei den Azubis sorgen und diese das digitale Angebot schätzen. Digitale Tools sind meist auch sehr intuitiv und benutzerfreundlich aufgebaut, was wiederum schnell Ängste abbaut. Regelmäßige Schulungen und der persönliche Kontakt zum Digitalisierungsdienstleister bauen zudem Vorbehalte ab und erleichtern es dem Ausbildungspersonal, sich selbst digitales Wissen anzueignen und die Vorteile von digitalen Lerninhalten zu erfahren. Denn Fakt ist: Nur mit eigenem digitalen Know-how können Unternehmen mit den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt Schritt halten und den Wandel selbst mitgestalten.

5. Ständiger Wandel – wie sorge ich dafür, dass die digitalen Ausbildungsinhalte top aktuell bleiben?

Auch wenn sich die theoretischen Ausbildungsinhalte kaum ändern, ist es wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben. Bei der Wahl des Partnerunternehmens für die Digitalisierung der Inhalte ist darauf zu achten, dass die Digitalisiererin einen kontinuierlichen Prozess zur Optimierung der Inhalte unterstützt.

Mit unseren Partner:innen verfolgen wir bei simpleclub deshalb ein langfristiges Modell und haben für alle Berufe immer sogenannte Content-Creatoren an Bord, die regelmäßig neue Inhalte produzieren und bei Bedarf aktualisieren. Zudem entwickeln wir ständig unsere Technologie weiter, woraus sich neue Möglichkeiten bei der Vermittlung des notwendigen Lernstoffs für die einzelnen Berufe ergeben. Beispielsweise können Ausbilder:innen seit letztem Jahr ein sogenanntes Ausbilderprofil nutzen. Sie können damit Lernpläne für ihre Azubis erstellen und darüber deren Lernfortschritt und das Verständnis kontinuierlich verfolgen. Auf diese Weise agieren Ausbilder:innen eher als Lerncoaches, erkennen schneller Wissenslücken und können individuell unterstützen. In diesem Jahr wird die App um Augmented-Reality-Funktionen erweitert, wodurch komplexe Sachverhalte oder Experimente noch anschaulicher werden. Zudem führen wir einen Prüfungssimulationsmodus ein, indem die Prüflinge alte Prüfungsaufgaben innerhalb eines bestimmten Zeitlimits durcharbeiten. Bestmöglich vorbereitet, gehen sie dann ohne Angst in die Abschlussprüfungen.

 

Über den Autor: Alexander Powell ist bei der Lernplattform simpleclub verantwortlich für die Digitalisierung von Ausbildungsberufen und hat den direkten Draht zu Unternehmen, die den Schritt zur digitalen Transformation bereits gehen, darunter Deutsche Bahn, Sparkasse, Telekom oder Brillux für verschiedene Ausbildungszweige. In diesem LinkedIn Beitrag wird simpleclub für Azubis kurz erläutert.