Wie vollzieht sich der Wandel in der digitalen Transformation konkret?
Es braucht zunächst die Analyse des IST und ein klar formuliertes Ziel. Und dann wird der Weg dahin geplant, kommunikativ eng begleitet, immer wieder erklärt und umgesetzt. Bei uns wurden dafür Kulturwandel-Teams eingerichtet, die über alle Hierarchieebenen wirksam wurden und halfen, kulturelle Defizite und tradierte Denk- sowie Verhaltensweisen transparent zu machen. Das ist für eine harmonieorientierte Belegschaft nicht einfach. Aber um Neues anzugehen, müssen Mitarbeiter*innen auch eigene Ideen umsetzen können und bereit sein, Risiken einzugehen. Um dahin zu kommen, braucht man viel Austausch und Kommunikation. Schöner Nebeneffekt: Man stößt auch auf viele zu erhaltende Werte und Stärken.
Wie hat sich das Geschäftsmodell von Otto in den vergangenen Jahren verändert?
Wir waren Jahrzehnte als führendes Handelsunternehmen der Katalog-Ära bekannt, haben uns aber – anders als nicht mehr existente Wettbewerber – ab 1995 auf das E-Commerce Geschäft fokussiert. 2018 verabschiedeten wir uns vom Katalog, der von Kund*innen immer weniger genutzt wurde. Das war folgerichtig, aber auch ein emotionaler Moment, obwohl wir bereits begonnen hatten, unser Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Konkret haben wir unsere Fähigkeiten als Händler um einen Marktplatz für Drittanbieter erweitert. So haben wir das Produktangebot auf otto.de massiv ausgebaut und sind für Kund*innen noch attraktiver geworden. Parallel bieten wir exklusive Services für Partner und Marken an – eine weitere wichtige Säule unseres Plattform-Geschäftsmodells. Dafür wurden nicht nur Investitionen und Fachleute – vor allem für IT und E-Commerce – gebraucht. Sondern für viele Mitarbeiter*innen bedeutete dies, ihre eigene Rolle neu zu definieren. Das war mit viel Erklärungs- und Überzeugungsarbeit verbunden, wirklich alles kam auf den Prüfstand – bis selbstverständlich hin zur Frage, wie Vorgesetzte ihre Rollen neu verstehen lernen.
Gibt es Erfahrungen aus Ihrem Unternehmen, die auf die Buchbranche übertragbar wären?
Vorsicht, Kulturen sind divers. Am ehesten wären unsere Erfahrungen vielleicht auf Verlage übertragbar, also größere Einheiten, die klassisch agieren, in denen Verantwortung ungern geteilt und hierarchisch interpretiert wird. Aber grundsätzlich sollte man primär auf die eigene Organisation schauen und hinterfragen, wie offen wird bei uns eigentlich kommuniziert, wie durchlässig sind Strukturen, welche Austauschformate gibt es.