Marktanteil des Sortiments minimal unter Vorjahr

Die offiziellen Zahlen für den Buchmarkt 2023 sind da

4. Juli 2024
von Christina Schulte

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist schwierig, dennoch konnte sich die Buchbranche im Jahr 2023 behaupten. Das zeigen die Zahlen, die der Börsenverein bei seiner Wirtschaftspressekonferenz am 4. Juli präsentiert hat. Im Frankfurter Haus des Buches wurden detaillierte Einblicke in den Buchmarkt 2023 gewährt - und Bilanz für das erste Halbjahr 2024 gezogen.

Standen den Journalisten Rede und Antwort: Presseprecher Thomas Koch und Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff.

Laut Verband ist der Gesamtumsatz der Branche 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent gestiegen. Gleichzeitig bekämen auch Verlage und Buchhandel Konsumflaute, Inflation und anhaltend hohe Kosten zu spüren. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, bilanzierte: "Bücher sind nach wie vor relevant und gefragt – als Kompass in einer komplexen Welt, Grundlage für die eigene Meinungsbildung und als kreative Freizeitbeschäftigung. Während bislang eher die ältere Zielgruppe als die sichere Bank des Buchmarkts galt, beflügelten aktuell die jungen Leser*innen das Buchgeschäft.

Der Buchmarkt steht in wirtschaftlich schwierigen Zeiten im Ganzen gut da. Bücher sind nach wie vor relevant und gefragt.

Karin Schmidt-Friderichs

Karin Schmidt-Friderichs

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, konstatierte: "Trotz der positiven Gesamtbilanz macht die allgemeine Wirtschaftslage Buchhandlungen, Verlagen und Branchenlogistik zu schaffen. Wie der gesamte Einzelhandel bemerkt auch der Buchhandel das schwächelnde Konsumklima. Die Absätze sind insgesamt rückläufig und weiterhin auch die Zahl der Käufer*innen. Nach wie vor kommen weniger Passanten in die Innenstädte und damit in die Läden als vor einigen Jahren. Eine gewisse Vorsicht sieht man auch in der Titelproduktion. Verlage planen angesichts nicht abreißender Krisen ihre Programme verhaltener."

Peter Kraus vom Cleff

Trotz der positiven Gesamtbilanz macht die allgemeine Wirtschaftslage Buchhandlungen, Verlagen und Branchenlogistik zu schaffen.

Peter Kraus vom Cleff

Die Zahlen 2023 im Überblick

Die Branche erwirtschaftete 2023 einen Gesamtumsatz von 9,71 Milliarden Euro (2022: 9,44 Milliarden Euro).

Marktanteil des Sortiments geht minimal zurück

Sowohl der stationäre Buchhandel, nach wie vor größter Vertriebsweg für Bücher, als auch der Online-Buchhandel legten im Vergleich zum Vorjahr zu. Der Umsatz vor Ort stieg im Vergleich zu 2022 um 2,6 Prozent auf 4,05 Milliarden Euro; damit hat der Sortimentsbuchhandel (ohne E-Commerce) einen Anteil von 41,8 Prozent am gesamten Branchenumsatz. Das Online-Geschäft mit Büchern, bei dem etwa die Hälfte auf die Shops der stationären Buchhandlungen entfällt, stieg nach einem Rückgang 2022 im Jahr 2023 wieder um 5,5 Prozent auf 2,40 Milliarden Euro an. Der Umsatzanteil des Internetbuchhandels am Gesamtmarkt lag 2023 bei 24,8 Prozent. Im Fünfjahresvergleich profitiert das Geschäft im Netz deutlich vom Anschub aus der Pandemie-Zeit: Im Vergleich zu 2019 wurde im vergangenen Jahr online 29,5 Prozent mehr umgesetzt, im Sortimentsbuchhandel im selben Zeitraum 5,5 Prozent weniger.

Belletristik und Kinder- und Jugendbücher als Treiber

Für das insgesamt positive Umsatzergebnis verantwortlich sind vier Warengruppen: allen voran das mit 35,5 Prozent Umsatzanteil größte Segment, die Belletristik. Diese verzeichnet 2023 im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzzuwachs von 7,7 Prozent. Kinder- und Jugendbücher steigerten ihren Umsatz um 2,5 Prozent, der Bereich Schule und Lernen um 5,0 Prozent und das Sachbuch um 2,7 Prozent. Über die letzten 5 Jahre konnten vor allem die Belletristik (+17,0 Prozent) und Kinder- und Jugendbücher (+8,6 Prozent) zulegen. In diese Warengruppen fallen auch die Young- und New-Adult-Titel, die bei der jungen Zielgruppe stark nachgefragt sind. Die Belletristik ist auch die einzige Warengruppe, bei der der Absatz gestiegen ist, und zwar im Vergleich zu 2022 um 1,1 Prozent, zu 2019 um 2,9 Prozent.

E-Book-Geschäft entwickelt sich stabil

Das Geschäft mit E-Books pendelt sich seit dem vorübergehenden Anstieg in der Pandemie auf stabilem, aber eher niedrigem Niveau ein. Die Zahl der Käufer*innen digitaler Bücher auf dem Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) bewegt sich mit 3,0 Millionen Menschen auf demselben Stand wie 2022, der Umsatzanteil bleibt mit 6,1 Prozent nahezu unverändert (2022: 6,0 Prozent). Der Umsatz zog nach einem leichten Rückgang im Vorjahr 2023 wieder an (+5,2 Prozent). 

Digitale Hörbücher auf Erfolgskurs

Viel Bewegung zeigt sich auf dem Hörbuchmarkt. Hier stiegen die Umsätze im Vergleich zu 2019 um 39,4 Prozent, zuletzt von 2022 auf 2023 um 3,1 Prozent. Wachstumstreiber ist das digitale Geschäft: 3,4 Millionen Menschen kauften 2023 digitale Hörbücher, 2019 waren es noch 1,8 Millionen. Nur noch 9,8 Prozent des Audio-Umsatzes wird mit Hörbüchern auf CD gemacht, 48,8 Prozent entfallen auf Downloads, 41,4 Prozent auf Streaming. Letzteres hat seit 2019 am stärksten an Umsätzen gewonnen, nämlich um 190,6 Prozent. Downloads haben im selben Zeitraum um 64,6 Prozent zugelegt, Hörbuch-CDs 64,9 Prozent verloren.

Käuferschwund hält an

Die Zahl der Buchkäufer*innen ging 2023 weiter zurück, wenn auch weniger stark als in den beiden Vorjahren: Rund 25,0 Millionen Menschen erwarben Bücher, das sind 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr (2022: -5,2 Prozent, 2021: -3,9 Prozent). Bei der jungen Zielgruppe zeigt sich allerdings ein positiver Trend. Bei den 10- bis 15-Jährigen nimmt die Zahl der Käufer*innen zu: von 2022 auf 2023 um 3,9 Prozent, von 2021 auf 2022 um 2,6 Prozent, von 2020 auf 2021 um 13,1 Prozent. Blickt man auf die Ausgaben von der und für die junge Zielgruppe bis 19 Jahren (Selbstkäufe und geschenkte Bücher), sieht man noch deutlichere Zuwächse: Bei Lesenden bis 19 Jahren steigen die Ausgaben innerhalb von fünf Jahren um 32 Prozent, bei den 13- bis 15-jährigen sogar um 65 Prozent und bei den 16- bis 19-jährigen um 77 Prozent. Rund ein Drittel der jungen Lesenden wird über Social-Media-Kanäle auf neue Bücher aufmerksam.

"Auch angeregt durch Buchempfehlungen in Social Media wie #BookTok sind Bücher bei jungen Menschen hoch im Kurs. Buchhandlungen und Verlage stellen sich bei Programm, Sortimentsplanung und -präsentation auf die Bedürfnisse der jungen Leser*innen ein. Viele sind selbst auf Social Media aktiv und nutzen diese Kanäle", so Karin Schmidt-Friderichs.
 

Lesekompetenz stärken

Die Buchbegeisterung der jungen Lesenden dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein massives Defizit in der Lesekompetenz bestehe, das immer größer werde, führte Schmidt-Friderichs aus: "Während ein Teil der jungen Menschen mehr liest, wächst der Anteil derer, die gar nicht erst den Zugang zu Büchern finden, weil sie nicht sinnentnehmend lesen können. Politik und Zivilgesellschaft müssen hier dringend gemeinsam nach Strategien suchen, um die Bildungssituation in Deutschland zu verbessern. Initiativen wie der KulturPass für 18-Jährige, den die Kulturstaatsministerin im vergangenen Jahr an den Start gebracht hat, haben sich als effektiv erwiesen. Bücher sind mit Abstand das beliebteste Angebot für die jungen Erwachsenen." Der KulturPass solle trotz angespannter Haushaltslage unbedingt im kommenden Jahr erhalten bleiben und das Budget nach der Halbierung auf 100 Euro in diesem Jahr wieder auf 200 Euro aufgestockt werden, fordert die Vorsteherin.

Eine Veränderung deutet sich bei der Lesesozialisation an: Während das Vorleseritual durch die Eltern oder Großeltern für 77 Prozent der heute 20- bis 29-jährigen Lesenden dazu beigetragen hat, sie fürs Lesen zu begeistern, sind es bei den heute 10- bis 15-jährigen Lesenden nur noch 67 Prozent. Parallel nimmt die Bedeutung des Lesens in der Schule für die Buchbegeisterung zu. Unter den heute 10- bis 15-Jährigen ist die Schule bei 70 Prozent ein Auslöser, unter den heute 20- bis 29-Jährigen war dies bei 60 Prozent der Fall.

Weniger Erstauflagen

Die Zahl der Erstauflagen der Verlage geht weiter zurück, nachdem sie aufgrund der Krisen-Unsicherheit 2021 bereits deutlich gesunken war und sich 2022 dann auf diesem niedrigeren Niveau stabilisiert hatte. Sie nahm nun von 64.278 (2022) auf 60.230 (2023) ab.

Zahl der Übersetzungen sinkt

Analog dazu ging die Anzahl der Übersetzungen ebenfalls zurück, von 9.403 Titeln auf 8.760 Titel. Der Anteil übersetzter Titel an allen Neuerscheinungen blieb mit 14,5 Prozent dabei in etwa auf Vorjahresniveau (2022: 14,6 Prozent).

Lizenzverkauf fällt geringer aus

Der Lizenzverkauf hatte 2022 einen deutlichen Rückgang erfahren (-14,4 Prozent). 2023 ging die Zahl der ins Ausland verkauften Buchrechte deutscher Verlage mit minus 1,9 Prozent weiter leicht auf 6.527 Verträge zurück. Nach wie vor spiegelt sich die weltpolitische Lage in dieser Entwicklung wider. Russland, an das 2019 noch 608 Lizenzen verkauft wurden, liegt 2023 nur noch bei 368. China ist zwar nach wie vor größter Abnehmer deutscher Buchrechte, die Zahl der verkauften Lizenzen nahm aber in den vergangenen fünf Jahren von 1.363 auf 754 ab. Einen deutlichen Anstieg verzeichnen hingegen Lizenzverkäufe in die Ukraine: von 91 im Jahr 2022 auf 317 im Jahr 2023. Im Mittelpunkt steht hier das Kinder- und Jugendbuch mit 256 Lizenzen.

Halbjahresbilanz

Nach den ersten sechs Monaten verzeichnet der Buchmarkt in den zentralen Vertriebswegen ein Umsatzplus von 1,2 Prozent gegenüber demselben Zeitraum 2023. Der Absatz liegt mit 1,6 Prozent im Rückstand, die von den Käufer*innen bezahlten Preise stiegen um 2,8 Prozent. Die Zuwächse in der Belletristik und bei den Kinder- und Jugendbüchern setzen sich auch im laufenden Jahr fort: Belletristische Titel erzielten im ersten Halbjahr 2024 4,2 Prozent, Kinder- und Jugendbücher 4,8 Prozent mehr Umsatz als im selben Zeitraum des Vorjahres.

Strukturelle Verlagsförderung und öffentliche Präsenz für Bücher

Auch wenn die Zahlen im ersten Halbjahr im Plus liegen: Sorge macht dem Verband der Erhalt der Vielfalt auf dem Buchmarkt. Peter Kraus vom Cleff: "Vom Young- und New-Adult-Boom profitieren nicht alle Verlage und Buchhandlungen gleichermaßen. Gerade die kleinen, unabhängigen Verlage mit ihren Programmen abseits des Mainstreams haben wirtschaftlich stark zu kämpfen. Sie benötigen dringend eine strukturelle Förderung, wie sie bereits im Koalitionsvertrag angedacht ist. Zudem beobachten wir, dass der Bürokratieaufwand durch Verordnungen und andere gesetzgeberische Eingriffe weiter zunimmt, was auch alle Unternehmen in unserer Branche vor große Herausforderungen stellt." 

"Wie sollen Buchhandlungen und Verlage weiter ihre wichtige Rolle für Kultur und Gesellschaft übernehmen, wenn sie mit Nachweis- und Berichtspflichten, z.B. zu Lieferketten, Produktsicherheit und Verpackungswegen, blockiert werden?", fragt der Hauptgeschäftsführer. Darüber hinaus benötigten Bücher öffentliche Präsenz in den Medien, um in der großen Medienkonkurrenz nicht unterzugehen. Das kontinuierliche Verschwinden von Literatursendungen gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefährde die Sichtbarkeit der Vielfalt der Buchlandschaft. "Unser dringender Appell an die Rundfunkverantwortlichen: Lassen Sie die Literatur bei den anstehenden Reformen nicht unter den Tisch fallen!“

Noch mehr Marktdaten finden Sie unter www.boersenverein.de/buchmarkt  und ab August in der neuen Ausgabe von "Buch und Buchhandel in Zahlen".