Nachhaltigkeitspodium auf der Buchmesse

"Standardisierung macht das Leben leichter"

18. Oktober 2024
Sabine Cronau

Wie verträgt sich eine nachhaltige Unternehmensstrategie mit Kosteneffizienz und Rendite-Vorgaben? Und was ist heute die Kernaufgabe eines CEO? Im Pavilion auf der Agora ging es am Messedonnerstag um Ökologie und Branchenstandards, um den Mut zum Experiment und die Kunst der Unternehmensführung.

Auf dem Podium (v.l.n.r.): Mariam En Nazer, Peter Kraus von Cleff, Dorothee Werner und Florian Enns

Der Weg zum nachhaltigen Wirtschaften erfordert Veränderungsbereitschaft – manchmal gilt das sogar schon bei einer Podiumsdiskussion zum Thema. Weil der zentrale Gast, Multiaufsichtsrätin Simone Menne, noch am Startflughafen festsaß, musste die IG Nachhaltigkeit im Börsenverein blitzschnell umdisponieren und die Diskussionsrunde auf der Buchmesse ohne Mennes Keynote bestreiten.

Stattdessen diskutierten Dorothee Werner, CEO bei Branchendienstleister KNK, und Florian Enns, Herstellungsleiter bei Rowohlt, zu dritt mit Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. Das Motto: “Don’t look up! Nachhaltig denken, strategisch handeln – für eine zukunftsfähige Buchindustrie“.

Als Warm-up machte Moderatorin Mariam En Nazer (Sprecherin der IG Nachhaltigkeit und Production and Sustainability Managerin bei Penguin Random House) ein kleines Spiel mit den Podiumsgästen. Mit grünen und roten Karten sollte das Trio über zentrale ökologische Branchenfragen abstimmen – etwa:

  • Wären Verbraucher:innen dazu bereit, höhere Preise für Bücher zu bezahlen, wenn sie nachhaltig produziert sind? Ergebnis: zweimal ja, einmal nein.
  • Und können nachhaltige Produktionsmethoden langfristig kosteneffizienter sein? Dazu gab es ausnahmsweise gleich drei grüne Karten, also ein klares Ja.

Ein CEO muss heute vor allem ein guter Coach sein. Er muss den Willen haben, etwas zu verändern - und "Komplizenschaft" herstellen.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Die Kernaufgabe der Unternehmensführung

Spannender Einstieg in die Diskussion: Was ist die Kernaufgabe von CEOs, gerade im Hinblick auf den ökologischen Umbau? Für Dorothee Werner ist es die Fähigkeit zum Perspektivwechsel, für Peter Kraus vom Cleff geht es darum, „Komplizenschaft“ mit dem Team herzustellen: „Man muss den Willen haben, etwas zu verändern – und vor allem ein guter Coach sein.“ Hersteller Florian Enns hält es für wichtig, die Mitarbeiter:innen „nicht allein zu lassen in der Welt der Zielkonflikte“. Denn Renditevorgaben und nachhaltiges Wirtschaften können sich zumindest auf der Kurzstrecke ins Gehege kommen – auch wenn sie sich auf längere Sicht keineswegs ausschließen.

Dorothee Werner stellte die ganz grundsätzliche Frage: „Ist der permanente Wachstumsgedanke überhaupt noch glaubwürdig“? Und was tritt an seine Stelle? Für Werner gibt es durchaus überzeugende Gegenentwürfe wie beispielsweise die Kreislaufwirtschaft. Und auch wenn der Gesetzgeber den Unternehmen schon jetzt einiges abverlangt, etwa mit der neuen EU-Entwaldungsverordnung oder dem so genannten Lieferkettengesetz: „Regulierungsbashing bringt uns nicht weiter“, warnte Werner.

Florian Enns

Wir haben den Content und die Geschichten - wir müssen sie für die nachrückenden Generationen nur anders verpacken. Und die Chance für Innovationen nutzen.

Florian Enns, Herstellungsleiter bei Rowohlt

Dorothee Werner

Mein Mantra lautet: „Safe enough to try“. Es geht darum, neue Formate zu testen, mit Ideen zu spielen, einfach mal was rauszuhauen.

Dorothee Werner, CEO der knk Business Software AG

Die Ressourcen sind knapp - auch in den Verlagen

Trotzdem: Die Ressourcen in den Verlagen sind knapp, sowohl für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben als auch für die Verwirklichung selbstgesetzter Nachhaltigkeitsziele. Das machte Florian Enns sehr deutlich. In der Entwicklung von Standards sah die Runde deshalb große Chancen, um die knappen Ressourcen besser zu nutzen. Oder, wie Peter Kraus vom Cleff es formulierte: „Standardisierung macht das Leben leichter.“

Er verwies dabei auf die verschiedenen Projekte beim Börsenverein – etwa auf die Taskforce IT-Standards oder den Digitalen Wissenshub des Verbands, die Kräfte bündeln, Standards und Best-Practice-Beispiele für alle zur Verfügung stellen sollen, vor allem für das Gros der Börsenvereinsmitglieder: die kleineren und mittleren Unternehmen: "Es geht um vernetztes Denken in einer komplexen Welt."

Nicht weniger wichtig: Innovation – vor allem wenn es um die Aufbereitung von Content und Geschichten für die junge Handy-Generation geht, wie Florian Enns betonte. Dorothee Werner würde sich wünschen, dass die Branche dabei noch stärker auf Nutzungskomfort achtet und setzt auf das Mantra: „Safe enough to try“. Es gehe darum, neue Formate zu testen, mit Ideen zu spielen, „einfach mal was rauszuhauen“. Kurzum: den Mut zum Experiment.

KI, so Werner, sei derzeit in aller Munde: „Ich würde mir wünschen, dass wir genauso viel Energie in übergeordnete Themen wie Innovationsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft stecken“.

Peter Kraus vom Cleff sieht die Zukunftschancen der Branche dabei eher in der Digitalisierung von Prozessen als in der Digitalisierung von Produkten. Das gedruckte Buch biete auch aus neurowissenschaftlicher Sicht enorme Vorteile: „Und manches ist eben einfach anstrengend." Das gelte für die Lektüre eines guten dicken Buches  – aber auch für den Weg in die Nachhaltigkeit.