Börsenverein

Dritter Besuch in Brüssel

4. Juni 2024
Redaktion Börsenblatt

Vom 12. bis 14. Mai fand das Young Publishing Professionals Programm zum dritten Mail in Brüssel statt. Die drei deutschen Teilnehmerinnen Nora Dutz (Emons Verlag), Lena Stöneberg (Aufbau Verlage) und Maria Kimmel (Verlagsgruppe Droemer Knaur) berichten hier von ihren Erlebnissen. Außerdem finden Sie hier Anna Yefimenkos Rede zu den aktuellen Entwicklungen auf dem ukrainischen Buchmarkt.

Young Publishing Professionals in Brüssel 2024

Das Young Publishing Professions Programm fand vom 12. bis 14. Mai zum dritten Mal in Brüssel statt. Auf Einladung von FEP und kofinanziert durch das EU-Förderprogramm AldusUP sind 21 junge Verlagsmenschen aus ganz Europa zusammengekommen, um sich kennenzulernen, sich über die drängenden Themen der Zeit auszutauschen, über den Tellerrand der eigenen Länder zu gucken und nicht zuletzt die Institutionen der EU zu besuchen und sich über die Arbeit des Dachverbandes FEP zu informieren.

 

Maria Kimmel, Lena Stöneberg, Nora Dutz und Kristina Kramer (stellv. Direktorin europäische und internationale Angelegenheiten)

Das sind die Eindrücke der deutschen Teilnehmerinnen:

Nora Dutz, Emons Verlag

Meine wichtigste Erkenntnis: 

Dass ich kennenlernen konnte, wie die unterschiedlichen Institutionen der EU aufgebaut sind und zusammenwirken. Die Vorträge zum Funktionieren der EU wurden dann durch den Besuch des Europäischen Parlaments abgerundet. Dort haben wir zudem Einblick in die Arbeit des Dolmetsch- und Konferenzdienstes (DG LINC) erhalten. Die Möglichkeit, selbst einmal in eine Kabine zu gehen und zu dolmetschen, hat uns allen nicht nur gezeigt, wie schwer, sondern auch, wie unheimlich wichtig diese Arbeit ist. Denn durch die Simultanverdolmetschung wird die Kommunikation und das Funktionieren des Parlaments überhaupt erst möglich gemacht. Dieser Besuch war für mich das Herzstück der Tage in Brüssel.

 

Meine schönste Begegnung: 

Tatsächlich die Begegnung mit den anderen Young Publishing Professionals. Ganz besonders die Unterhaltungen mit Anna aus der Ukraine waren nicht nur inspirierend, sondern auch augenöffnend. Die Gespräche und auch ihre Rede am letzten Programmtag haben gezeigt, wie wichtig offene Diskurse über die Geschehnisse in der Ukraine und den Angriffskrieg Russlands sind. Sie hat uns einen Einblick in die dortige Arbeit gegeben, die trotz des fortwährenden Ausnahmezustandes weitergeht und für die Gesellschaft wichtiger denn je geworden ist. Es hat mir auch nochmal die Verantwortung deutlich gemacht, die unter anderem wir als Young Publishing Professionals tragen, um die wichtigsten Werte der Demokratie zu sichern: Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Vielfalt. 

 

Lena Stöneberg, Aufbau Verlage

Ihre wichtigste Erkenntnis.

Wir sind so viel stärker mit vereinten Kräften! - Die Buchbranche endet nicht vor den Alpen oder der Ostsee, wir können voneinander lernen, Herausforderungen der Zeit gemeinsam angehen und unsere faszinierendsten literarischen Stimmen miteinander teilen. Buchmenschen sind überall auf der Welt so begeisterungsfähige, resiliente, herzliche Menschen, und Gelegenheiten wie das YPPiB-Programm oder auch Messen und Fellowships, bei denen wir über die Ländergrenzen hinaus zusammenzukommen, sind unwahrscheinlich bereichernd und so notwendig!


Ihre schönste Begegnung:

Benjamin, der für mehrere MEPs (Members of the European Parliament) und in einer Kulturförderungsgruppe arbeitet und mir beim Abendessen den Roman gepitcht hat, an dem er gerade privat schreibt.
Ester und Claudia, zwei italienische Lektorinnen, mit denen man herrlich angeregt über Feminismus, Arbeitsbedingungen und Strukturen der Verlagsbranche und Lieblingsbücher sprechend kann!
Domenico La Magna und Kristina Kramer, die vom FEP bzw. dem Börsenverein das YPPiB-Programm maßgeblich auf den Weg gebracht und liebevoll und mit einer erstaunlichen Energie umgesetzt haben. 1000 Dank dafür!

 

Maria Kimmel, Verlagsgruppe Droemer Knaur

Ihre wichtigste Erkenntnis:

Am spannendsten war es, sich über die aktuellen Herausforderungen für junge Menschen in der Buchbranche in ganz Europa auszutauschen und Themen wie den Rechtsruck und den Umgang mit KI zu diskutieren. Dabei haben sich schnell viele Gemeinsamkeiten und auch einige Unterschiede herauskristallisiert; grundsätzlich hat sich aber gezeigt, dass wir alle mit sehr ähnlichen Problemen kämpfen, wie hilfreich es ist, sich darüber auch über Ländergrenzen hinweg auszutauschen und gemeinsam über Lösungen nachzudenken - und wie wichtig Dachverbände wie FEP dafür sind. Der Austausch war energetisierend und inspirierend, wir sind jetzt miteinander vernetzt und planen, uns nach Möglichkeit zum Beispiel auf der Frankfurter Buchmesse wiederzusehen, die Diskussionen weiterzuführen und uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. 

Ihre schönste Begegnung:

Insgesamt war es einfach toll, so viele junge Publishing Professionals und die Mitglieder des FEP kennenzulernen und die Zeit in Brüssel zu nutzen, um sich gegenseitig alle möglichen Fragen zu stellen, zu diskutieren und zu erfahren, wie die Situation im jeweiligen Land und in der nationalen Verlagslandschaft derzeit ist. Ganz besonders habe ich mich darüber gefreut, Lena wiederzutreffen, die ich schon von einem Praktikum kannte, aber danach völlig aus den Augen verloren hatte - das war ein echt guter Zufall, dass wir uns in Brüssel wiedergetroffen haben!

 

Anna Yefimenko, Chief Marketing Officer, Ranok Publishing House

Rede von Anna Yefimenko, Chief Marketing Officer, Ranok Publishing House, Ukraine am 14. Mai 2024 in Brüssel

Mit dabei war auch Anna Yefimenko, Chief Marketing Officer, Ranok Publishing House, aus der Ukraine, die durch das Julián Viñuales Stipendium der FEP am Programm teilnehmen konnte. Sie berichtete von den aktuellen Entwicklungen in der ukrainischen Buchbranche. Hier ihre Rede in voller Länger:

I am excited to see everyone today. It's truly incredible to have so many distinguished experts gathered in one place—what an impressive audience! Today, I have the honor of sharing trends within the publishing industry in Ukraine. While preparing for this speech, I was reminded of the Dutch stand-up comedian Fedor Ikelaar, who visited Ukraine a year ago and later shared his impressions through his comedy. What surprised him the most in Ukraine was that bars and restaurants were still open, and delivery was still delivering. He humorously noted, 'Let me remind you, in the Netherlands, our trains stop when it snows.’

I am curious to know how accurate the story is about the capriciousness of the Dutch railway. However, it is entirely true about Ukraine. Our people continue their lives as usual as far as circumstances allow. Daily routines are pretty similar to what you might observe every day in your cities but with some special effects in the form of shelling. Ukrainians keep pets, sometimes right in the trenches. Every morning, they rush to work before the air raid alarm starts. And on the way, they might grab fragrant coffee from their favorite coffee shop. And in the evening, they read books to children, nestled in a secure place two walls away from windows.

Since the beginning of the full-scale invasion, reading books in the Ukrainian language has become a genuine passion among Ukrainians. Soldiers on the front lines, children in schools, young people in coffee shops, and the elderly—everyone reads. Research conducted by the Ukrainian Institute of Books in October 2023 revealed that 17% of surveyed Ukrainians read daily. This is double the rate of 2020, before the war. People follow foreign and domestic book market updates, attend book events, and are significantly engaged in the book publishing process.

Consequently, the Ukrainian book publishing industry is actively growing and enhancing, sometimes seemingly due to, but not despite, the very challenges it faces. Just two weeks ago, Kyiv hosted the largest book festival in the last five years, drawing an impressive crowd of 65 thousand people eager to explore the latest book offerings. And this is not an isolated success. Right after this event, I will lead our publishing house 'Ranok' to participate in another major fest, 'Book Arsenal' in Kyiv. Our team is excited to unveil 'READBERRY', our new imprint dedicated to publishing books for young adults—the first of its kind in Ukraine.

Ukrainian young people really love reading. It’s become such a popular social trend that lots of new bookstore-cafés are popping up all over. These places are more than just bookstores; they're cool spots where people hang out, meet friends, or even go on dates.

Let me share a bit about our publishing house. Ranok is one of the largest in Ukraine publishers. We are based in Kharkiv—a city on the front lines that faces daily challenges like shelling, blackouts, and damage to infrastructure. Despite these hardships, we keep working. From the war’s start, we've turned our premises into shelters to protect the residents of Kharkiv. We’ve also helped evacuate orphanages and hospitals. We organize charity events to support Ukrainian refugees, libraries, and printing houses hit by enemy attacks. This is what we do in Ukrainian society—we work hard and support those in need.

At the same time, we keep publishing books because Ukrainians really need them. One in three school students in Ukraine uses textbooks from our publishing house. We publish many books, from novels and Netflix adaptations to fantasy and comics. These books offer readers a chance to escape into a cozy and safe world, away from the harsh realities outside.

Our publishing house covers works on complex issues like geopolitics, as well as Ukrainian classics, world bestsellers, and books about our history, culture, and contemporary life. We also support debut books by Ukrainian writers and offer translations from global authors. We do all this to ensure that Ukrainian society remains an integral part of the European cultural space, founded on shared values.

Oscar Wilde once said that the tragedy of old age is not that one gets old but that one remains young at heart. The same can be said about war. While it changes the external landscape, leaving scary scars on cities and people, it doesn't alter the essence of who we are. Ukrainians remain true to their European identity. We're people just like you. We speak English with an accent. We enjoy our morning coffee. We love our children. We protect what matters to us, and yes... we read books.