Börsenverein: Fokus Verlage

Von KI bis Nachwuchssuche

5. Oktober 2023
Michael Roesler-Graichen

Unter dem neuen Namen "Fokus Verlage" hat heute die digitale Fachgruppenversammlung des Ausschusses für Verlage getagt, moderiert von der VA-Vorsitzenden Nadja Kneissler. Teil 1 des Treffens nahm die Aktivitäten des VA im laufenden Jahr in den Blick, Teil 2 Projekte für 2024.

Rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten die dicht gestaffelten Tagesordnungspunkte, die eine breitere Diskussion nicht zuließen. Ein prominentes, wegen seiner urheberrechtlichen Implikationen für Verlage eminent wichtiges Thema war die Künstliche Intelligenz. Rechtsanwältin Susanne Barwick aus der Rechtsabteilung stellte kurz den Inhalt eines Positionspapiers dar, das der Börsenverein zu den laufenden Verhandlungen über den europäischen "AI Act" (Gesetz zu KI) erstellt hat. Darin fordert der Verband von der (europäischen) Politik unter anderem:

  • eine Klarstellung, dass generative KI, die eigenständig Texte und andere Inhalte erzeugen kann, nicht unter die Schrankenregelung des Text-and-Data Mining (TDM) fällt, die § 44a des Urheberrechtsgesetzes vorsieht;
  • die Einhaltung der Pflicht von KI-Unternehmen, die Herkunft der verwendeten Trainingsdaten transparent zu machen;
  • die Pflicht, KI-generierte Texte zu kennzeichnen.

Barwick forderte die Verlage dazu auf, vorsorglich das Opt-out aus dem TDM zu erklären, entweder durch einen entsprechenden Eintrag im Impressum oder bei Online-Publikationen durch eine maschinenlesbare Opt-out-Erklärung.

Die Rechtsabteilung hat auch ein FAQ zu KI erstellt, das Mitglieder auf der Seite des Börsenvereins lesen können.

Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang informierte unter anderem über eine bevorstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Ebay-Adventsrabatt. Das OLG Frankfurt am Main hatte die Zehn-Prozent-Rabattaktion des Online-Marktplatzes für rechtens erklärt, der Börsenverein legte eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein und erhofft sich nun ein anderslautendes Urteil. Eine gesetzliche Klarstellung, wie sie der Verband vom Bundeswirtschaftsministerium gefordert hat, ist derzeit nicht in Sicht. 

Wissenschaftliche Studie zu E-Lending

Christian Schumacher-Gebler, stellvertretender VA-Vorsitzender, stellte ein Thema vor, dass den Verlagen seit geraumer Zeit Ungemach beschert: das E-Lending. Seit einem Jahr kommt auf Betreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ein runder Tisch zusammen, an dem alle beteiligten Interessengruppen – Verlage, Autor:innen und Bibliotheken – nach einer fairen Lösung suchen, die auch eine Refinanzierung von Autor:innen und Verlagen sicherstellt. Die BKM hat das Institut DIW Econ mit der Erstellung einer wissenschaftlichen Studie beauftragt, die die wirtschaftlichen Auswirkungen des E-Lendings in öffentlichen Bibliotheken auf den Buchmarkt im Vergleich zur Ausleihe von Print-Büchern analysieren soll.

Kulturpass und strukturelle Verlagsförderung

Kyra Dreher, die Geschäftsführerin der Fachausschüsse, informierte über den aktuellen Stand beim Kulturpass. Mehr als 45 Prozent des Umsatzes von Bestellungen für Kulturprodukte entfallen auf Bücher, so Dreher. Bisher seien rund 3,5 Millionen Euro Umsatz mit Büchern gemacht worden. (Weitere Zahlen hatte boersenblatt.net kürzlich dokumentiert.) Claudia Roths Absichtserklärung, den Kulturpass über 2023 hinaus fortzuführen und die Gruppe der Anspruchsberechtigten um die 15- bis 17-Jährigen zu erweitern, scheitere derzeit an Finanzminister Lindner, der noch ausstehende Gelder eingefroren habe und für den kommenden Bundeshaushalt keine weiteren Mittel für den Kulturpass plane. Erst nach den Haushaltsverhandlungen am 16. November wisse man mehr, so Dreher.

Ebenso unsicher wie das weitere Schicksal des Kulturpasses sei die von der Branche geforderte strukturelle Verlagsförderung nach Schweizer Modell. Finanzminister Lindner habe mit seinem Haushaltsentwurf keine Spielräume gelassen, so Birgit Reuß vom Berliner Büro des Börsenvereins. Der Börsenverein hoffe nun, dass sich die Parlamentarier bei den Haushaltberatungen im Bundestag für eine Förderung einsetzen. Hier bestehe akuter Handlungsbedarf, denn gerade viele kleine Verlage bräuchten die Unterstützung dringend.

Nachwuchs- und Fachkräftemangel

Der zweite Themenblock der Fachgruppenversammlung war den Projekten für 2024 vorbehalten. Wichtigstes Thema hier war der Nachwuchs- und Fachkräftemangel in der Buchbranche. Marco Jochum, Personalchef der Verlagsgruppe Penguin Random House, erläuterte in einem Impulsvortrag, wie sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren gedreht habe: vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt. "Im Mittelpunkt stehen heute die individuellen Bedürfnisse der Bewerber", so Jochum. Sie erwarteten flexible Arbeitszeiten und -bedingungen, eine sinnhafte Tätigkeit und eine gute Work-Life-Balance. Die Verlage hätten gute Chancen, Interessenten genau diese Dinge anzubieten. Monika Kolb, Geschäftsführerin des mediacampus Frankfurt, sagte, dass man weniger Bewerber:innen verzeichne, und die Profile nicht immer passten. Die Branche müsse sichtbarer werden und Eltern wie Arbeitsagentur klarmachen, dass man interessant und zukunftsfähig sei. Ein Mittel, um auf die Branche aufmerksam zu machen, seien digitale Elternabende, die in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit veranstaltet würden.

Weitere Schwerpunkte des VA im kommenden Jahr werden die Themen Künstliche Intelligenz und Wirtschaftlichkeit sein. In einem gemeinsamen Workshop mit SoA und ZwiBu-Ausschuss sollen zudem spartenübergreifende Lösungen für ein bei allen Herausforderungen zukünftig wirtschaftliches Auskommen der Unternehmen der Buchbranche entwickelt werden.