In den nächsten Tagen erscheint im Carl Hanser Verlag mit »Frieden ist die einzige Option« (übersetzt von Anne Birkenhauer und Helene Seidler) ein schmaler Band mit Texten, die David Grossman in den letzten Jahren geschrieben hat. Es beginnt mit seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz, die er 2017 gehalten hat – Ergebnis des Versuchs einer Kooperation zwischen dem Friedenspreis und der Sicherheitskonferenz, die wir letztlich aufgegeben haben, weil sich Politik und Militär – anders als erhofft – nicht auf einen literarischen Kassandra-Blick auf die Konflikte in der Welt haben einlassen wollen.
»Diese Jahre sind vielleicht die letzten, in denen es noch möglich erscheint, ein Abkommen auszuhandeln, das beiden Seiten Sicherheit, Souveränität und Frieden beschert. Die Lage wird von Tag zu Tag explosiver. In der zurzeit vor Ort herrschenden Wirklichkeit werden die Palästinenser niemals eine volle Unabhängigkeit erlangen, und der Staat Israel ist dabei, eigenhändig das Wunder zu zerstören, dem er sein Entstehen als Heimstatt des jüdischen Volkes und als Demokratie verdankt.«
Höhepunkt des Buches aber ist die Trauerrede für die Terroropfer, die er am 16. November 2023 in Tel Aviv gehalten hat, aus der unkommentiert hier zwei Abschnitte wiedergegeben werden:
»Von jetzt an wird alles – oder fast alles – mit Schmerz beladen sein, wird alles Erleben binär werden: Null oder Eins. Sein oder Nichtsein. Tief im Inneren werden wir ihrer gedenken, der geliebten Verlorenen. Aber wir werden sie nicht erstarren lassen. Erstarren, Versteinerung bedeutet Tod, in der Bewegung aber liegt Leben.
Wir werden uns an ihre Gesichter erinnern, an ihr Mienenspiel, an ihre Freudenbekundungen, an den lebendigen Fluss ihrer Bewegungen, an ihr Lachen, an ihr Leid. An ihre Stimmen, an das Blitzen ihrer Augen. An Menschen und Dinge, die sie wertzuschätzen wussten. […]
Die Zukunft hält für uns alle schwere Prüfungen bereit. Einige bestehen wir bereits heute. Das zeigt sich in den Manifestationen wunderbarer, kreativer Staatsbürgerschaft. In der mitreißenden Solidarität. In der massiven zivilen Mobilmachung, mit der die Bevölkerung zu reparieren versucht, was die Regierung zerbrochen hat.
Trotz allem, was geschehen ist, steigt in uns die Ahnung auf, es könnte nun möglich sein, zum zweiten Mal einen neuen Staat aufzubauen – gemeinsam mit euch, den Bewohnern der Städte und Gemeinden, der Kibbuzim und Moschawim. Mit euch, eurer Kraft, eurem Mut könnte uns ein ganz neuer Anfang gelingen.«