In den Gesetzgebungsmaterialien zum Buchpreisgesetz wurde ausdrücklich bestätigt, dass es für Verlage möglich bleibt, einem Letztverkäufer, der sich in außergewöhnlicher Weise für sein Verlagsprogramm oder für einzelne seiner Titel einsetzt, einen im Einzelfall höheren Rabatt als dem Zwischenbuchhandel einzuräumen. Bislang versucht die Praxis, die Außergewöhnlichkeit einer vertrieblichen Anstrengung durch die Differenzierung zwischen sortimentstypischen und sortimentsuntypischen Leistungen zu bestimmen; zuletzt hat auch das Landgericht Stuttgart hierauf abgestellt. Uneinigkeit besteht allein bei der Frage, welche Leistungen nun sortimentstypisch – bzw. untypisch sind.
Was wird seit jeher als „sortimentsuntypisch“ angesehen?
Im Gesetzgebungsverfahren wurden exemplarisch die oft zitierten Beispiele aufgeführt wie die Erschließung von Absätzen durch kostenintensive Akquisitions- bzw. Vertriebsmethoden; die Beschäftigung eigener Reisender bzw. Außendienstvertreter; oder die Durchführung eigener Kochkurse in einer Versuchsküche zum Verkauf bestimmter Verlagsprogramme im Bereich Essen & Trinken.
Darüber hinaus listet die Orientierungshilfe des Verleger- und Sortimenter Ausschusses exemplarisch Ausnahmen auf, die über die „sorgfältige buchhändlerische Praxis“ hinausgehende Leistungen enthalten. Will man die Beispiele groben Kategorien zuordnen, lassen sich die folgenden drei Komplexe erkennen:
(1) „Unterstützung bei einer effizienten Steuerung der Herstellung und Belieferung“, wobei hierzu die nachfolgenden Unterpunkte zählen dürften: Effizientes und zuverlässiges Zahlungsverhalten/Zentralregulierung; Information des Verlages durch die Buchhandlung über Bestände und Strukturdaten; Administration von Bestellung und Auslieferung, inklusive konfektionierter Rechnungsstellung, Zahlungsabwicklung, Zugangsverwaltung, Reklamationshandlung, etc.; Anbieterübergreifende Nutzungsstatistiken; Prozessverschlankende Angebots-, Verwaltungs- und Bestellsysteme als Webservice; eProcurementsysteme.
(2) „Unterstützung beim Vertrieb gegenüber Endkunden“ mit den Unterpunkten: Online: interaktive Elemente (z.B. Kundenrezensionen) auf der Internetseite; Online: Mitwirkung in buchbezogenen Social-Networks und Bestellung zur Ansicht.
(3) „Sonstige Leistungen“ wie Auslandsbesorgungen; Besorgung antiquarischer Bücher; Beschäftigung eigener Vertreter und Beratung und Unterstützung bei der Auswahl und Lizenzierung vormaßgeschneiderter Informationsressourcen.
Die Ratio der Abgrenzung zwischen „bereits sortimentstypisch“ einerseits und „noch sortimentsuntypisch“ andererseits ist nicht leicht erkennbar. Die Auflistung scheint in erster Linie den Status Quo des entsprechenden Kompromisses im Ausschuss wiederzugeben. Was darüber hinaus außergewöhnlich ist und was nicht, bedarf daher einer Bewertung und Differenzierung im Einzelfall und kann sich aufgrund von technologischem Wandel sowie disruptiven Innovationen im Zeitablauf über die Jahre ändern (z.B. Aufbau des tolino-Ökosystems durch Buchhändler) im Zeitablauf über die Jahre ändern:
Dynamische Entwicklung der Buchbranche
In den letzten Jahrzehnten ist die Buchbranche zunehmend digitaler und globaler geworden. § 6 Abs. 3 BuchPrG unterliegt daher dynamischen Mechanismen, muss nach seinem Sinn und Zweck offen für Entwicklungen sein und knüpft gerade nicht an ein „althergebrachtes“ Bild des Bucheinzelhandels an. Vor 20 Jahren war beispielsweise das Thema „Influencer Marketing“ noch unbekannt – heutzutage ist es in aller Munde. Damit Influencer als Werbemedium in Aktion treten, müssen zunächst Influencer-Verträge geschlossen und Vergütungsstrukturen vereinbart werden. Influencer können anschließend für einen Buchhändler tätig werden, in dem sie auf den einschlägigen Social Media Plattformen gezielt bestimmte Bücher oder ein Verlagsprogramm empfehlen. Der Buchhändler kann sich so in außergewöhnlicher Weise für einen Verlag einsetzen. Eine derartige Zusammenarbeit mit Influencern stellt somit ein „modernes Beispiel“ einer sortimentsuntypischen Leistung dar, welche den Absatz in einer Weise fördert, die wertungsmäßig der Beschäftigung eigener Reisender bzw. Außendienstvertreter entspricht. Es liegt insofern nahe, die Liste der sortimentsuntypischen Leistungen der Orientierungshilfe des Verleger- und Sortimenter Ausschusses um Leistungen beim Influencer-Marketing zu ergänzen. Ferner haben die Beschränkungen durch die Bekämpfung der Pandemie in den vergangenen 2 Jahren die Kreativität zu neuen Möglichkeiten der Kundenbetreuung angespornt und aufgezeigt. Eine Vielzahl weiterer Leistungen - etwa Online-Lesungen oder virtuelle Diskussionen – erfordern vor allem systematische und stetige Bemühungen, sind aber nicht zwangsläufig verbunden mit finanziellen Investitionen in einer Größenordnung, die nur wenigen Händlern möglich sind.
Weitere Beispiele sind etwa naheliegend, wenn es um die Einführung von Innovationen geht. Einleuchtend sind etwa Neuerungen, durch welche Verlage ihre Planung der Herstellung über die zeitnahe Zulieferung von Daten aus den ERP-Systemen des Handels merklich verbessern können. Dies belegen die zahlreichen, ähnlich gelagerten Beispiele aus der Orientierungshilfe des Verleger- und Sortimenter Ausschusses.
Möglichkeiten des Zwischenbuchhandels
Einen gewissen Teil dieser Leistungen kann auch der Zwischenbuchhandel selbst erbringen, gerade in Bezug auf Influencer-Marketing oder ERP-Systeme. Bei anderen kann er durch die Gestaltung seiner eigenen Konditionen Einfluss auf das Verhalten und die Leistungen der von ihm belieferten Letztverkäufer nehmen.
Setzt ein Verlag ein Preis– und Konditionensystem fest, in welchem er nur Letztbuchhändlern für die Erbringung bestimmter sortimentsuntypischer Leistungen einen Rabatt anbietet, Zwischenbuchhändler hiervon hingegen systematisch ausschließt, verstößt er gegen das Benachteiligungsverbot aus § 6 Abs. 3 BuchPrG.
Bietet der Verlag aber Zwischenbuchhändlern und direkt belieferten Letztbuchhändlern gleiche Konditionen an, kann keine Benachteiligung vorliegen. Entscheidet sich der Zwischenbuchhändler nun dafür, gegenüber dem Verlag keine derartigen Leistungen anzubieten oder zu erbringen, kann er die vom Verlag hierfür offerierte Vergütung eben auch nicht verlangen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso es unzulässig sein sollte, Letztbuchhändler für entsprechend erbrachte Leistungen zu entlohnen. § 6 Abs. 3 BuchPrG enthält keinen Anspruch des Zwischenbuchhandels, die Erbringung bestimmter Leistungen verweigern und gleichzeitig die hierfür ausgelobte Vergütung verlangen. Die Forderung, ungleiche Leistungen gleich zu rabattieren, lässt sich nicht begründen. Das Benachteiligungsverbot bietet keine Grundlage für einen Anspruch auf eine nicht begründete Bevorzugung.
Aber selbst wenn der Beitrag auf Mandatenwunsch geschrieben wurde, muss er inhatlich nicht unzutreffend sein. Daher sollte man sich die juristische Kernaussage ansehen.
"§ 6 Abs. 3 BuchPrG enthält keinen Anspruch des Zwischenbuchhandels, die Erbringung bestimmter Leistungen verweigern und gleichzeitig die hierfür ausgelobte Vergütung verlangen."
Auch bei dreimaligem Lesen erscheint dieser Satz falsch. Die Autor/innen führen aus, solange die Konditionen an Leistungen geknüpft sind, zu deren Erbringung nur alle gleichermaßen aufgerufen sind, könne eine Ungleichbehandlung niemals vorliegen.
Interessant ist nicht so sehr, wie dies begründet wird, sondern vielmehr, welche Methoden nicht herangezogen werden. Es wird nicht nach dem Telos - dem Sinn und Zweck - von § 6 Abs. 3 BuchPrG gefragt. Welchen Sinn könnte diese Norm haben? Was würde von diesem Sinn und Zweck übrig bleiben, wenn die Auslegung der Autor/innen zutreffend wäre? Würde der Gesetzgeber ein Gesetz machen, das sinnlos ist? Darf man eine Auslegung vornehmen, die ein Gesetz sinnlos macht?
Die Auslegung nach dem Sinn und Zweck ist quasi die Königsdisziplin und wird hier aus gutem Grund nicht beschritten. Sie führt zu einem unerwünschten Ergebnis.
Der Sinn ist nach allgemeiner Meinung, den Zwischenbuchhandel in seiner Funktion zu schützen. Würde man wie vorgeschlagen auslegen, so dürfte ein Verlag folgende Kondition festlegen "wer Bücher stationär an Endverbraucher verkauft erhält x % zusätzlichen Rabatt". Reine Onliner werden sich ärgern. Aber auch der Zwischenbuchhandel schaut in die Röhre. Er kann die Bedingung nicht erfüllen, da er nicht mehr Zwischenbuchhandel wäre, würde er es tun.
Es sind schier unendliche viele Konditionen denkbar, die strukturell nur von einigen Marktteilnehmern erfüllbar sind. Hätte der Gesetzgeber eine solche Auslegung gewollt, hätte er dies ausdrücklich normiert, denn mit dieser Auslegung wird § 6 Abs. 3 BuchPrG vollständig sinnentleert. Die Vorschrift wäre durch einfachste Formulierungen umgehbar. Ein sinnloses Gesetz darf man aber nicht unterstellen. Daher ist die vorgeschlagene Auslegung schlicht unzulässig.
Allenfalls könnte man darüber reden, dass Verlage solche Leistungen abfragen und konditionieren dürfen, die auch der Zwischenbuchhandel strukturell ebenso erbringen kann wie Letztverkäufer. Damit scheidet nahezu jedes Kriterium aus, dass am Endkunden anknüpft. Das verwundert nicht, denn was die Autor/innen als großartige Leistungen der Letztverkäufer zugunsten der Verlage feiern, sind bei Tageslicht betrachtet oftmals nur Marketingmaßnahmen im Verdrängungswettbewerb der Letztverkäufer untereinander.
Es muss also so sein, dass ein Letztverkäufer, der alle vom Verlag geforderten Leistungen, die der Zwischenbuchhandel strukturell nicht ebenso erbringen kann, erbringt, nicht besser gestellt sein darf als der Zwischenbuchhandel. Nur durch diese Auslegung lässt sich der Sinn von § 6 Abs. 3 BuchPrG erhalten. Und auch nur diese Auslegung deckt sich mit dem Wortlaut der Norm. Denn eine für den Zwischenbuchhandel "schlechtere" Kondition ist natürlich auch eine Konditon, die zwar wörtlich gleich zu denen der Letztverkäufer ist, aber faktisch oder wirtschaftlich vom Zwischenbuchhändler unerfüllbar ist.
Um es etwas bildlicher zu erklären: Wenn ich "Kinder unter 14 Jahre Eintritt frei" anbiete, ist das für den 15-jährigen eine schlechtere Kondition, auch wenn ich sie allen Gästen gegenüber gleich formuliere. Der 15-jährige wird die Kondition niemals erfüllen können.
Und herzhaft lachen können geneigte Buchhändlerinnen und Buchhändler, wenn sie oder er unter Punkt 4 (Verlage dürfen Innovation im Buchhandel im Einzelfall durch Rabatte unterstützen) die folgende Zeile liest:
„Das Gesetz dient nicht dem Schutz und der Erhaltung der Trägheit im Buchhandel, sondern dem Schutz des Kulturgutes Buch und der Erhaltung eines breiten Buchangebotes.“
Soweit es mir erinnerlich ist, bekam man bei Thalia während des ersten Lockdowns in 2020 die gewünschten Bücher ausschließlich via Bestellung im Shop, da die Geschäfte vor Ort nicht geöffnet waren und auch nicht selbst ausgeliefert haben. Und wenn ich Herrn Buschs aktuelle Zahlen richtig interpretiere, dann reichte im Geschäftsjahr 2020/2021 auch die online generierte Umsatzsteigerung von 65% nicht aus, um das Minus von 16% beim stationären Umsatz ausgleichen zu können. Statistik hin oder her – die sich im Umlauf befindenden Zahlen bezüglich eines Minus im gesamten Sortimentsbuchhandel entsprechen nicht unbedingt den Zahlen vieler filialunabhängiger Kolleginnen und Kollegen, von denen übrigens der Großteil auch digital sehr gut aufgestellt ist.
Es sind also an dieser Stelle durchaus drei sehr spontane Fragen gestattet:
Welcher Zweig unserer Branche hat sich besonders in dieser wichtigen Zeit tatsächlich als sehr träge erwiesen?
Inwieweit sind zum Beispiel analoge Lastenfahrräder in diesen digitalen Zeiten unerhört innovativ und alles andere als träge?
Können Verlage (auch Punkt 4) wegen der außergewöhnlichen Minder-Anstrengung eines großen Buchhändlers und seiner Trägheit eigentlich dessen Rabatte auch rückwirkend kürzen?
Der ganze angeblich Outside-In-Beitrag ist schlussendlich Michael Busch im O-Ton und regt, den entsprechenden Galgenhumor vorausgesetzt, doch sehr zum Schmunzeln an!
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
- Unter 2. lesen wir "Gerade in der jüngeren Diskussion ist wiederholt behauptet worden, Handelsspannen über 50 Prozent des festgesetzten Endverkaufspreises seien mit der Preisbindung nicht vereinbar." Ich weiß nicht, woher diese Wahrnehmung stammt, denn niemand behauptet, das gegenwärtige Preisbindungsgesetz schreibe eine Obergrenze von 50 % fest. Das wäre auch Unsinn, denn es steht ja nun schlicht nichts davon drin.
Allerdings ist in § 6.3 formuliert: "Verlage dürfen für Zwischenbuchhändler keine höheren Preise oder schlechteren Konditionen festsetzen als für Letztverkäufer, die sie direkt beliefern." Punkt. Ohne etwaigen Zusatz, dass ganz besondere Leistungen natürlich nicht dazu zählen. Es gibt auch keine Ausnhame etwa für ganz besonders innovative Buchhandlungen. Auch von sortimentsuntypischen Leistungen, die abgesehen vom Gesetzestext erbracht würden, ist nicht die Rede.
Eine amtliche Interpretation haben wir im mittlerweile rechtskräftigen Stuttgarter Urteil bekommen (https://www.boersenblatt.net/news/keine-boni-fuer-sortimentstypische-leistungen-174665), in dem die Richter eine Menge angeblicher Sonderleistungen als sortimentstypisch betrachteten und damit als nicht bonifizierbar einstuften.
- Im Absatz 3 des obigen Artikels lesen wir: "Darüber hinaus listet die Orientierungshilfe des Verleger- und Sortimenter Ausschusses exemplarisch Ausnahmen auf, die über die 'sorgfältige buchhändlerische Praxis' hinausgehende Leistungen enthalten." Das erweckt den Eindruck, dass VA und SoA hier schon eine Empfehlung für die Interpretation des 6.3. abgegeben hätten. Das ist mitnichten der Fall!
Das Papier, auf das Bezug genommen wird, ist zum einen schon vor fast zehn Jahren verabschiedet worden, nämlich im Februar 2012. Zum anderen stammt es aus einem ganz anderen Kontext. Es ging dabei um § 6.1, in dem es heißt, dass Verlage die buchhändlerische Vertriebsleistung angemessen zu honorieren haben und den der Buchhandlung gewährten Rabatt nicht ausschließlich am getätigten Umsatz ausrichten darf. Eine Norm also, die die Existenz der Breite der Buchhandlungen fördern soll, indem auch diejenigen angemessene Rabatte erhalten, die aufgrund ihrer Größe keine Höchstumsätze erzielen können. Den Verlagen sollten mit dem Papier zum einen die vielen erbrachten Leistungen des Handels vor Augen gebracht werden. Zum anderen ging es um Anregungen, welche über die Basisleistungen hinausgehenden Engagements bei der Bemessung von Jahreskonditionen honoriert werden könnten. Es ging also darum, dass auch kleinere Händler eine Chance auf eine angemessene Rabattierung bekommen, was ihnen ja auch lt. Gesetz zusteht:
"6.1: Verlage müssen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise und sonstigen Verkaufskonditionen gegenüber Händlern den von kleineren Buchhandlungen erbrachten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern sowie ihren buchhändlerischen Service angemessen berücksichtigen. Sie dürfen ihre Rabatte nicht allein an dem mit einem Händler erzielten Umsatz ausrichten."
Daraus eine Möglichkeit für amazon und Filialbuchhandlungen abzuleiten, um den 6.3 auszuhöhlen, ist eine durchschaubar interessengeleitete Verdrehung und eindeutig auftraggebergetrieben.
Die Argumentation, dass ein Buchändler, der etwas macht, was ein Barsortiment nicht macht deshalb Anspruch auf einen höheren Rabatt als das Barsortiment hat, haben schon andere hier nicht überzeugend gefunden.
Originell finde ich auch das neue Argument der Innovation. Als ob das so klar und einfach wäre, wie es hier dargestellt wird. Oft ist das Neue das Schlechte. Neu ist schlicht kein taugliches Kriterium, man muss schon festlegen, was man überhaupt erreichen will. Das wäre doch ein Feld, bei dem sich Gutachten oder Meinungsbeiträge mehr lohnen würden, bei der Frage, was überhaupt das Ziel des Buchhandels sein soll und der Frage, wer das mit welchen Mitteln besser erreicht.
Nachdenklich macht mich dagegen die Frage, warum der Text im Börsenblatt abgedruckt wird. Ist das ein Sonderrecht von Thalia oder darf jedes Mitglied einen Anwalt beauftragen und bekommt dann sein Kurzgutachten abgedruckt? Oder ist es wie bei der Friedenspreisverleihung beim unerbetenen Beitrag von Frau Mahn, dass der Börsenverein sich schlicht nicht wehren konnte?
Wir stellen allerdings fest, dass der digitalisierungsgetriebene Filialist in einer sehr schwierigen Zeit auf der vernachlässigten analogen Ebene extrem versagt hat, weil das Publikum es dann doch etwas anders wollte. Auch wenn Herrn Busch die Worte Lastenfahrrad und lokaler Lieferdienst inzwischen bekannt zu sein scheinen, so standen sie für Thalia bislang wohl eher für den als „träge“ ausgemachten Buchhandel. Dies gilt zumindest solange, bis man selbst den Wert erkennt und die Innovation dann mit großem Getöse für sich reklamieren wird, weil es ja inzwischen E-Bikes gibt, die ja irgendwie auch digital sind.
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Die Eigenheit der Innovationen ist, dass man genau nicht weiß, ob sie erfolgreich werden oder nicht. Wenn man das wüsste, bräuchte man keine Vielfalt. Dann könnte man gleich die eine, richtige Innovation umsetzen und den gesamten Rest weglassen. So ist es aber nicht. Evolution setzt auf Vielfalt als Grundlage für den dann möglichen Wettbewerb um die besten Ideen. Es lässt sich also jedes Handeln als Innovation bezeichnen, im Wahrheit ist auch "das Gleiche tun" eine Innovation als Entscheidung gegen die anderen Möglichkeiten. Und die Buchhandelsbranche muss am Ende nicht nur denen dankbar sein, deren Innovation sich als die richtige erwiesen hat, sondern auch denen, die etwas beigetragen haben, was vielleicht nur auf Platz zwei oder tausend ins Ziel kam. Denn oft ist es die Beobachtung der letzten Endes erfolglosen Idee, die den wichtigsten Anstoß zur Entwicklung der erfolgreichen gibt. Genau nach diesem Gedanken entscheidet der Naturschutz, dass ALLE Lebewesen schützenswert sind, weil wir nicht wissen, welches Gen im nächsten Entwicklungsschritt möglicherweise existentielle Bedeutung haben kann.
das genau ist ja gerade das Problem. Alle im Sortiment, ob groß oder klein, ob unabhängig oder Filialist, experimentieren mehr oder weniger mit Innovation und sind selbstverständlich alle unter dem Dach der Buchpreisbindung schützenswert.. Wenn allerdings ein jetzt schon bevorteilter Beteiligter die Innovationsfähigkeit in der Hauptsache für sich reklamiert und darauf aufbauend bei der ganzen Rabattdiskussionsrakete eigennützig die nächste Stufe der Eskalation so plakativ anzündet, dann darf ein wenig Gegenwind doch erlaubt sein - oder? Denn unser Problem hier besteht weniger in der Höhe der uns bislang gewährten Rabatte, unser Problem besteht in der Rabattspreizung, der damit verbundenen Ungleichbehandlung und der Tatsache, dass viele kleine Beteiligte einige wenige große Marktteilnehmer direkt oder indirekt subventionieren - das geht so nicht!
Jens Bartsch - Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln