Claudio Magris dankt in seiner Rede auch Ragni Maria Gschwend, die von 1995 bis zu ihrem Tode 2021 all seine Bücher übersetzt. Für sie ist jede Reise zu ihrem Autor nach Triest ein literarisches wie sprachwissenschaftliches Abenteuer. Als hochgeschätzter Germanist geht Magris mit ihr die Übersetzung Satz für Satz durch, verbunden mit Lob und Kritik, aber vor allem mit einer großen Dankbarkeit, dass jemand mit ihm in einer anderen Sprache eins geworden ist.
Mit ihm auf eine Wellenlänge zu kommen, sei es durch die Lektüre seiner Bücher oder während eines Besuches in Triest, ist tatsächlich wie das Salz in einer sonst faden Suppe.
Ich lerne Magris und seine Stadt 2009 kennen. »Prost mein Engel«, fällt mir beim ersten Abendspaziergang durch die aufgeheizten Straßen auf, ein Spruch, der auf einer Laterne an einem Restaurant mit Engel-Bierausschank steht, sinnbildlich aber auch für die gesamte Stadt gilt, die einen Fremden wie mich mit offenen Armen begrüßt.
Eher zurückhaltend wirkt Claudio Magris, als er mir am nächsten Tag die Hand schüttelt. Bei einem formidablen Mittagessen planen wir seine Reise nach Frankfurt und seinen Auftritt in der Paulskirche, bis er mich etwas fragt, was ihm anscheinend schon die ganze Zeit auf der Seele liegt und was mich kein anderer Friedenspreisträger, keine andere Friedenspreisträgerin zuvor und danach gefragt hat: »Wollen wir schwimmen gehen?«
Am nördlichsten Zipfel der Adria steigen wir ins Wasser, was Magris – so seine Chronisten – sogar jeden Tag tun würde, ein Jungbrunnen, der Körper und Geist belebt . Ab und zu deutet er an diesem Nachmittag zwischen den Schwimmphasen auf ein Haus, einen Hügel oder auf den Hafen und erzählt eine dazu passende Geschichte, wie auch die über die Leiche eines Bootflüchtlings aus Afrika, die eines Tages angeschwemmt wurde. Dabei schaut er auf die Uferpromenade seiner Heimatstadt, als würde er überlegen, ob Menschen, die es tatsächlich und lebend bis hierher schaffen würden, von Triest genauso herzlich begrüßt werden wie jemand, der wie ich – »Prost mein Engel« – vom Norden kommt. Ihm, so ist es ihm anzusehen, wäre das wichtig.