Wenn man Reinhold Welina persönlich begegnete, war er vom ersten Moment an gewinnend. Zugewandt, neugierig, nicht nur an der Sache, sondern auch immer an den Menschen interessiert. Es war das Jahr 1992, in dem er nach meiner Initiativbewerbung beim Beuth Verlag eine Stelle für mich schaffte. In den folgenden Jahren begleitete und förderte er mich, bis ich 2003 schließlich selbst Geschäftsführerin wurde – mit 37 Jahren, als erste Frau in diesem technisch geprägten Umfeld. Reinhold Welina betrachtete meine Entwicklung mit Wohlwollen und blieb gleichzeitig kritisch mit durchaus patriarchalem Habitus. Heute würde man sagen: Er hat sich für Diversität eingesetzt. Damals war dieser Begriff noch nicht so gebräuchlich wie heute, aber sein Mindset hat bereits dazu gepasst.
Reinhold Welina war ein Menschenfreund, das wird jeder bestätigen, der ihn erleben durfte. Er liebte es, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, er war ein großer Netzwerker. In der ganzen Welt unterwegs, um den Gedanken der Normung weiterzutragen, genoss er die Begegnung mit Menschen aus vielen Ländern. Interkulturelle Kompetenz war für ihn nicht nur eine Anforderung in einem Stellenprofil, er lebte sie während seines ganzen Berufslebens.
Sein Engagement in verschiedenen Gremien des Börsenvereins, insbesondere als Sprecher der Fachpresse, entsprang zum einen dem tiefen Wunsch nach Austausch, zum anderen seiner Überzeugung, dass man gemeinsam mehr bewegen kann als allein – auch und insbesondere in der Politik, zu der er ebenfalls beste Beziehungen pflegte. Der Verband der Fachpresse als "seine" Interessenvertretung lag ihm besonders am Herzen. Seriöse Fachinformation adressatengerecht zu verpacken und so aufzubereiten wie es die Zielgruppe braucht, dieses Geschäft beherrschte er. Möglichst weit in die Wertschöpfungskette der Unternehmen vorzudringen und eine tiefe Bindung zu den Nutzern herzustellen, das war sein Antrieb. Ohne den Begriff Community Building je zu benutzen, war er ihr Wegbereiter.
Wenn ich an Reinhold Welina denke, sehe ich einen Menschen mit großer Lebensfreude vor mir. Oft genug endeten lange Arbeitstage an der Bar: Unvergessen die Kongresse der Deutschen Fachpresse in Wiesbaden, wo es in der Regel schon hell wurde, wenn man aus dem legendären Nassauer Hof kam. Und trotzdem eröffnete er wenig später wieder professionell den zweiten Kongresstag – durchhalten konnte er!
In seinen letzten Lebensjahren hat er krankheitsbedingt leider deutlich an Lebensqualität eingebüßt. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, noch an den jährlichen DIN-Veranstaltungen teilzunehmen und seine Nachfolger wohlwollend-kritisch zu beobachten. Dort wird er nun fehlen.
Neben seiner Lebensfreude und seiner Netzwerkfähigkeit hat er mich noch eines gelehrt: Respekt vor den Menschen. Er grüßte den Hotelboy mit gleicher herzlicher Freundlichkeit wie die Bundeskanzlerin. Er übersah niemanden. Als in der DIN-Gruppe ein altgedienter Empfangsmitarbeiter in den Ruhestand ging, ließ er die Beuth-Band aufspielen und ihn mit großem Bahnhof und viel Emotion verabschieden. Und vielleicht ist das die wichtigste Botschaft, die er uns hinterlässt: Alle Menschen mit gleichem Respekt zu behandeln.
Danke, lieber Reinhold Welina, für alles was wir von Ihnen lernen durften, das hält Sie als Vorbild für uns lebendig.