"Killen Sie das Wörtchen 'nur' ..."
Die Arbeitsbedingungen von Auszubildenden und Volontär:innen wurden im Nachwuchsparlament unter die Lupe genommen: Fehlende Perspektiven stehen in direktem Bezug zum Fachkräftemangel.
Die Arbeitsbedingungen von Auszubildenden und Volontär:innen wurden im Nachwuchsparlament unter die Lupe genommen: Fehlende Perspektiven stehen in direktem Bezug zum Fachkräftemangel.
„Sie sind Teil eines Unternehmens, Sie prägen die Kultur mit – sagen Sie nicht ‚ich bin ja nur…‘ , nein, Ihre Stimme soll gehört werden, killen Sie bitte dieses Wörtchen ‚nur‘ …“, sagte Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs vor Beginn des Nachwuchsparlaments. „Wenn man die Frage ‚Warum macht Ihr das eigentlich so?“ nicht wirklich begründet beantworten kann, sollte man vielleicht etwas verändern.“
Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins, hatte zuvor Karin Schmidt-Friderichs als Förderin der Nachwuchsarbeit begrüßt – „ihr ist es zu verdanken, dass es dieses Format des Nachwuchsparlaments überhaupt gibt“. Ihr erstes Ehrenamt war der Vorsitz des Berufsbildungsausschusses, erinnerte sich Schmidt-Friderichs, „für mich hat es immer gelohnt, meine Zeit ehrenamtlich hier zu investieren, auch wenn es sich vielleicht nicht immer so angefühlt hat, aber diese Engagementzeit liegt zwischen bezahlter Zeit und Freizeit und es bringt persönlich etwas“, ermunterte sie die Parlamentarier, sich einzubringen.
„Das Herzstück dieser zwei Tage ist das Parlament, Ihr könnt alles sagen“, meinte Nachwuchssprecher Tobias Groß. Eines der großen Themen war der Fachkräftemangel, „es geht um grundlegende Dinge wie Kommunikation, Wertschätzung und Bezahlung – da kriegen die Vollzeitkräfte einen Inflationsausgleich und die Azubis kriegen kaum was oder nichts“, formulierte ein Parlamentarier. Noch immer werde mit Sprüchen wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ als Legitimation für „Ihr zählt nicht“ gearbeitet, bestätigten viele im Sitzungssaal am Mediacampus Frankfurt. „Es muss auch mal ankommen, dass mentale Gesundheit wichtig ist, meist sind das nur Lippenbekenntnisse – viele sind völlig überlastet und überarbeitet und man wird allein gelassen, Azubis werden zu oft als Feuerwehren eingesetzt und Personalmangel zu beheben“ fasste eine Parlamentarierin ihre Erfahrungen mit anderen aus den Pausengesprächen zusammen. „Sätze wie ‚Was, Du bist alleine in der Abteilung? Aber das darfst Du doch gar nicht‘ kennen viele zu gut – aber es werde nichts getan, diesen Zustand zu verändern. Keine Seltenheit offenbar, dass Ausbildung eingefordert wird und nicht „Einfach mal machen“.
Die Perspektivlosigkeit beschäftigt auch die Volontär:innen: „Volontariate sind Durchlauferhitzer, man kann nur darauf hoffen, dass irgendwo jemand schwanger wird und es eine Elternzeitvertretung gibt und dann gibt es eines Tages irgendwo eine andere Elternzeitvertretung. Feste Stellen werden kaum angeboten“, so zwei Parlamentarierinnen. Das System, so die Einschätzung des Parlaments, funktioniere nur deshalb, weil die Leute dafür brennen – „und sobald dann jemand in eine andere Branche geht, weil er eben die Miete bezahlen muss, reagieren die Verlage beleidigt“. Man merke zunehmend, dass immer weniger Nachwuchskräfte bereit seien, aber man habe den Eindruck, „dass Verlage es darauf anlegen, dass es irgendwann crasht“.
Für Studierende sieht es nicht unbedingt optimistischer aus: In einen Verlag hineinzukommen, sei äußerst schwierig, so Parlamentarierinnen. Viele Praktika würden verlangt, aber kaum welche angeboten: "Wenn ihr Praktika verlangt, dann bietet auch welche an!"
Am Sonntagnachmittag fanden bereist verschiedene Workshops statt. Bei „Customer im E-Commerce“ ging es mit Annabelle Spreckelsen-Hüchtmann (Senior Expert Brand Strategy bei Fressnapf) auf sehr anspruchsvollem Niveau um Fähigkeiten und Kenntnisse, um Konzepte wie Omnichannel-Strategien und Customer Journey Mapping im Arbeitsalltag praktisch umzusetzen. Ole Troitzsch, Junior Sales Consultant bei knk, gab in einem interaktiven Workshop Einblicke, wie die IT mit digitalen Tools den Arbeitsalltag verändert und wie man diese auch ohne umfangreiche Entwicklerkenntnisse nutzen kann; hier wurde eine App entwickelt.
Ein eigenes kleines Buchprojekt, bei dem die Haptik und die Verzahnung von Text, Illustration und ausgewählten Materialien im Vordergrund stand, konnten die Teilnehmer:innen mit Büchergilde-Gestalterin Clara Scheffler erarbeiten. Für viele sehr aufschlussreich war der Workshop zur digitalen Barrierefreiheit. Die blinde Geschäftsleiterin der Deutschen Blindenstudienanstalt, Andrea Katemann, und André Schlegl, Referent im Zentrum für Barrierefreiheit in Marburg, sensibilisierten für das Thema und erstellten Alternativtexte zu Abbildungen. Spielt hier bereits Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, so zeigte ein eigener Workshop mit Andrea Wolf vom Landesverband HRS, Veronika Mejerhof (dtv), Vivien Bender (Springer Nature), John Ruhrmann (Bookwire) und Steffen Maier (Digital Publishing Report), in welchen Bereichen es sinnvoll sein kann, Arbeiten auch von KI-Programmen erledigen zu lassen. Unter dem Stichwort „Charakter meets Karriere“ führte Eva Asselmann, Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie, aus, wie der Job unsere Persönlichkeit prägt. Am Abend dann ein Kickoff zu einer neuen Runde im Mentoringprogramm, in dem Branchenwissen und eigene Erfahrungen weitergegeben werden.
An eines der meistdiskutierten Themen des Nachwuchsparlaments am Vormittag anknüpfend, erfolgte am Nachmittag die Diskussion über die Problematik des Fachkräftemangels: Durch welche Strategien und Methoden kann man zukünftig gegen jenen Mangel steuern? Die Nachwuchskräfte teilten sich in vier Gruppen auf und sammelten voller Elan ihre Anregungen und Vorschläge. Nach halbstündigen hitzigen Diskussionen wurden die Ergebnisse im Plenum präsentiert und die Nachwuchskräfte kamen auf folgende Lösungsansätze:
Engagiert, mutig und voller Hoffnungen: Gemeinsam wurden unterschiedliche Ansätze ausdiskutiert und an die Nachwuchssprecher Florian Noitl und Tobias Groß weitergegeben. Die Nachwuchskräfte machten sich dabei für eine positive Zukunft der Buchbranche stark („Die Zukunft ist Buch“, stellte Tobias Groß prägnant heraus), forderten aber im Kern mehr Unterstützung und Wertschätzung seitens der Führungskräfte.