Sie sind Professorin, Start-up-Gründerin, Autorin, bekleiden mehrere Aufsichtsratsposten und verfügen über ausgewiesene Digitalkompetenz. Was hat Sie bewogen, das Aufsichtsratsmandat beim Börsenverein zu übernehmen?
Ich stehe für digitale Bildung, das ist einer meiner Forschungsschwerpunkte, aber zugleich auch eine Herzensangelegenheit. Dazu gehört nicht nur die Frage, was wir in Zukunft können müssen, sondern auch die Frage, wie wir es schaffen, die verschiedenen Branchen samt ihrer Mitarbeiter:innen so zu qualifizieren, dass sie den Transformationsprozess von der analogen in eine digitale oder hybride Welt gern und erfolgreich durchlaufen. Dass dieser Transformationsprozess in der Buchbranche gelingt, dazu möchte ich beitragen. Außerdem liebe ich Bücher und sehe, wie wichtig es trotz Digitalisierung ist, bewusst in die rein analoge Welt einzutauchen, in Ruhe zu lesen, einen Ausgleich zu haben. Ich praktiziere regelmäßig dieses »Digital Detox«. Wenn meine beiden kleinen Töchter auf meinem Schoß sitzen und ich ihnen im Rahmen unseres täglichen Abendrituals vorlese, sind wir alle glücklich. Wir tauchen zusammen in die Bücher ein, lassen unserer Fantasie freien Lauf, und die Fragen der Kinder zeigen mir, wie natürlich wissbegierig und neugierig Kinder sind. Es entsteht dabei etwas ganz Besonderes zwischen Menschen, etwas, das es zwischen Mensch und Maschine auf lange Zeit nicht geben kann.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Transformationsprozess der Buchbranche erfolgreich ist?
Die Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in einem ersten Schritt sehr genau erklären, welches Ziel der Transformationsprozess hat, was die einzelnen Schritte für jeden Einzelnen in seiner Rolle bedeuten, wie sich jeder verändern oder qualifizieren muss und welchen Nutzen er davon hat. Der zweite Schritt besteht dann darin, die Mitarbeiter konsequent beim Erwerb der erforderlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Akzeptanz als eine direkte Funktion von Verständnis ist also eine notwendige Voraussetzung. Dafür braucht es viel Fingerspitzengefühl, denn häufig befassen sich diejenigen, die das Zukunftsbild gestalten, sehr wenig damit, wo die Menschen stehen, die sie mitnehmen sollen. Ich habe oft das Gefühl, dass die Mitarbeiter:innen in vielen Branchen die grundlegenden Veränderungen der Geschäftsmodelle und die damit verbundenen neuen Prozesse deswegen nicht vollständig verstehen, weil das viel zu wenig erklärt wird. Und genau deswegen entstehen dann auch Widerstände. Digitalisierung darf nicht in einer abgeschotteten Blase entwickelt werden, sondern muss allen vermittelt werden. Ich würde mich zudem freuen, wenn wir diesbezüglich eine chancenorientiertere Debatte führen würden, denn die Digitalisierung und neue Technologien wie künstliche Intelligenz bringen große Potenziale mit sich. Es darf aus meiner Sicht keine Debatte domineren, bei der Skepsis und Berührungsängste dominieren, wie es in vielen Branchen der Fall ist.