Buchtrailer zur Primetime kurz vor der ARD-Tagesschau um 20 Uhr, ganzseitige Anzeigen in Tageszeitungen (von Roßmann selbst finanziert?), zahlreiche Termine auf der Frankfurter Buchmesse: Für "Der Zorn des Oktopus" (Lübbe; ET: 18. Oktober) gab es Werbung satt – kein Wunder, dass sich der Titel von Dirk Roßmann und Ralf Hoppe (seine Website) sofort an die Spitze unserer Belletristik-Charts (Hardcover) katapultierte. Es ist der Folgeband von "Der neunte Arm des Oktopus" (Lübbe; ET: November 2020), mit dem Roßmann Platz 5 in unseren Jahrescharts 2020 Belletristik (HC) belegen konnte. Thema Klimawandel: "Der Zorn. des Oktopus" spielt im Jahr 2029, die Klimakatastrophe ist da und die Menschheit kämpft ums Überleben – reale Personen werden eingebaut, wie etwa Kamala Harris als dann 47. Präsidentin der USA ("Wir wollten möglichst dicht an der Wahrheit sein", so Roßmann).
Simon Decot, Vorstand von Bastei Lübbe, sagt auf Anfrage: "Die beiden Autoren haben sich ganz ohne unser Zutun gefunden. Unsere Erstauflage betrug 200.000 Exemplare und wir haben bereits zweimal nachgedruckt. Der Besuch der Autoren auf der Frankfurter Buchmesse mit den Interviews, Panels und Blogger-Meetings werden sicher auch zur weiteren Nachfrage beitragen." Das Buch wir im Buchhandel und, ein wichtiger Aspekt, den Filialen der Rossmann-Drogerien verkauft.
Obwohl die mit vielen Terminen vollgepackten Tage auf der Buchmesse sehr anstrengend waren, "habe ich jeden Augenblick genossen", ergänzt Dirk Roßmann. Begeistert habe ihn das individuelle Outfit der Kostüme vieler (Cosplay-)Besucher. Konnte er sich Bücher anderer Autorinnen und Autoren anschauen? "In kleinem Umfang ja, für mehr war leider keine Zeit."
So stellten Roßmann und Hoppe ihr "Sachbuch im Thrillergewand" etwa am Messe-Freitag live am Stand von detektor.fm, dem offiziellen Podcast zur Frankfurter Buchmesse vor. Er mache sich große Sorgen um unseren Planeten, sagte Dirk Roßmann und wetterte gegen "die völlig geistesgestörte Rüstung". Die Ausgaben dafür solle man lieber in Maßnahmen gegen den Klimawandel stecken. Die beiden Autoren wollen "Denkanstöße" (Hoppe) zum Umschwung geben. "Ich glaube", so Roßmann, "dass wir in diesem Jahrzehnt eine Lernexplosion erleben werden, dass die 'Narren' weise werden." Die Zukunft werde überraschend sein, aber: Was kommt, wisse man nicht.
Es acht, neun Monate eine sehr erfüllende, aufregende Zusammenarbeit gewesen, sagte Hoppe bei gleicher Gelegenheit: "Wir haben jeden Tag vier-, fünfmal telefoniert, uns mehrmals die Woche besucht". Roßmann habe bei ihm, er bei Roßmann übernachtet.
Eine weitere Erkenntnis, die in der vergangenen Woche erneut bestätigt wurde: der Deutsche Buchpreis kurbelt die Buchverkäufe an. Der Roman "Blaue Frau" (S. Fischer; ET: 11. August), für den Antje Rávik Strubel (ihre Website) in diesem Jahr ausgezeichnet wurde, kletterte 62 Plätze in den Hardcover-Charts und landet neu auf Platz 2, direkt hinter dem Oktopus – und erstmals in den Top 25.
Was bedeutet der Gewinn des Deutschen Buchpreises für den Frankfurter Verlag? "Der gesamte Verlag freut sich riesig. So viele wirken seit all den Jahren an den Büchern mit und begleiten das Werk von Antje Rávik Strubel, dass die Freude eine wirklich gemeinsame ist", sagt Petra Gropp, Programmleitung Literatur, gegenüber Börsenblatt online.
Hatte sich der Verlag auf einen möglichen Preisgewinn vorbereitet, einen potenziellen Nachdruck schon geplant? Wie ist man angesichts der gerade grassierenden Papierknappheit vorgegangen? "Alle Beteiligten haben sich vorbereitet auf den glücklichen Fall der Fälle: Die Kolleg:innen aus der Herstellung haben den Druck geplant und ja, das Papier anvisiert, der Vertrieb stand bereit, um Bestellungen aufzunehmen, Marketing und Social Media haben Anzeigen und Aktionen vorbereitet, Presse und Veranstaltungen konnten sofort reagieren. Auch die Autorin hatte ihre Dankesrede konzipiert. Hätte sie den Preis nicht gewonnen, hätte sie eine andere Gelegenheit gefunden, ihre Botschaft zu formulieren", so Gropp. Am 18. Oktober, direkt nach der Preisverkündung, hat der Verlag einen Nachdruck von 100.000 Exemplaren veranlasst.
"Wir haben sofort Bestellungen erhalten und sehen nun einen rasanten Anstieg. Wir drucken bereits weiter nach", fügt Petra Gropp an.
Die Autorin hat acht Jahre an "Blaue Frau" geschrieben. Seit wann war es klar, dass das Buch bei S. Fischer erscheint? Petra Gropp sagt dazu: "Antje Rávik Strubel ist seit vielen Jahren unsere Autorin, ihr Werk erscheint bei uns, wir wussten, dass sie an einem für sie wichtigen Roman arbeitet und haben darüber gesprochen, daher haben wir uns sehr auf 'Blaue Frau' gefreut. Ich war tief beeindruckt, als ich das Manuskript im letzten Sommer lesen durfte. Es war völlig klar, dass dieser Roman bei uns erscheinen sollte." Oliver Vogel, der diesen Roman lektoriert hat, sie als Programmleiterin und die Verlegerin Siv Bublitz seien gleichermaßen begeistert gewesen. "Uns war sofort klar, dass wir hier einen außerordentlichen, erzählerisch starken, poetischen wie politischen Roman in der Hand halten. Antje Rávik Strubel erzählt von struktureller Gewalt, wie ich es noch nicht gelesen habe." Dass er durch den Deutschen Buchpreis nun eine große Aufmerksamkeit und viele Leser:innen findet, hatte man natürlich nicht wissen können, "aber wir waren sicher, dass der Roman bemerkt werden würde".
Mehr zur Preisträgerin und ihrem Buch lesen Sie auf Börsenblatt online:
Durch ihren Boykott der Frankfurter Buchmesse wegen der Teilnahme eines neurechten Verlags, hatte die Anti-Rassismus-Aktivistin Jasmina Kuhnke (auch unter dem Pseudonym "Quattromilf" bekannt) eine Debatte ausgelöst, eines der Themen der Messe gesetzt (Börsenblatt online hat darüber berichtet, siehe etwa: "Ein Boykott ist nicht die einzig richtige Antwort" oder: Im Recht und auf verlorenem Posten) – ihr erster Roman "Schwarzes Herz" (Rowohlt; ET: 19. Oktober), den sie eigentlich dort vorstellen sollte, steigt nun neu auf Platz 18 in unserer Hardcover-Liste ein. Protagonistin ihres Buchs ist eine Schwarze Ich-Erzählerin, die in den 90er-Jahren am Rand des Ruhrgebiets aufwächst. Rowohlt lässt derzeit die zweite Auflage drucken, heißt es auf Anfrage, Verkaufszahlen werden leider nicht genannt.
Themenwechsel: Ähnlich wie Klüpfel & Kobr ("Morgen, Klufti, wird's was geben"; Ullstein; ET: 24. September – aktuell auf Platz 6 unserer Hardcovercharts) hat auch Dora Heldt einen Weihnachnachts-Krimi geschrieben: "Geld oder Lebkuchen" (dtv; ET: 20. Oktober). Wie kam es zur Idee? "In der schwierigen Corona-Zeit freut man sich doch besonders auf die seltenen Gelegenheiten, mit Freunden und Familie zusammenzukommen", erläutert Pressefrau Julia Kositzki für ihren Verlag. "Daher lag das Thema Weihnachten für die Autorin nahe."
Und wie der Untertitel es schon andeute: "Es ist 'Fast ein Krimi', mit viel Humor und Weihnachtsstimmung." Dabei tauchen in der Geschichte keine aus Heldts Krimireihen vertraute Figuren auf, der Weihnachtsmann Ernst Mannsen ist ganz neu in seiner Rolle. Worum geht es? Adventszeit auf Sylt: Der Filialleiter einer Bank setzt sich mitsamt der Spenden für bedürftige Kinder ab. Ernst Mannsen will á la Robin Hood das fehlende Geld beschaffen, plant einen Coup, der allerdings aus dem Ruder läuft. Die Startauflage beträgt 100.000 Exemplare.
Vier weitere Titel schaffen bei den Hardcovern neu den Sprung in die Charts:
- Platz 7: "Hast du uns endlich gefunden" (Rowohlt; ET: 19. Oktober) des Schauspielers Edgar Selge. Der autofiktionale Roman ist gleichzeitig Aufsteiger der Woche bei der Belletristik (HC): plus 68 Plätze. Der Verlag gibt eine Startauflage von 70.000 Exemplaren an. Wie kam das Projekt zustande? "2017 habe ich Edgar Selge angesprochen, nachdem ich ein Interview mit ihm in der ZEIT anlässlich der Premiere von Houellebecqs 'Unterwerfung' im Hamburger Schauspielhaus gelesen hatte. Seitdem begleite ich sein Schreiben", sagt seine Lektorin Katharina Schlott. Selge hat auf der Frankfurter Buchmesse sein Buch vorgestellt, seine weiteren Lesungstermine (und ein Buchtrailer) finden sich hier.
- Platz 19: "Die Unzertrennlichen" (Rowohlt; ET: 19. Oktober; Ü: Amelie Thoma) von Simone de Beauvoir. Ein bislang unveröffentlichter autofiktionaler Roman. "Das Manuskript wurde 2019 von Simone de Beauvoirs Adoptivtochter Sylvie Le Bon entdeckt", so Rowohlt gegenüber Börsenblatt online. "Die Rechte haben wir uns sofort gesichert". Die Autorin hatte sich selbst gegen eine Veröffentlichung entschieden. Als de Beauvoir das Manuskript Sartre zeigte, habe der es zu intim für eine Veröffentlichung gefunden. Es blieb in der Schublade. Nun hat es ihre Adoptivtochter freigegeben.
- Platz 20: "Die Chroniken der Meerjungfrau – Der Fluch der Wellen" (Penhaligon; ET: 18. Oktober; Ü: Sigrun Zühlke) der US-Autorin Christina Henry (ihre Website). Die Dunklen Chroniken, Band 5. Hier strickt sie den Meerjungfrauen-Mythos düster um.
- Platz 22: "Welten auseinander" (S. Fischer; ET: 13. Oktober) von Julia Franck.
Beim Paperback beginnt "Layla" (dtv; ET: 20. Oktober; Ü: Katarina Ganslandt) von der 41-jährigen US-Autorin Colleen Hoover neu auf Platz 2. Sie erzählt die Amour fou zwischen Layla und dem Musiker Leeds. Alls dessen Ex-Freundin versucht, Layla aus dem Weg zu räumen, ändert sich alles für sie. Mit ihrem Kennenlern-Haus, in das sich Layla mit Leeds zurückzieht, scheint etwas nicht zu stimmen.
Ein New Adult-Titel? "Nein, es handelt sich um einen Romantic Thriller. Colleen Hoover hat sich nach ihren ersten New Adult-Romanen aus diesem Genre wegbewegt. Inzwischen ist sie bekannt für ihre Romantic Thriller (neben Layla auch ihr Erfolgstitel 'Verity') und ihre Frauenunterhaltung", erklärt Daniela Wind von der dtv-Presse. Der Einzelband richte sich an die breite Zielgruppe erwachsener Leserinnen, und zwar sowohl solche, die Thriller mögen, als auch Romance-Leserinnen. Die Startauflage beträgt 50.000 Exemplare.