Krieg lässt sich mit Statistiken beschreiben. Man kann auf Landkarten nachstellen, was für Gebietsgewinne oder -verluste es gibt. Dabei vergisst man aber mitunter, dass jeder Krieg – auch der in der Ukraine – auf den Rücken der dort lebenden Menschen ausgetragen wird.
Bei der Verleihung des Friedenspreises 2022 erklärte Serhij Zhadan, was das mit ihm und seinen Landsleuten gemacht hat: »Genau dieses Gefühl ist es, das dich vom ersten Tag des großen Krieges an begleitet – das Gefühl der gebrochenen Zeit, des Fehlens von Dauer, das Gefühl der zusammengepressten Luft, du kannst kaum atmen, weil die Wirklichkeit auf dir lastet und versucht, dich auf die andere Seite des Lebens, auf die andere Seite des Sichtbaren abzudrängen.«
In seiner Dankesrede ging er zudem darauf ein, wie schwer es sei, die richtige Sprache dafür zu finden. »Aber diese Unfähigkeit, sich der vertrauten Mittel zu bedienen, genauer gesagt, die Unfähigkeit, mit den früheren – aus friedlichen Vorkriegszeiten stammenden – Konstruktionen deinen Zustand zu beschreiben, deine Wut, deinen Schmerz und deine Hoffnung zu erklären – ist besonders schmerzhaft und unerträglich.«
Krieg sei nicht für Literatur gemacht, zitierte ihn Sasha Marianna Salzmann in einem Text für die Münchener Kammerspiele. Ihn »als literarisches Material zu nutzen zu versuchen, ist das Schlimmste, was ein Schriftsteller tun kann. […] Und doch ist es unmöglich, nicht über den Krieg zu schreiben. Über den Krieg muss geschrieben werden. Der Krieg braucht keine Ästhetisierung, aber er braucht Fixierung. Er braucht Zeugen …«