Erfindergeist: Was ist das beste Start-up? (Teil 2)
Wer hat das Zeug zum Start-up des Jahres 2020? Sechs junge Unternehmen stehen beim CONTENTshift-Accelerator im Finale – dem Förderprogramm der Börsenvereinsgruppe. Teil 2 der Start-up-Porträts.
Wer hat das Zeug zum Start-up des Jahres 2020? Sechs junge Unternehmen stehen beim CONTENTshift-Accelerator im Finale – dem Förderprogramm der Börsenvereinsgruppe. Teil 2 der Start-up-Porträts.
»Alinea« heißt die künstliche Intelligenz des Freiburger Start-ups Scriptbakery AI. Ihre Aufgabe ist es, Lektoren die Arbeit zu erleichtern und den Sichtungsprozess eingehender Manuskripte effizient und zielführend zu gestalten. »95 bis 99 Prozent aller Manuskripte werden nicht gelesen, Bestseller übersehen, Potenziale bleiben ungenutzt«, erklären die Freiburger das Problem. Deshalb hat Scriptbakery AI ein individuell auf Verlage zugeschnittenes Portal entwickelt, über das Autoren ihre Manuskripte einreichen können.
Auf den Punkt gebracht: Scriptbakery will höhere Treffsicherheit bei der Sichtung von Manuskripten bieten.
Dabei werden Manuskript-, Meta- und Autorendaten erfasst, Texte mithilfe von Modellen aus dem maschinellen Lernen sofort gelesen und analysiert. Diese Analyse wird mit dem bestehenden Verlagsprogramm beziehungsweise mit spezifischen Vorgaben abgeglichen und dem Lektorat zur Verfügung gestellt. »Alle Manuskripte und Analysen sind natürlich für die Lektorate jederzeit und von jedem Ort aus abrufbar«, erklärt Gründer Jonas Al-Nemri. Für Verlage bedeutet das: eine Menge Zeitersparnis bei mehr Treffsicherheit im Sichtungsprozess von Manuskripten.
Beim Start-up PlusPlural geht es um »Inklusion in beide Richtungen«. Christina Oskui, Autorin, Selfpublisherin und Social-Entrepreneurin, stellte im Rahmen einer Recherche fest, dass es wenig gute Bücher für blinde Kinder gibt. »Blindenkinderbücher sind ein Nischenprodukt mit geringer Auflage und hohen Kosten«, erklärt die Gründerin. Ihr Ziel ist es, ein gemeinsames barrierefreies Medium für blinde und sehende Kinder zu entwickeln – einen Hybrid aus Buch und taktilem Lernspielzeug. Die Produkte sollen den Spaß am Fühlen und am Lesen fördern und sind deshalb auch besonders gut für Kinder mit Leseschwäche geeignet.
Auf den Punkt gebracht: PlusPlural setzt auf neue Buchformate, die Kinder mit Handicap nicht ausschließen.
»Unsere Konzepte sind bewusst analog ausgerichtet. Das haptische Erleben, wie es beim Lesen eines Buchs stattfindet, ist digital nicht zu simulieren. Ein Buch ist dreidimensional, eine Seite Papier hat eine bestimmte Reibung, es gibt beim Blättern Geräusche von sich. Diese Werte möchten wir in unseren Produkten vermitteln und dafür sorgen, dass die Unterschiede zwischen digitalem und analogem Medium bewusster wahrgenommen werden können.« Gemeinsam mit Pascal Heußner arbeitet sie derzeit an einer Bücherbox, die sowohl Braille- als auch Normschrift und dreidimensionale Illustrationen umfasst und es allen Kindern ermöglicht, spielerisch mit dem geschriebenen Wort in Berührung zu kommen.
Frederic Geiger hat aus seiner Leidenschaft einen Beruf gemacht: Der Gründer des Start-ups Questlog liebt das Reisen und das Sammeln. Das von ihm hergestellte Produkt verbindet beides. »Questlogs« sind aus Holz gefertigte Aufbewahrungsboxen, die analoge und digitale Reise-Erinnerungen zusammenbringen. In dem liebevoll gestalteten Holzkästchen findet sich Platz für Andenken wie Postkarten oder Flugtickets. Kunden können die Questlogs mit ihrer Reiseroute individualisieren, aufhängen oder im Regal sammeln. »Questlogs sind ein sehr emotionales Produkt. Zielgruppe sind Menschen, die gern reisen und gleichzeitig eine nostalgische Ader haben. Sie mögen es, sich auch Jahre später noch an die Reisen zu erinnern und Andenken anzuschauen«, erklärt Geiger.
Auf den Punkt gebracht: Questlogs sind für alle gemacht, die gern reisen – und eine nostalgische Ader haben.
Bisher hat der Gründer 3 000 Questlogs verkauft. Pro Tag kann er drei bis fünf Boxen in seiner eigenen Werkstatt herstellen. Ziel ist es nun, die Produktion zu automatisieren und bei geringeren Kosten eine höhere Stückzahl herstellen zu können. Außerdem will Geiger seinem haptischen Produkt einen »digitalen Überbau« geben, damit auch schnell auf digitale Erinnerungen wie Fotos oder Videos zugegriffen werden kann. »Meine Umfrage hat ergeben, dass viele Menschen den Questlog als Geschenk kaufen – für Menschen zwischen Anfang 20 und 50. Die Zielgruppe ist also groß«, so Geiger.
Jurysprecherin Carmen Udina: "In diesem Jahr ist ein Start-up mehr als sonst im Finale. Die Qualität dieser sechs Finalisten war so hoch, dass sie alle in die letzte Runde gehören. Sie bilden gut die Bandbreite der Themen ab, die in diesem Jahr eingereicht wurden. Anders als in den letzten Jahren gibt es mit Questlog und PlusPlural auch innovative analoge Geschäftsideen, die die Jury begeistert haben. Wir freuen uns sehr, alle sechs Start-ups in den nächsten Monaten begleiten zu können."