Book meets Game: Interview mit vier Expert:innen

"Lesen macht das Universum einer Geschichte lebendiger"

7. September 2023
Redaktion Börsenblatt

Bei der Entwicklerkonferenz devcom (20. - 22. August) war auch der Börsenverein dabei – mit einem Workshop in der Reihe "Book meets Game". Live auf der Bühne wurde ein Videospiel aus einem Roman entwickelt. Wie war das? Hier zieht die Expertenrunde Bilanz, zu der unter anderem die Autor:innen Lena Falkenhagen und Boris Koch gehörten. Interview: Mirjam Wingenbach und Stefanie Perk 

Die Interviewpartner:innen

Die Interviewrunde: (v.l.) Klaus Scherwinksi, Stefanie Perk, Boris Koch, Mirjam Wingenbach, Lena Falkenhagen, Nico Balletta

Auf dem Programm der devcom stand ein ganz besonderer Workshop: Unter dem Motto „From Book to Game – How does that actually work?” wurde ein Spielekonzept zum Roman “Der Drachenflüsterer” von Boris Koch entwickelt – und zwar interaktiv auf der Bühne. Welche Konzeptideen könnten funktionieren? Und was ist bei der Umsetzung zu beachten? Antworten auf diese Fragen suchten in dem einstündigen Workshop:

  • Lena Falkenhagen, Spieleautorin und Schriftstellerin
  • Klaus Scherwinski, Visual Development Artist und Storyboarder
  • Marta Fijak, Game Designerin
  • Boris Koch, Autor

Im Anschluss daran ergab sich Gelegenheit für ein Interview mit der Expertenrunde – und mit Nico Balleta, bei der devcom Head of Program. Im folgenden Gespräch mit Stefanie Perk und Mirjam Wingenbach vom Börsenverein berichten die Panelteilnehmer:innen davon, was Bücher und Spiele verbindet. Und was sie trennt.

Was verbindet Buch und Game - und damit auch Börsenverein und devcom?

Nico Balleta: Die Kooperation zwischen Buch und Game ist für mich so naheliegend wie interessant. Denn Bücher sind das Grundmedien für alle weiteren Medienformate. Begonnen wird mit dem geschriebenen Wort, der erzählten Geschichte, die dann visualisiert wird. Das ist bei Videospielen nicht anders. Bereits jetzt gibt es diverse Videospiele, die auf Literaturvorlagen basieren und transmedial erzählte Geschichten immer populärer machen.

Porträtfoto Nico Balletta

Nico Balletta

Bereits jetzt gibt es diverse Videospiele, die auf Literaturvorlagen basieren und transmedial erzählte Geschichten immer populärer machen.

Nico Balletta, bei der devcom Head of Program

Mehr Gemeinsamkeiten oder mehr Unterschiede: Wie sehen Sie als Workshop-Teilnehmer:innen die Schnittmenge zwischen Buch- und Gamesbranche?

Lena Falkenhagen: Beide Medien sind erzählerisch, wie Nico schon sagt. Aber sie haben unterschiedliche Schwerpunkte. Jedes Medium erzählt Geschichten anders. Als jemand, der in beiden Welten zuhause ist, liebe ich es, Geschichten über unterschiedliche Medien zu entdecken und zu erleben.

Boris Koch: Ich sehe tatsächlich eher die Unterschiede. Buch, Comic und Film erzählen eine festgelegte Geschichte, im Spiel muss dagegen der Tatsache Rechnung getragen werden, dass noch andere Leute daran beteiligt sind, anders als beim Lesen eines Buches. Ein Spieler benötigt Optionen, der innere Konflikt muss ohne Worte erlebbar gemacht werden. Daher muss an Spielerzählungen ganz anders heran gegangen werden.

Klaus Scherwinski: Ich denke es sind zwei unterschiedliche Hemisphären, die wir hier beschreiben. Das eine ist eine spezifische Geschichte, das andere ein Intellectual Property (IP), das als Abenteuer erlebbar gemacht wird. Idealerweise wünscht man sich ein Transmedia IP, das in verschiedenen Medien funktioniert. Und Bücher tragen das in sich.

Porträtfoto Lena Falkenhagen

Lena Falkenhagen

Jedes Medium erzählt Geschichten anders.

Lena Falkenhagen, Spieleautorin und Schriftstellerin

Wie schätzen Sie den transmedialen Effekt beim Schreiben von Büchern und der Entwicklung von Videospielen ein? Welche neuen Möglichkeiten könnten sich dort eröffnen?

Nico Balleta: Mit einem Controller in der Hand bin ich aktiver in eine Geschichte involviert. Aber ich erkenne auch, dass gute Lektüre meine Spielerfahrung in den Universen ergänzt. Durch diese Kombination erlebe ich die Geschichte auf eine andere Art und Weise, weil sich ein Wechseleffekt ergibt.

Ein gutes Beispiel für mich ist das Videospiel “Darksiders”: Das hätte ich ganz anders wahrgenommen, wenn ich den Roman vorher nicht gelesen hätte. Das Universum wird dadurch lebendiger.

Lena Falkenhagen: Ich habe den Eindruck, dass Tolkien hier ein wichtiger Türöffner war. Seine Trilogie “Herr der Ringe” hat gezeigt, wie groß ein Buch-Universum werden kann. Die Geschichten wurden verfilmt, die Soundtracks bekannt, Computerspiele entwickelt: Aus den Büchern wurde viel mehr als das, was Tolkien ursprünglich erdacht hat. Auch der Marvel-Kosmos eignet sich als Beispiel für den Trend zum Cross-Media-Storytelling. Die Konsumenten können daran teilhaben und es sich zu eigen machen.

Porträtfoto Boris Koch

Boris Koch

Die Idee, meinen Roman "Der Drachenflüsterer" live auf der devcom in ein Videospiel zu verwandeln, sollte eine Tür aufstoßen - was sie getan hat.

Boris Koch, Autor

Beim Workshop haben Sie auf offener Bühne ein Videospiel aus einer Buchvorlage entwickelt. Welche Learnings ziehen Sie daraus?

Nico Balleta: Wir wollten mit dem Format bewusst machen, wieviel Potential damit verbunden ist, eine Geschichte in ein anderes Medium zu übertragen. Und wir haben gesehen, wie unterschiedlich die Herangehensweise sein kann. Man muss zum Beispiel überlegen, welchen Charakter man als Protagonisten wählt oder welches Spielgenre man sinnvollerweise verwendet.

Boris Koch: Die Zeit war natürlich begrenzt. Trotzdem ist das Ganze am Ende rund geworden und wir haben positives Feedback erhalten. Die Idee sollte eine Tür aufstoßen - was sie getan hat.

Klaus Scherwinski: Das Ziel des Panels war, zum Nachdenken anzuregen. Das wurde erreicht. Man sollte die Kooperation weiterführen und mehr Meetings, Workshops und Talks in diese Richtung veranstalten.

Lena Falkenhagen: Gerade für die Buchbranche können solche Workshop-Formate spannend sein, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Spiele überhaupt entstehen. Deshalb fände ich es spannend, das Workshop-Format weiterzuführen und auch bei Veranstaltungen der Buchbranche anzubieten.

Porträtfoto Klaus Schwerwinski

Klaus Schwerwinski

Man sollte die Kooperation weiterführen und mehr Meetings, Workshops und Talks in diese Richtung veranstalten.

Klaus Scherwinski, Visual Development Artist und Storyboarder

Der Börsenverein möchte auch weiterhin den Austausch und die Netzwerkmöglichkeiten zwischen beiden Branchen ankurbeln. Werden wir Sie auf der Frankfurter Buchmesse begrüßen können?

Lena Falkenhagen: Immer! Ich fühle mich manchmal wie eine Art Botschafterin zwischen den Branchen, da ich in beiden arbeite. Dadurch merke ich auch, dass es Verständigungsschwierigkeiten und Vorurteile gibt. Geschichten in Games sind für Leute aus der Buchbranche oft eher flach, umgekehrt gilt die Buchbranche im Vergleich zur Gamesbranche als konservativ. Deshalb ist es so wichtig, sich zu begegnen und anzuerkennen, dass beide Seiten mit Geschichten arbeiten.

Nico Balleta: Die Messe würde mich auf jeden Fall interessieren und Frankfurt ist ja von Köln aus direkt ums Eck. Ich fände es schön, Veranstaltungen in beide Richtungen zu organisieren. Schließlich kann es für Mitarbeiter:innen der Buchbranche eine schöne Abwechslung sein, sich beispielsweise auch mal als Narrative Designer auszuprobieren.

Boris Koch: Ich war die letzten 20 auf jeder Frankfurter und auch auf jeder Leipziger Buchmesse. Und ich freue mich auch auf viele weitere!

Mehr über Nico Balletta

Porträtfoto Nico Balletta

Nico Balletta

  • Nico Balletta ist Head of Program bei der devcom GmbH
  • Er ist verantwortlich für das Konferenzprogramm und die Auswahl der Sprecher:innen, sowohl bei der devcom developer conference als auch bei diversen Summits zu spezifischen Fachbereichen.
  • Näheres: www.devcom.global

Mehr über Lena Falkenhagen

  • Lena Falkenhagen ist Professorin für Game Design
  • Für ihre Arbeit als Narrative Designerin (Erzählerin) für Computerspiele wurde sie mehrfach mit Deutschen Entwicklerpreisen und dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet.
  • Sie schreibt auch Romane und Hörbücher, u.a. für den Heyne Verlag und Audible Originals.
  • Näheres unter www.falkenhagen.de
Porträtfoto Lena Falkenhagen

Lena Falkenhagen

Mehr über Boris Koch

Porträtfoto Boris Koch

Boris Koch

  • Boris Koch ist ein leidenschaftlicher Erzähler. Er lebt als freier Autor in Leipzig.
  • Er schreibt Phantastisches wie Realistisches, für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
  • Für seine Werke wurde er mehrfach ausgezeichnet, ganz aktuell mit dem "Krefelder Preis für Fantastische Literatur 2023" für die Graphic Novel “Das Schiff der verlorenen Kinder 1” (SplitterVerlag, mit Zeichnerin Frauke Berger).
  • Näheres: www.boriskoch.de

Mehr über Klaus Scherwinski

  • Klaus Scherwinski ist freiberuflicher Storyboard-Künstler mit Sitz in Amsterdam.
  • Er hat an Filmsequenzen für Spiele wie Horizon Forbidden West, Hitman und Ryse: Son of Rome gearbeitet.
  • Seine 20-jährige Karriere in der Unterhaltungsindustrie umfasst alle Bereiche des visuellen Geschichtenerzählens: Konzeptkunst, Comics, Illustration und Storyboards!
  • Seine kreativen Einsichten teilt er in Masterclasses und auf seinem Instagram-Account @storyboardklaus.
  • Näheres: www.storyboardklaus.com
Porträtfoto Klaus Scherwinski

Klaus Scherwinski