Belarus zieht "1984" aus dem Verkehr

Börsenverein verurteilt Verhaftungen und Verkaufsverbote

25. Mai 2022
Redaktion Börsenblatt

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels fordert die sofortige Freilassung des Verlegers Andrej Januschkiewitsch und der Literatur-Bloggerin Anastasija Karnackaja in Belarus. Weiter "das Ende des Verbots und der Zensur von Büchern."

Neue beunruhigende Meldungen kommen aus der belarusischen Buchbranche, so der Börsenverein: Der Buchhändler und Verleger Andrej Januschkiewitsch sowie die Literatur-Bloggerin Anastasija Karnackaja wurden in Minsk verhaftet. Medienberichten zufolge hat die Polizei in der vergangenen Woche die neu eröffnete Buchhandlung Januschkiewitschs durchsucht, zweihundert Bücher beschlagnahmt und die Schließung des Ladens angeordnet. Unter den Büchern befand sich auch die 2020 von Januschkiewitsch neu aufgelegte belarusische Ausgabe von George Orwells "1984". Orwells Klassiker darf seit dem 19. Mai 2022 in Belarus nicht mehr verkauft werden.

"Wir fordern die sofortige Freilassuung"

"Wir fordern von den belarusischen Behörden die sofortige Freilassung von Januschkiewitsch und Karnackaja und allen politischen Gefangenen, die sich für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Wir fordern die Wiedereröffnung der durch das Regime aufgelösten Autorenverbände PEN Belarus und der Union der belarusischen Schriftsteller sowie das Ende des Verbots und der Zensur von Büchern", sagt Michael Lemling, Co-Sprecher der IG Meinungsfreiheit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Dem Verlag von Andrej Januschkiewitsch waren bereits im März 2022 die Räume gekündigt worden, mutmaßlich aus dem Grund, weil er belarusisch-sprachige Bücher verlegt. Sicherheitsbehörden in Belarus haben insbesondere belarusische Bücher im Blick, da die Sprache als Idiom des Protests gilt, so der Börsenverein.

Seit der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos im Jahr 2020 hat sich die Lage von Kultur- und Medienschaffenden in Belarus weiter verschärft. Die Entführung und Verhaftung des Bloggers Roman Protasewitsch und seiner Freundin Sofia Sapega hatte im Mai 2021 weltweit große Empörung ausgelöst. Der Börsenverein hatte mit Partnern eine Petition für ihre Freilassung gestartet. 

Die IG Meinungsfreiheit des Börsenvereins setzt sich international für die Freiheit des Wortes ein. Aktionen wie die jährlich stattfindenden Woche der Meinungsfreiheit bestärken die Wichtigkeit des demokratischen Grundrechts.

Internationale Verbände protestieren ebenfalls

Auch der Internationale Verlegerverband IPA, der Europäische Verlegerverband FEP und der Europäische und Internationale Buchhändlerverband EIBF zeigen sich äußerst besorgt über die Berichte von RadioFreeEurope über die Verhaftungen von Andrej Januschkewitsch und seiner Mitarbeiterin Nasta Karnatskaja am 16. Mai.

Kristenn Einarsson, Vorsitzender des IPA-Ausschusses für Verlagsfreiheit, sagt: "Wir haben unabhängige belarussische Verleger in die Auswahlliste des IPA Prix Voltaire 2021 aufgenommen. Wir wissen, dass Verlagswesen und der Buchhandel in Belarus derzeit sehr schwierig sind und Vorfälle wie dieser zweifellos zu einer Selbstzensur seitens der Autoren, Verleger und Buchhändler führen werden. Wir bieten all jenen Verlegern in Belarus, die frei veröffentlichen wollen, weiterhin unsere Unterstützung an."
 
EIBF-Ko-Präsident Jean-Luc Treutenaere ergänzt: "Wir fordern die uneingeschränkte Achtung der Freiheit, Bücher zu veröffentlichen und zu verkaufen, und wir stehen fest an der Seite der belarussischen, europäischen und internationalen Verlagsgemeinschaft gegen jede Form der Zensur des geschriebenen Wortes."

Und Peter Kraus vom Kleff, Präsident des Europäischen Verlegerverbandes und Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, erklärt: "George Orwells Buch '1984' prangert Totalitarismus und Massenüberwachung an. Dies sind Themen, die zusammen mit der Rolle der Wahrheit und der Fakten in der Politik und der Art und Weise, wie sie manipuliert werden, eine stärkere Berücksichtigung durch die Politiker und die Gesellschaft insgesamt erfordern. Kein Buch, vielleicht gerade dieses, sollte jemals verboten werden. Die Freiheit, Bücher zu veröffentlichen und zu verkaufen, ist von zentraler Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft."